Lange hat Apple auf sich warten lassen, bis Cupertino gestern vor zwei Jahren endlich die erste Apple Watch verschickte. Die Chance, eine neue Produktkategorie zu begründen, ergriffen zuvor jedoch bereits andere.
Die Nachfrage übertraf alle Erwartungen. Trotz einiger Akkuprobleme und sich lösenden Displays, verkauften sich schon im ersten Jahr mehrerer Millionen Stück. Genaue Zahlen hält Apple bis heute unter Verschluss. Die smarte Uhr zog uns weiter in das digitale Zeitalter und warf ganz neue Fragen auf, wie etwa die, ob man die Uhr auch beim Autofahren benutzen darf.
Inzwischen sind zwei ereignisreiche Jahre vergangen und der große Hype um die Uhr hat sich gelegt. Erste große Anbieter wie Amazon, Ebay oder Google zogen ihre Apps für die Smartwatch zurück und stellen die Erfolgsgeschichte damit in Frage. Damit ist es an der Zeit für einen Rück- und Ausblick.
Die Frage nach dem Sinn und Unsinn
Kaum ein Apple-Produkt fällt so sehr auf wie die Apple Watch. An smarte Telefone haben sich die meisten Menschen inzwischen gewöhnt, doch die smarte Uhr ist noch immer exotisch und wird mit einer gehörigen Portion Skepsis hinterfragt: „Was kann die?“, „Braucht man das?“ und vor allem „Ist das nicht ein bisschen teuer dafür?“, schallt es dem Besitzer häufig entgegen.
„Was kann die Apple Watch?“
Also der Reihe nach: Sie zeigt und misst selbstverständlich die Zeit – und zwar extrem genau. Daneben behält sie aber auch den Pulsschlag des Trägers und seine Bewegungen im Auge, um daraus zum Beispiel den Kalorienverbrauch abzuleiten.
Die Apple Watch bekommt aber auch Nachrichten und Benachrichtigungen des iPhones weitergeleitet, sodass diese schnell und unauffällig abgerufen und im Bedarfsfall direkt beantwortet werden können. Dank Apples Wallet-App wandern digitale Tickets beispielsweise zur richtigen Zeit von der Hosentasche direkt auf das Handgelenk und erleichtern dem Träger den Alltag. Gleiches gilt für das Entsperren des Mac oder (derzeit noch nicht in Deutschland) für das Bezahlen per Apple Pay. Wer ein smartes Zuhause sein eigen nennte, kann sich von der Uhr außerdem die Haustür öffnen oder das Licht einschalten lassen. Darüber hinaus kann sie als Fernsteuerung für den Staubsaug-Roboter fungieren oder die Langeweile des Trägers mit Spielen wie Pokemon Go vertreiben.
„Braucht man eine Apple Watch?“
Ob man das braucht, ist Ansichtssache und hängt stark davon ab, wie man das Wort „brauchen“ definiert. Man überlebt den Tag auch ohne Apple Watch. Apfelpage-Leser Ralf formulierte es vergangenes Jahr wie folgt:
„[Wenn ich] nach angetretener Fahrt zur Arbeit bemerke, dass ich eines der Geräte zu Hause vergessen habe, würde ich für das Handy umkehren – auf die Watch kann ich aber einen Tag lang verzichten.“
Der Nutzen der Uhr liegt nicht in einer einzelnen Funktion, sondern in der Summe aller Kleinigkeiten und dem daraus resultierenden Zugewinn an Bequemlichkeit und Höflichkeit gegenüber den Mitmenschen, die einen Blick auf die Uhr oft eher verzeihen, als einen Blick auf das Smartphone.
„Ist die Apple Watch nicht ein bisschen teuer dafür?“
Die Apple Watch ist für seinen Träger oft ein praktischer Begleiter. Für viele ist sie zugleich aber auch das Eintrittstor in die Apple-Welt: Denn obwohl es theoretisch auch möglich ist, die Uhr ohne iPhone zu betreiben, laufen die Datenverbindung, das Aufspielen von Apps und einige Rechenprozesse weiterhin über das iPhone – und nur über das iPhone. Android-Geräte werden von Apple nicht unterstützt. Um die Eintrittsschwelle in das Apple-Universum möglichst niedrig zu halten, hat Apple den Preis der Uhr bewusst gering angesetzt.
