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Leder – ein Beitrag zu einer toxischen Debatte (Die Kolumne)

Leder. Mehr braucht es in diesen Tagen nicht, um Freunde zu verlieren, Familien zu entzweien oder einen gepflegten Shitstorm auszulösen. Apple hat das Material Leder aus seinen Produkten verbannt, vor allem gibt es keine iPhone-Hüllen und keine Watch-Armbänder mehr aus diesem Material. Argumentiert hat unser Lieblingskonzern mit den ökologischen Gründen in der Produktion. Es hätte noch einige andere Gründe gegeben, aber… tragen wir ein wenig zu dieser toxischen Debatte bei und versuchen uns in analytischer Demut oder in demütiger Analyse – wie Sie wollen. Bewerten dürfen Sie am Ende selbst.

Fakten, Fakten, Fakten

Toxisch bedeutet, wie wir alle wissen, giftig. Unser aller Duden geht weiter und bezeichnet toxisch als „sehr bösartig, gefährlich, zermürbend und schädlich“. Womit wir bei der Leder-Debatte wären. Es fühlt sich an, als gäbe es keine zwei Meinungen für viele in der Wildnis, man ist dafür oder dagegen, egal, Hauptsache meiner Meinung. Lassen wir hier in dieser kleinen Kolumne einige Fakten sprechen.

Leder ist Tierhaut. Basta.

Leder ist Tierhaut, wie Pelz, nur ohne Haare. Da gibt es kein Drumherumreden. Alles andere, wie veganes Leder, ist keine Tierhaut. So wie Schnitzel und veganes Schnitzel. Früher nannte man Nicht-Leder-Leder nur Kunstleder, heute klingt veganes Leder programmatisch, denn es werden – der Name sagt es – keine tierischen Produkte verwendet.

Apfelleder

Bei Kunstleder gibt es die bösen Formen aus PVC (in schlau Polyvinylchlorid), also aus bösem Erdöl / Erdgas (ja, plus Chlor) und es gibt die guten Bio-Kunstleder, zum Beispiel aus Kaktus(!) und auch aus Apfel (Apple – warum hast du das nicht gemacht? Hüllen aus Apffelleder von der italienischen Firma Frumat (das heißt sogar „AppleSkin“)). Ja, dieses Apfelleder besteht noch zu 70 Prozent aus Polyurethan (PU) und nur zu 30 Prozent aus Apfelresten (tatsächlich!), aber PU kann man aus Kartoffeln gewinnen, oder aus Mais oder Zuckerrüben… vegan sozusagen. Kunstleder richtig, also ökologisch anständig, gemacht, wäre also eine echte Alternative und vielleicht ein Mittelweg gewesen, mein Namensvorschlag (wie immer, ohne Honorar nutzbar, Apple!): Skin Woven oder Fine Skin.

Mc Donald´s

Richtiges Leder kommt von Tieren. Meist von Nutztieren, die wir danach aufessen, wie Rinder zwischen Brötchenhälften einer anderen amerikanischen Firma beispielsweise. Auch hier hilft kein Drumherumreden. Wer sich nicht vegetarisch oder vegan ernährt, der trägt dazu bei, dass Tierhäute zur Verfügung stehen. Wir Menschen halten weltweit eine Milliarde Rinder, in Deutschland sind es knapp 11 Millionen, übrigens mit fallender Tendenz, was eine gute Nachricht ist. Nun kann man guten Gewissens grundsätzlich und aus Überzeugung oder anderen Gründen gegen eine Nutztierhaltung sein.

Massentierhaltung

Übrigens werden, bis auf arme Krokodile, arme Eidechsen und und arme Schlangen, selten Tiere wie Rinder für ihr Leder gehalten und geschlachtet. Das Leder ist eher ein Nebenprodukt der Massentierhaltung, aber… dadurch wird die Wertschöpfungskette in der Tierhaltung auch rentabler. Auf der einen Seite ist es also gut, wenn Tiere vollständig verwertet werden, andererseits macht es die ganze Sache rentabler für Landwirte.

