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Wie die Emanzipation der Zuschauer das Fernsehen verändert

Drei Stunden und 45 Minuten – so lange sah der durchschnittliche Deutsche im Jahr 2011 täglich fern. Wieder zwei Minuten mehr als im Vorjahr. Doch seither lassen tiefgreifende strukturelle Veränderungen die Wachstumsrate stagnieren. „Das aktuelle Rundfunkmodell ist tot“, erklärte Microsoft-Chef Bill Gates bereits vor über einem Jahrzehnt. Und er sollte Recht behalten.

Sehen oder nicht sehen

Als man 1935 begann, in Deutschland ein regelmäßiges Fernsehprogramm auszustrahlen, war das Fernsehen noch ein geselliger Akt: In der Anfangszeit des neuen Mediums besaß fast niemand einen eigenen Fernseher. Man traf sich daher in öffentlichen Fernsehstuben, um das Programm verfolgen. Streit um die Fernbedienung gab es nicht, denn zum einen wurde diese erst ein Viertel Jahrhundert später erfunden und zum anderen gab es anfangs nur einen einzigen Sender, der fest im Gerät gespeichert war. Sehen oder nicht sehen war die Devise.

Qualität und Quantität

Im Laufe der Zeit nahm die Bildqualität zu: In den 1950er Jahren wurde das Farbfernsehen entwickelt und fand seinen Weg Ende der 60er über den Atlantik zu uns und in unsere Wohnzimmer. In den 60ern wurden auch die ersten Fernsehsatelliten ins All geschossen und beschleunigten die Zunahme der Sender- und Programmvielfalt. Doch zeitgleich laufende Sendungen auf unterschiedlichen Sendern standen in Konkurrenz zu einander und beeinflussten gegenseitig ihren jeweiligen Erfolg. Andererseits wurde der Erfolg weiterer Sendungen auf demselben Kanal durch treue Zuschauer erhöht. Da alle Zuschauer das Programm zeitgleich schauten, wurde ihnen das Gefühl vermittelt, an der öffentlichen Kommunikation teilzunehmen.
Mit (programmierbaren) Video-Recordern wurde die Abhängigkeit von der Sendezeit etwas gemindert, sodass man nicht mehr pünktlich zum Programmstart vor dem Fernsehgerät sitzen musst. Mit einigen Modellen war es auch möglich, ein Programm auszunehmen, während man ein anderes sah, doch obwohl die nötige Technik später weit verbreitet war, wurde sie nur von jedem zweiten genutzt – 32 Prozent davon nutzen die Technik höchstens ein Mal im Monat. Denn um eine Sendung aufzunehmen, musste man vorher wissen, dass und wann sie ausgestrahlt werden würde und die Technik entsprechend vorbereiten. Ein Aufwand, den viele Nutzer scheuen.

Wiedergeburt Konvergenz: Internet und TV wachsen zusammen

Doch das Fernsehen stirbt nicht etwa: Es entwickelt sich weiter. Die Zuschauer wollen sich kein starres Fernsehprogramm vorgeben lassen. Sie haben sich von den Sendern emanzipiert und die lineare Übertragung, bei der ein Programm auf ein anderes folgt, in den letzten Jahren zunehmend durch nicht-lineare, digitale Formate ersetzt. Serien und Nachrichten werden immer häufiger on demand – also auf Abruf – aus dem Netz gestreamt und mit vielfältigen, teils interaktiven Inhalten (Umfragen, Kommentare) ergänzt. Selbst die öffentlich-rechtlichen Anstalten folgen mit ihren Mediatheken bereits dieser Entwicklung.