Angesichts der fünfstelligen Summen, die Apple für die limitierte goldene Apple Watch Edition verlangte, mag diese Aussage auf den ersten Blick verwundern, aber nach mehreren Preissenkungen – unter anderem bei der Einführung neuer Modelle – ist die Series 1 bei Apple derzeit bereits ab 319 Euro erhältlich. Das obere Ende bildet derzeit Edition im 42-Millimeter-Gehäuse aus weißer Keramik für 1.499 Euro. Das mag für Träger einer 50 Euro teuren Casio-Uhr noch immer teuer wirken, doch selbst für technisch nicht besonders hochwertige Uhren von Modemarken kann man bereits einige hundert Euro zahlen. Eine Uhr von vergleichbarer Präzision wird man zu diesem Preis anderswo gar nicht erst finden – und sämtliche Smartwatch-Funktionen sowie der integrierte Fitnesstracker sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. In diesem Licht erscheint die Apple Watch nicht zu teuer, sondern zumindest preiswert, wenn nicht sogar günstig.
Mission Gesundheit
Während großer Wert auf Mode- und Designaspekte der Uhr gelegt wurde, könnte die wahre Bedeutung der Uhr viel tiefer liegen: Als Mitgründer und Firmenchef Steve Jobs 2004 an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte, bemerkte er, dass das Gesundheitssystem technisch komplett überholt werden muss. Insbesondere die Verbindung zwischen Patienten, ihren Daten und Gesundheitsdienstleistern war im zerrissenen Gesundheitssystem verbesserungsbedürftig.
2011 starb Jobs schließlich im Alter von 56 Jahren. Seine Erfahrungen hatten großen Einfluss auf auf Apples Top-Management: Die meisten Aktivitäten Apples im Gesundheitsbereich befassen sich heute mit der Aufzeichnung von Gesundheitsdaten und der sicheren Übertragung dieser Daten an Gesundheitsdienstleister.
Beispielsweise lassen sich mit HealthKit Gesundheits- und Fitnessdaten zentral sammeln, das ResearchKit ermöglicht Forschern in bisher unbekanntem Maß Daten von Studienteilnehmern zu sammeln und auszuwerten und das CareKit hilft Nutzern, ihre Krankheiten zu verstehen und zu kontrollieren. Weitere Projekte sollen beispielsweise die Zusammenarbeit von Arzt und Patient und damit die Behandlungsergebnisse verbessern.
Tim Bajarin, einer der führenden Industrieberater und Analysten, glaubt, Apple sei auf einer Mission, die Gesundheit seiner Kunden und das Gesundheitssystem an sich zu verbessern – eine Aufgabe, die Jobs seinen Mitarbeitern vor seinem Tod gegeben habe. Die Apple Watch sei Teil ihrer Antwort. Sie überwacht gesundheitsrelevante Daten und zeichnet diese auf, wie es kein Standard-Fitnesstracker könne. Ob Jobs bereits von der Uhr wusste, die erst dreieinhalb Jahre nach seinem Tod herauskam, ist nicht bekannt. Doch Bajarin glaubt, Steve wäre von ihr begeistert. Erste Krankenkassen sind es jedenfalls und bezuschussen die Uhr sogar mit bis zu 250 Euro, obwohl die Wirkung der Uhr als Präventionsmaßnahme bislang nicht durch Studien belegt wurde. Scheinbar haben die Eigenwerbung für die Apple Watch als „Partner für ein gesundes Leben“ und die Kooperation mit Nike die gewünschte Wirkung auf die Wahrnehmung der Verbraucher erzielt.
