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Autokorektur aus! Wieder die Verdumung und Endmündigung -[KOLUMNE]

Es gibt keine Rechtschreibung!

Räumen wir zunächst mit einem Mythos auf: Es gibt keine Rechtschreibung. Anders gesagt, sie türfen schreipen vie si wolen, es ist immer richtig. Es sei denn, Sie a) besitzen ein iPhone, b) sind Finanzbeamtin oder c) Schüler. Dann müssen Sie sich an die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung (ja, klingt deutsch, besteht aber aus Mitgliedern aus sieben Ländern) halten. Rats-Deutsch ist offiziell-richtiges Deutsch, bleiben wir in diesem Text dabei, so verstehen wir uns besser.

Apples Orthografie-Diktat

Naja, ich habe übertrieben. Nur b) und c) sind für Behörden und Schulen wirklich geregelt, bei a) wie Apple unterwerfen wir uns freiwillig dem Orthografie-Diktat. Leider. Die bekannte Telefon-Manufaktur aus Kalifornien nennt es – wie übrigens alle anderen auch – „Autokorrektur“. Das allein wäre eine unverschämte Beschönigung. Nennen wir es deshalb Du-bist-blöd-ich-weiß-es-besser-Klugscheißer-Funktion.

Clou oder Klo? Entscheidet Apple!

Das Netz ist voll mit Stilblüten, die die Autokorrektur eines iPhones hervorbringt („Autocompletefail“ lautet das Stichwort). Manchmal sind sie lustig, manchmal verwirrend und selten auch verstörend, wenn aus Jacke Kacke, aus Pesto Pestizid und aus Feierabend Feuerbestattung wird. Unser Hund heißt „Clou“ (die Kenner erkennen den C-Wurf) und unzählige Male fragte ich per iMessage, ob das Klo raus war.

Hilf mir es selbst zu tun – entmündige mich nicht!

Unterstellen wir Apple eine gute Absicht die Wahrheit in der Sprache zu suchen und uns zu helfen. Warum mündet dies aber in eine regelrechte Entmündigung? Warum wird ein Wort als apple-falsch erkannt und ohne mein Zutun geändert? Ich schreibe – vermeintlich – falsch, mein iPhone korrigiert automatisch, möchte ich das ursprüngliche Wort haben, muss ich aktiv werden. Bitte, Apple, lasse mich entscheiden, wie ich schreiben möchte! Hilf mir gerne, es selbst zu tun (die Kenner erkennen den Klassiker der Pädagogik). Schließen wir von mir aus einen Kompromiss: Markiere mir das, von dem du Stück Silikon denkst, es wäre falsch. Stopp (Ja, zwei „p“ – auf den Verkehrsschildern steht es falsch, die Ausrede ist: Es soll international einheitlich sein). Danke.

Microsoft ist schuld!

Die Geschichte verbockt hat übrigens ein anderer Tech-Gigant: Microsoft. Die hatten die Idee mit der Autokorrektur und das Elend nahm seinen Lauf. Ein Entwickler namens Dean Hachamovitch soll dafür verantwortlich sein. Unterstellen wir auch ihm gute Absichten und kein mangelndes Selbstvertrauen oder ein gestörtes Verhältnis zu seiner Sprache.

Autokorrektur macht dumm

Naja, ich habe übertrieben. Niemand wird dumm durch Autokorrektur, aber sie macht auch nicht schlauer. Ein kleiner Test? Aggressiv, bisschen, Email, bis auf weiteres, googeln,–zwei der Beispiele sind falsch geschrieben. Mein iPhone macht es mir einfach diese Dinge nicht lernen zu müssen.

Sprache ist Macht

Übrigens ist dieser Eingriff in die Sprache nicht so niedlich wie er scheint, denn schon George Orwell wusste im Buch „1984“: Sprache ist Macht. Stellen wir uns irgendwo auf dieser Welt ein autokratisches Regime vor, das eine Blacklist von Begriffen definiert, die immer per Autokorrektur geändert werden.

Macht es die Welt zu einem besseren Ort?

Macht also eine Autokorrektur-Funktion die Welt… (Sie wissen schon). Ein klares Nein. Oder nur ein ganz klein wenig. Sie behebt viele Flüchtigkeitsfehler beim Schreiben, das ist sehr angenehm. Kann sie Krisen verursachen, Trennungen provozieren, Missverständnisse auslösen? Ja. Erleichtert sie mir das Schreiben? Nein! Auch wenn ich keine Flüchtigkeitsfehler mache, lebe ich doch ständig in der Panik, nicht genau das gesendet zu haben, was ich eigentlich schreiben wollte. Es zwingt mich, ständig gegenzulesen und mein iPhone zu re-korrigieren. Und manchmal ist ein Text wichtiger als die Frage nach dem Gassi-Gehen des Hundes. Das nervt.

Also: Autokorrektur aus! Meine Fehler sind meine Fehler.

 

Zur Person

Dr. Marco Fileccia arbeitete lange Jahre als freier Journalist. Mit seiner Promotion in Mediendidaktik arbeitet er heute hauptberuflich als Lehrer an einem Gymnasium. Daneben schreibt er für verschiedene Verlage und Landesmedienanstalten sowie die Bundeszentrale für politische Bildung. Für Apfelpage.de schaut er auf die Stärken und Schattenseiten des Apple-Universums.