Was stirbt ist das Programm: Bereits jetzt verteilt sich die homogenere Hälfte der Einschaltquote in den USA auf weit über 200 verschiedene Nischen-Kanäle. Diese Entwicklung wird in Zukunft vom Geschmack des einzelnen Zuschauers verstärkt, der sich die Inhalte nach seinen individuellen Interessen zusammensucht. Immer mehr Video-On-Demand-Anbieter (VOD) bieten den Zuschauern schon jetzt ein zeitunabhängiges Fernseherlebnis in hoher Bildqualität – egal, ob auf dem Fernseher oder unterwegs, auf dem Laptop, Tablet oder Smartphone. Viele Nutzer verzichten daher inzwischen sogar gänzlich auf ein Fernsehgerät.

Amazon Video Direct (AVD)

Tod der Werbeunterbrechung!

Werbung wird meist nicht als Angebot mit Mehrwert empfunden, sondern als lästiges Übel ertragen und je nach Medium weggezappt, überblättert oder weggeklickt. So geben 66 Prozent aller Besitzer eines TV-Festplattenrekorders als Vorteil an, dass sie damit die Werbeblöcke überspringen können. Komfortable Funktion: Wird ein Gegenstand aus dem Programm zum Objekt der Begierde, könnte er in Zukunft vielleicht mittels „embedded advertising“ per Knopfdruck bestellt werden und so z.B. VOD-Angebote unaufdringlich mitfinanzieren.

Der Trend zu kostenpflichtigen VOD-Diensten könnte die Fernsehzukunft aber auch gänzlich von Werbeunterbrechungen befreien. Bezahl-Fernsehen ist in anderen Ländern wie den USA bereits gang und gäbe. Besonders beliebt sind dabei Streaming-Flatrates, die auch im Musik-Bereich bereits stark verbreitet sind.

Beiden Branchen teilen sich auch dasselbe Problem: In ihrem Streben nach Exklusivität könnten Sie Nutzer in die Illegalität treiben. Obwohl alle namenhaften Plattformen Millionen von Künstlern und Songs im Angebot haben, ärgern einige Labels die Kunden mit Exklusiv-Verträgen. Wer wirklich alle Künstler hören will, muss sich bei mehreren Diensten anmelden und entsprechend doppelt und dreifach zahlen, obwohl sich nur ein Bruchteil der Inhalte unterscheidet. Im Fall von VOD-Dienstleistern geht es dabei eher um exklusive Eigenproduktionen, die außerhalb der Streaming-Flatrate gegebenenfalls gar nicht verfügbar sind.

Apple TV

the future of tv is apps

Nachdem Apples Versuch, einen eigenen Apple Video-Dienst aufzubauen – zumindest vorerst – an den Verhandlungen mit Lizenzgebern gescheitert zu sein scheint, setzt das Unternehmen auf die Vereinigung des VOD-Marktes. Bei der Präsentation des Apple TV der 4. Generation, Ende des vergangenen Jahres, verkündete das Unternehmen: „Die Zukunft des Fernsehens sind Apps“. Zu diesem Zeitpunkt liefen 80 Apps auf dem neuen System. Ein Dreivierteljahr später, zur Entwicklerkonferenz 2016, zählte man bereits 6.000 Anwendungen – darunter allein 1.300 Video-Apps.

1300 video apps on tvOS

Die Qual der Wahl

Auf der WWDC wurde ebenfalls ein neues tvOS vorgestellt, welches es dank einer app-übergreifenden Suche ermöglicht, den Überblick über alle Dienste zu behalten. Wer einen Titel sehen will, muss nicht erst die richtige App (wie z.B. YouTube) suchen, sondern kann den Film direkt per Sprachbefehl an Siri (Light Tune-In) starten. Um die Anmeldungen bei unzähligen Diensten, die unter Umständen nach einem Software-Update oder Stromausfall wiederholt werden müssen, zu vereinfachen, hat man in den USA mit Single-Sign-On (SSO) zudem einen Angebotsübergreifenden Login-Dienst geschaffen, bei dem man sich nur ein einziges Mal anmelden muss.

single sign-on

Anbieter, die beides nicht nutzen, und somit auf wichtige Komfortfunktionen verzichten, könnten vom Nutzer in Zukunft verschmäht werden. Apple gewinnt auf diesem Weg einen besseren Einblick in das Nutzungsverhalten der Kunden und höheren Einfluss auf die Branche. Zusammen mit den Assistant-Living-Funktionen von HomeKit wird der Apple TV in Zukunft zunehmend zur wichtigen Heim-Zentrale. Ob das reicht, um später einen eigenen Dienst zu starten, bleibt abzuwarten, doch eines ist sicher: Das Fernsehen stirbt nicht – es verändert sich und wird dank neuen, integrierten Funktionen immer wichtiger. Das sollten wir im Blick behalten.

