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Kommentar: Die übersehene Zeitenwende

EU Flagge

Seit Freitag gilt er also, der Digital Services Act. Er soll für mehr Rechte und Transparenz im digitalen Raum sorgen. Apple hat zuvor fleißig Stimmung gegen den DSA gemacht, verhindern konnte der iPhone-Konzern ihn nicht – zum Glück.

Wenn die EU eine neue Verordnung verkündet, sind Bürger stets zuverlässig mit den immer gleichen Schnappreflexen bei der Hand, um gegen die Überregulierung aus Brüssel zu schimpfen, die dem Mann auf der Straße wahlweise den letzten Euro, die Freiheit oder gleich das letzte Hemd entreißen möchte. Dass Privilegien wie Visa- und Reisefreiheit, ein einheitlicher und stabiler Währungsraum, freie Wahl des Wohn- und Arbeitsortes und einheitliche Qualitätsstandards für Güter des täglichen Bedarfs für 400 Millionen Menschen alles Dinge sind, die nur durch eine überstaatliche Harmonisierung auf europäischer Ebene möglich wurden, daran denken sie in diesem Moment sicher nicht.

Warum auch? All diese Dinge sind für die meisten Europäer schon lange Selbstverständlichkeiten, über die man nicht nachdenken muss. – Dinge übrigens auch, zu denen unser EU-Roaming gehört – und nur noch wenige werden sich wohl heute daran erinnern, wie es vor 20 Jahren war, wenn man vom Strand in Spanien nach Hause telefonieren wollte. Ebenso wenig dürften junge Europäer von heute noch den Wechselkurs der Italienischen Lira im Kopf haben und wissen, wie viel sie für einen Kleinen Mittags Snack einstecken müssen.

Dringend nötige Regeln

Nun also hat die EU ein weiteres Kapitel supranationaler Gesetzgebung aufgeschlagen. Der Digital Services Act löst damit für die besonders großen Fische im Teich 27 nationale Einzellösungen ab – Einzellösungen übrigens, die oft deutlich schlechter waren als das, was nun als gesamteuropäischer Kompromiss gefunden wurde, schauen wir nur auf unser deutsches Netzwerkdurchsetzungsgesetz, ein fragwürdiges Machwerk, das seit seiner Verabschiedung für unzählige scharfe Kontroversen gesorgt hat und als wenig zielführend und in Teilen völlig kontraproduktiv gilt.
Und Tatsache ist, dass es ein Gegengewicht zur quasi unbeschränkten Potenz und Eingriffstiefe riesiger Digitalkonzerne braucht. Diese werden nicht in erster Linie vom Wohl ihrer Kunden geleitet, die gleichbedeutend mit ihrem unternehmerischen Kapital sind.

Es ist wichtig, dass der EU-Bürger mit dem DSA eine handfeste rechtliche Grundlage erhält, auch gegen die sogenannten dunklen Muster etwa beim Online-Shopping, also Tricks und Kniffen, mit denen beispielsweise eine besondere Dringlichkeit suggeriert wird oder die Kündigungen unnötig schwer machen.

Große Konzerne sollen und müssen transparent machen, wie ihr Geschäftsmodell funktioniert und welche Rolle die Kunden und ihre Daten darin spielen, der Digital Services Act stellt dies auf bislang unerreichte Weise sicher. Er hat die Verächtlichkeit vieler Verbraucher, die über die Einzelheiten womöglich kaum im Bilde sind, nicht verdient, diese werden aber trotzdem von ihm profitieren.

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Roman van Genabith
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5 Kommentare zu dem Artikel "Kommentar: Die übersehene Zeitenwende"

  1. Thorsten 27. August 2023 um 14:11 Uhr ·
    Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit vor 20 Jahren erinnern. Hat alles Vor- und Nachteile; nur verdrängen viele oder wissen nicht mehr, wie der Euroraum vieles zu unserem Vorteil verändert hat .
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  2. Mike 28. August 2023 um 12:42 Uhr ·
    Bravo! Sehr gut geschrieben und endlich mal klare Kante zu den unverzichtbareren Vorteilen der EU.
    iLike 1
  3. Fandango 29. August 2023 um 14:49 Uhr ·
    Wer hat bloss dieses Loblied auf die EU verfasst ? Tatsache ist, dass die EU mit dem Digital Services Act (was für ein wohlklingender Name) Messenger-Dienste wie Telegram, auf dem sich u.a. auch kritische Beiträge ausserhalb des Mainstream finden lassen, durch den Betreiber zukünftig abmahnen lassen kann. Es gibt noch eine Art Schonfrist bis zum Frühling 2024. Danach können Beiträge auf Kanälen und Gruppen, die sich beispielsweise als ZU regierierungskritisch herausstellen entfernt werden. Ich spreche von Zensur. Sowas hatten wir schon einmal in unserer Geschichte.
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    • rutger 29. August 2023 um 19:34 Uhr ·
      Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich. Und schon gar kein guter. Du kannst jede Form von Kritik äußern, selbst wenn sie hirnverbrannter, gefährlicher Unsinn ist. Nur in seltenen Fällen wird mal gegen Hetze, Hass und Verstöße gegen Menschenrechte u. Ä. vorgegangen. Und das hat nun wirklich gar nichts mit Zensur zu tun.
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  4. Fabio B. 29. August 2023 um 17:53 Uhr ·
    Finde ich gut geschrieben. Die EU hat und bringt uns immer noch so viel. Auch in Deutschland 👍🏼
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