Leder ist ein tolles Material

Richtiges Leder ist ein tolles Material: Es ist geschmeidig, zäh, sehr fest, jahrzehntelang haltbar, vielseitig einsetzbar (siehe Hüllen und Armbänder), es ist atmungsaktiv und angenehm zu tragen. Vergessen wir das nicht. Und vergessen wir nicht, dass es archäologische Funde unserer Vorfahren gibt (ja, auch ihre!), die vor 100.000 Jahren bereits tierische Häute haltbar gemacht und genutzt haben.

Rinderpupse

Kommen wir endlich zur Apple-Argumentation. Da sind zum einen die Klimaaspekte der Massentierhaltung, zum Beispiel die Methan-Produktion von Rindern. Ja, sie pupsen und rülpsen es, Wiederkäuer können nicht anders. Übrigens so alle drei Minuten und über 100 Kilogramm Methan pro Jahr. Das dürfen Sie gerne mal eine Milliarde multiplizieren.

Giftiges Gerben

Zum anderen wird Tierhaut erst durch Gerbung zu Leder. Zum Einsatz kommen sehr giftige Chemikalien, wie Chrom (Das Salz Chrom III, um genau zu sein, was aber sehr leicht zu Chrom VI werden kann, was, siehe oben, toxisch ist.) Dieses Chrom wird in Tagebauen in Afrika und Asien abgebaut, man kann sich die Arbeitsverhältnisse dort leicht vorstellen. Und man braucht eine Menge davon: Pro Kilogramm Roh-Tierhaut kommen 500 Gramm Chemikalien zum Einsatz.

Hazari Bag

Die Entsorgung all dieser Chemikalien ist ein Riesen-Problem, man stelle sich vergiftete Flüsse und vergiftete Anwohner vor. Googlen Sie Hazari Bag in Bangladesch. Nebenbei: 80 Prozent des weltweit verwendeten Leders wird in Asien hergestellt. Raten Sie, warum!

Vegetabiles Gerben

Aber! Es gäbe Alternativen! Man kann Tierhäute auch pflanzlich gerben, mit Baumrinde oder Rhababerwurzel beispielsweise, das ist umweltschonend und nachhaltig. Ein netter Nebeneffekt: Es ist gesünder auf der Haut, zum Beispiel für Allergiker, als das Chrom-Leder (es gibt einen EU-Grenzwert für Chrom VI: Produkte mit mehr als 3 mg/kg dürfen nicht verkauft werden). Aber, Sie ahnen es, das Ganze ist teurer.

Wasser ist ein Problem!

Bis hierhin könnten wir als Carnivore der Argumentation folgen: Tierhäute fallen ohnehin an, wir achten auf eine vegetabile Gerbung und haben ein nachhaltiges Material aus nachwachsenden Rohstoffen, extrem lange nutzbar, kein Fast Fashion (,obwohl applelike die Vorjahres-Hüllen nicht mehr passen), ohne Kunststoffe aus Erdöl/Erdgas. Doch um eines kommt man nicht herum: Die Lederherstellung braucht enorm viel Wasser. Pro Kilo Leder werden auf dem ganzen Lebens- und Produktionsweg rund 16.000 Liter fällig (nur mal nebenbei: für eine Jeans aus Baumwolle werden auch 8.000 Liter benötigt).

Fazit

Mein Fazit fällt aus. Ziehen Sie ihr eigenes, von mir nur analytische Demut, wahlweise demütige Analyse.

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Marco Fileccia
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10 Kommentare zu dem Artikel "Leder – ein Beitrag zu einer toxischen Debatte (Die Kolumne)"