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Marcel Gust
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11 Kommentare zu dem Artikel "Wie die Emanzipation der Zuschauer das Fernsehen verändert"

  1. Flo 9. August 2016 um 13:24 Uhr ·
    Warum so kompliziert? Einfach eine „Pokémon Go“-Sendung ausstrahlen und schon ist die (TV-)Welt wieder gerettet *wegduck*
    iLike 2
    • Lukas K. 9. August 2016 um 14:01 Uhr ·
      Ich schaue garkeins mehr?
      iLike 7
  2. Kaiser Barbarossa 9. August 2016 um 13:26 Uhr ·
    Ein reiner Apple Fernseher wäre mir lieber!
    iLike 1
    • rudluc 10. August 2016 um 20:41 Uhr ·
      Was soll der bringen? Es wird für so eine kleine Streamingbox doch nur ein Display gebraucht.
      iLike 0
      • Olli 15. August 2016 um 14:49 Uhr ·
        Zu allererst bringt er eine freie Steckdose. Jeden Verbraucher den man abstellen kann ohne an Komfort zu verlieren, ist doch gut. Also her mit einem TV mit integriertem AppleTV.
        iLike 0
  3. Smart_ies 9. August 2016 um 13:29 Uhr ·
    Das Fernsehen stirbt nicht wegen des Internets, sondern wegen des grottenschlechten Programmangebots! Die Nachmittagsserien, peinlich, und abends ein paar Krimis langweilige Quizzshows und der überwiegende Rest US Serien und Filme. Somit wird uns immer wieder vor Augen geführt, wer über uns herrscht! Und so auch die Nachrichten: „Wir unterbrechen die Nachrichten, weil wir noch auf die Genehmigung aus den USA warten!“ Ironie aus…! Die öR Sender haben sich überholt! Lieber bezahlen für etwas, was man sich selbst aussucht!
    iLike 15
    • Didius 9. August 2016 um 13:48 Uhr ·
      Als erstes mal nen Aluhut bestellen oder vielleicht doch eher mal das Bookmark von Kopp Verlag Seiten aus dem Browser löschen…
      iLike 6
      • Bunt 9. August 2016 um 14:22 Uhr ·
        Dumpfbacken-Aluhut-Kommentare nerven. Könnt ihr nur noch Aluhut und Mimimi? Habt ihr wirklich euer Gehirn so verschissen?
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      • Didius 9. August 2016 um 19:17 Uhr ·
        Deine Erregung geht in due falsche Richtung. Der grosse Unsinn steht in dem Beitrag, den ich kommentiert habe und wer solchen Schwachsinn verbreitet „auf die Genehmigung aus den USA warten“m der kann noch froh sein, dass er nur so nen Aluhut Kommentar kassiert. Insofern können sich die Claquere deines Beitrages auch mal fragen, ob sie auch diesen himmelschreienden Schwachsinn gut finden, der mittlerweile allerorten in sozialen Medien und Firen abgesondert wird. Die AfD und das ganze andere Oack freut sich natprlich über diesen geistigen Dünnpfiff!
        iLike 4
  4. Apple-Wächter 9. August 2016 um 14:59 Uhr ·
    Fast vier Stunden am Tag ?! Hat man nichts besseres zu tun?
    iLike 5
  5. Energy 9. August 2016 um 17:52 Uhr ·
    Super Artikel! Danke dafür!
    iLike 3

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