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Marco Fileccia
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16 Kommentare zu dem Artikel "Autokorektur aus! Wieder die Verdumung und Endmündigung -[KOLUMNE]"

  1. Gerd 21. Juli 2022 um 19:21 Uhr ·
    Die Verdummung nimmt seinen Lauf
    iLike 8
    • Marco Fileccia 29. Juli 2022 um 07:57 Uhr ·
      Hallo Gerd, Danke für den Kommentar. Ja, aber solange wir es merken… ist noch nicht alles verloren ;-).
      iLike 0
  2. Ralf 21. Juli 2022 um 19:45 Uhr ·
    Verstehe das Problem und die Aufregung nicht. Autokorrektur ausschalten, Problem gelöst!?
    iLike 15
    • Marco Fileccia 29. Juli 2022 um 07:58 Uhr ·
      Hallo Ralf. Danke für den Kommentar. Ja, ausschalten ist eine Lösung. Dann werden aber auch nicht die kleinen Flüchtigkeitsfehler korrigiert, wo eine Autokorrektur mal nett sein könnte. Das macht es so schwierig.
      iLike 0
  3. Torro 21. Juli 2022 um 19:56 Uhr ·
    Ich arbeite mit Kindern und Jugendlichen. Wenn die Autokorrektur nicht existieren würde, dann wäre es eine Katastrophe! Wobei es auch (trotz Autokorrektur!) mittlerweile eine Katastrophe ist, was die Kids auf ihren Smartphones beim schreiben so raushauen! 🤦🏻‍♂️
    iLike 3
    • Marco Fileccia 29. Juli 2022 um 08:01 Uhr ·
      Hallo Torro. Danke für den Kommentar. Ja, ich arbeite auch mit Kindern und Jugendlichen und bin immer hin- und hergerissen. Eigentlich ist Autokorrektur eine tolle Idee für die kleinen Flüchtigkeitsfehler, aber, wie gesagt, ich lerne nicht. Und das Problem des Schlecht-Schreibens bleibt ja leider nicht auf dem Smartphone, sondern geht auch in andere geschriebene Texte (wie Klassenarbeiten).
      iLike 0
  4. Andi68 21. Juli 2022 um 20:13 Uhr ·
    Mein Windows Phone lernte wenigstens noch Wörter die ich so wollte wie ich sie schrieb. Die iPhone Korrektur hingen schlägt mir eigentlich nur Unsinn vor. Egal wie oft ich das Wort auch als gewollt markiere. Die mieseste Rechtschreibung die ich kenne. Mag ja sein das es auf englisch funktioniert, deutsch ist unbrauchbar.
    iLike 4
    • Marco Fileccia 29. Juli 2022 um 08:02 Uhr ·
      Hallo. Danke für den Kommentar. Genau ist das Problem!
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  5. AlexP 21. Juli 2022 um 22:03 Uhr ·
    Ja. Verdumung soll nicht sein! Autokorektur braucht kein Mensch.
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    • jupiieh 22. Juli 2022 um 14:38 Uhr ·
      🤣😂🤣🤣😂🤣😂🤣 „Verdumung“
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  6. jupiieh 22. Juli 2022 um 14:37 Uhr ·
    Was Du, Marco, komplett zu erwähnen vergessen hast, ist die unverschämte Art von Apple, sämtliche „versaute“, „derbe“ Wörter oder auch Schimpfworte bzw Flüche wie zb Scheiße, Wichser, verdammt, Hure, Arsch…. (Alle Wörter manuell geschrieben😂) ect…. Ich finde es unerträglich, dass ich nicht selbst schreiben „darf“, was nicht FSK16 abdeckt bzw nicht der „Politic correctness entspricht! DAS ist eine Bevormundung und Heuchelei wie in der deutsche Politik!!!
    iLike 0
    • Mahmud 22. Juli 2022 um 21:21 Uhr ·
      Arsch Penner Wichser Hure, Schlampe, Fotze. das habe ich jetzt alles diktiert 😊 Lächeln des :-D
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      • jupiieh 30. Juli 2022 um 15:15 Uhr ·
        Ich sprach nicht von Diktieren, sondern vom Swypen auf der Apple-Tastatur. Das ging bei fremd-Software viel besser.
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    • Marco Fileccia 29. Juli 2022 um 08:04 Uhr ·
      Hallo. Danke für den Kommentar. Dieses Fass wollte ich tatsächlich nicht noch aufmachen, von Ärger wegen Jugendgefährdung mal ganz zu schweigen. Aber prinzipiell sollte ich in der privaten Kommunikation schon das Recht haben, so zu schreiben wie ich möchte ;-).
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  7. Mahmud 22. Juli 2022 um 21:19 Uhr ·
    Die AutoKorrektur ist bei mir schon lange deaktiviert. Ausschließlich diktiere ich auch nur mit dem iPhone. Das wird ab iOS 16 deutlich besser.
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    • Marco Fileccia 29. Juli 2022 um 08:07 Uhr ·
      Hallo Mahmud, Danke für den Kommentar. Wir hoffen auf Verbesserungen.
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