Meta droht wieder mit seinem Rückzug aus Europa. Dass dieser tatsächlich kommt, ist unwahrscheinlich, aber mal ehrlich, was wäre mit diesem Schritt denn überhaupt gewonnen?
Facebook und Instagram, nur wenige Menschen können wohl für sich selbst feststellen, diese Plattformen wirklich zu mögen. Man mag Facebook nicht, aber die meisten nutzen es auf die ein- oder andere Weise aus ganz praktischen Gründen – weil Facebook-Gruppen etwa die meisten Themen-Diskussionsforen im Internet verdrängt haben, weil man in Facebook schnell und zuverlässig Neuigkeiten aus der eigenen Stadt wie Preisaktionen von Supermärkten, Details zum besten Arzt für dieses und jenes Leiden von Mensch und Tier oder den besten Friseur für Mensch und Tier erfährt – das mag vor allem für die gelten, die keine lokale Tageszeitung mehr abonniert haben, mithin also erschreckend viele Zeitgenossen.
Und mal ehrlich, all die stumpfen Sprüche auf Facebook und gedankenleeren Bilder auf Instagram helfen Millionen Menschen dabei, ihre eigenen gedankenleeren Tage zu füllen. Fremdleben ist deutlich entspannter als selbst leben und Facebook und Instagram sind die perfekten Plattformen dafür.
Wäre Facebook, wäre Instagram von einem Tag auf den anderen verschwunden, könnten sich Deutschlands Psychologen vor anrennenden Neupatienten nicht retten und die Hilfsbrigaden aus Kontakt-Nachverfolgern der Gesundheitsämter müssten umschulen und bei der Telefonseelsorge anfangen. Auch wir würden die Folgen sicher in unserer Reichweite spüren, denn auch die Apfelpage.de-Leser würden von dieser unausbleiblichen Sinnkrise nicht verschont werden.
WhatsApp = Kommunikation
Und WhatsApp… nun, mit WhatsApp ist es ähnlich: Echte Sympathien hat der Messenger wohl kaum, wenn er aber plötzlich weg wäre, würde Millionen Deutschen hektischer Stressschweiß ausbrechen. Wie mit der Elterngruppe, wie mit der Sportschaurunde Kontakt aufnehmen? Die solcherart kommunikativ Entwurzelten fänden sich schlagartig abgetrennt von der Welt und auf ihr eigenes kärgliches Selbst zurückgeworfen. Threema? Signal? – sind für den Durchschnittsnutzer seltsame Worte ohne Sinn.
Dem Durchschnittsmenschen, schon seit je her ein Ausbruch erschütternder Eintönigkeit, hat die Corona-Pandemie übel mitgespielt. War er zuvor zumeist schon grundlos zu antriebsschwach, selbst hinaus zu gehen und Dinge zu erleben – und seien sie noch so wenig herausragend und spektakulär – wurde es ihm die letzten zwei Jahre zumeist verboten – ungewiss, ob er es je wieder erlernen wird. Umso wichtiger wurde es zu sehen, dass andere noch (etwas) er/leben.
TikTok und Telegram seien ja auch noch da, mag nun eingewendet werden und was gibt es da noch? Snapchat und dann wird es schon dünn. Doch das eine ist die Domäne der Jugend, die uns so rasch ausgeht, das andere die der Querdenker, und rechten und linken Extremisten und alle drei sind sie zu unbedeutend auf unserem heimischen Markt, um kurzfristig als Alternative zu taugen.
Ein konstruktiver Vorschlag
Meta Platforms hält heute mit seinen Plattformen das digitale Sozialmonopol, ob uns das gefällt oder nicht. Der Zeitpunkt, etwas daran zu ändern, wurde vor Jahren verpasst. Heute wäre der beste Weg wohl, das Konzernimperium zu entflechten und alle Portale wieder in eigenständige Firmen zurückzuführen, die miteinander im Wettbewerb stehen – ein Weg, der einem regulatorisch tätigen Gesetzgeber offen steht. Ein schlagartiger Rückzug von Meta aus Europa dagegen würde wahrscheinlich nur rapiden Zulauf für Plattformen bedeuten, die sich nicht regulieren lassen.
17 Gedanken zu „Kommentar: Ohne Facebook brauchen wir mehr Psychologen“
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