  1. Flo 5. Oktober 2023 um 19:08 Uhr ·
    Respekt, ein erstaunlich guter und sachlicher Artikel zu dem Thema 👍🏼 Mein einziger Kritikpunkt ist, das verharmlost/runtergespielt wird, wieviele Tiere tatsächlich nur und explizit wegen ihrer Haut, also wegen des „Leders“ grausam getötet werden. Davon abgesehen sind sämtliche Punkte sehr gut zusammengefasst und das mit der Gerbung hatte ich noch gar nicht auf dem Schirm
    iLike 2
  2. Knorke 5. Oktober 2023 um 21:14 Uhr ·
    Mein einzige Kritik: an einem Diskurs ist NICHTS toxisch. Diskursbewertung als „toxisch“ ist hingegen Gift für jeden Diskurs weil Schere im Kopf
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  3. Marco 5. Oktober 2023 um 21:27 Uhr ·
    Aber. Wenn ich jedes Jahr, unter Umständen bereits nach nem halben Jahr, mit den „veganen“ Alternativen nix mehr anfangen kann, weil abgegriffen, oder kaputt, bringt es doch auch nichts. Ich habe unzählbar viele Echtlederprodukte, vom Rucksack (übrigens vor Ort auf Wunsch gegen einen fairen Lohn in Indien gefertigt, und auch selbst dort geholt) ; bis hin zu diversen Bandwerk Armbändern, Notizbucheinband, Ipad Portfolio, Schuhe… . All diese Produkte sind im Zweifel zu reparieren, bzw haben über die Jahre eine so tolle Patina bekommen, ich will nichts mehr davon missen. Ich musste bisher kein Echtlederprodukt wegschmeissen. Das bezweifle ich, dass ein Veganes Produkt so nachhaltig sein kann.
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    • Flo 6. Oktober 2023 um 10:23 Uhr ·
      Der wichtigste Punkt zuerst: Selbst wenn du jede Woche ein neues veganes Lederprodukt kaufen müsstest: Du würdest damit trotzdem keinerlei Gewalt und Tod verursachen, anders als bei tierischen Leder. Auch die schlimmen Arbeitsverhältnisse (Stichwort Gerben) unterstützt du damit nicht. Zudem ist tierisches Leder derart Umwelt- und Klimaschädlich, dass vegane Alternativen immer noch deutlich besser sind, selbst wenn man sie ab und zu neu kaufen/herstellen muss. Es gibt übrigens durchaus qualitativ sehr hochwertiges Leder, das sehr lange hält. Gerade in den hochpreisigen Automodellen wird heutzutage ja auch überwiegend mit veganen Leder gearbeitet und das hält ja auch. Aber wie anfangs gesagt: Nichts rechtfertigt grausame Gewalt und die hast du nur bei Echtleder
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    • Thom1 9. Oktober 2023 um 00:01 Uhr ·
      Das stimmt doch so nicht. Ich habe immer noch die Silikon- und Stoffloop-Armbänder der ersten Apple Watch. Die kommen regelmäßig in die Waschmaschine und sehen immer noch aus wie neu. Ich hatte bisher nur eine Lederhülle für das iPhone und habe es nach 6 Monaten entsorgt, weil es speckig war. Allerdings habe ich ein Lederarmband für die AW, aber das ist aus Oldtimerleder von Bandwerk, das ist tatsächlich umweltschonend – aber teuer (160 Euro).
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  4. dare100em 6. Oktober 2023 um 08:05 Uhr ·
    Sehr guter Artikel – Danke.
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    • Apple Fan 7. Oktober 2023 um 19:21 Uhr ·
      Jepp!
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  5. vgnmam 6. Oktober 2023 um 14:55 Uhr ·
    Tierquälerei, Lederproduktion gehört schlichtweg abgeschafft. Es gibt immer noch und immer mehr, genügend Alternativen, die NICHT auf Ersölbasis hergestellt werden müssen. Z. B. Ananasleder, Hanfleder, Kork etc. Jedes tierische Leder muss behandelt werden, das ist dann grundsätzlich erstmal toxisch, da es ebenfalls farblich und chemisch behandelt wird. Wie Vorredner bereits erwähnt haben, kommt es bei der Produktion stets zu imensen Wasserverbrauch und soziale Konflikte. Der Umwelt geht es damit sicherlich nicht besser..
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  6. Per 7. Oktober 2023 um 11:10 Uhr ·
    Ich mag Lederprodukte und werde deshalb dieses Jahr eine Lederhülle eines anderen Hersteller holen.
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    • Thom1 8. Oktober 2023 um 23:53 Uhr ·
      Kannst Du (noch) machen, aber Du musst auch verstehen, dass Apple und viele andere Firmen das nicht mehr machen wollen.
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