Apple Watch Series 1 & 2
Für die Weiterentwicklung der Smartwatch sowie des watchOS setzte Apple auf das Feedback der ersten Kunden. Cupertino hat Stück für Stück gelernt, was gut funktioniert und was eher nicht. Im ersten halben Jahr der Apple-Watch-Geschichte liefen die Apps noch direkt auf dem iPhone. Ein Umstand, der die Akkulaufzeit beider Geräte negativ beeinflusste und den Apple zügig behob. Auch die fehlende Aktivierungssperre der Uhr wurde schnell nachgereicht, um sie für Diebe unattraktiver zu machen und die Funktionsweise der Bedienelemente mit einer weiteren watchOS-Version überarbeitet und zuletzt den Theater-Modus mit einer erweiterten Nicht-Stören-Funktion eingeführt.
Der aktuellen Apple Watch Series 2 spendierte Apple zur Präsentation im Herbst 2016 ein eigenes GPS-Modul, durch das die Uhr noch unabhängiger vom iPhone wurde. Das dürfte Sportler ebenso sehr freuen, wie die wasserdichte Bauweise, dank der die Uhr nun auch zum Schwimmtraining taugt. Neben der Akkulaufzeit hat Apple zudem die Performance der Uhr erhöht, sodass diese nun deutlich flinker reagiert und für künftige Herausforderungen gerüstet ist.
Zeitgleich wurde die ursprüngliche Apple Watch durch die nicht wasserfeste, aber ebenfalls schnellere Apple Watch Series 1 ersetzt und der Preis zur Freude aller Kunden reduziert. Das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen wider: Zwar blieben die genauen Verkaufszahlen weiterhin unter Verschluss, aber Apples CEO Tim Cook sprach für das vierte Quartal 2016 von einem neuen Verkaufsrekord.
Ausblick: Apple Watch Series 3
Die Apple Watch 3 wird für den September dieses Jahres erwartet. Sie wird sich optisch vermutlich kaum von den aktuellen Modellen unterscheiden und sich vor allem durch bessere Performance und eine längere Akkulaufzeit abheben. Aber auch eine fest eingebaute SIM-Karte für den eigenständigen Betrieb, sowie die Integration einer Facetime-Kamera und erneut verbesserte Akkulaufzeiten dank eines Micro-LED-Displays sind im Gespräch. Wie das aussehen könnte, hat der Zubehörmarkt bereits mit dem Kamera-Armband CMRA gezeigt, welches Videotelefonie oder Schnappschüsse direkt vom Handgelenk aus ermöglicht.
Daneben hält die Uhr noch eine ganze Reihe weiterer Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft bereit. Bei dem Sensor auf der Unterseite der Uhr handelt es sich beispielsweise insgeheim um einen kombinierten Puls-Oxy-Sensor, der neben dem Herzschlag auch den Sauerstoffgehalt im Blut messen könnte. Die Messung des Sauerstoffgehalts ist jedoch noch deaktiviert und wurde von Apple bisher auch noch nicht beworben. Sie könnte mit einem späteren Update aktiviert werden und dann vor allem bei der Überwachung von Patienten helfen und eventuell sogar automatisch Alarm schlagen, wenn die Werte zu stark sinken.
Apple arbeitet aber auch an der Entwicklung weiterer Sensoren, die beispielsweise in der Lage sind, den Blutzuckerwert kontinuierlich zu überwachen, ohne dabei die Haut zu verletzen. Nicht nur für Diabetiker – auch technisch – wäre es eine Sensation! Als Zubehör wurde außerdem bereits ein EKG-Armband vorgestellt.
Außerdem warten wir hierzulande noch immer auf die Verfügbarkeit von Apple Pay, die den Alltag zum Beispiel im Nahverkehrsbereich deutlich erleichtern könnte.
Bis 2020 könnte die Uhr dann bereits so wichtig werden, wie das iPhone, prophezeite der für Apple tätige Designer, Marc Newson, bereits im Geburtsjahr der Apple Watch. Und auch wir sprechen der Uhr ein enormes Potential zu, wenngleich wir den zeitlichen Horizont etwas weiter fassen würden.
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