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Wie die Musikindustrie beim Streaming alte Fehler wiederholt

Mit seinem attraktiven Angebot Millionen kostenfreier Songs öffnete die Online-Musiktauschbörse Napster 1999 die Büchse der Pandora: Schnell wurde sie zur am schnellsten wachsenden Community des Internets und zwang die Musikindustrie – gedanklich noch ganz im Zeitalter physischer Tonträger gefangen –, sich den digitalen Vertriebskanälen zu öffnen. Nach nur zwei Jahren musste sich der Dienst den rechtlichen Konsequenzen geschlagen geben, jedoch zu spät: Alternative Plattformen schossen bereits wie Unkraut aus dem Boden und erfreuten sich ebenfalls großer Beliebtheit.

Napster

Seither versucht die Musikindustrie mühsam, ihren Kunden kostenpflichtige Angebote wieder schmackhaft zu machen. In letzter Zeit ist dabei ein deutlicher Trend zum Streaming zu verzeichnen. Auch Napster hat sich über die Jahre neu ausgerichtet und ist zu einem völlig legalen Streaminganbieter geworden.

Also alles wieder gut?

Leider nicht: Illegales Filesharing urheberrechtlich geschützter Inhalte erfreut sich noch immer großer Beliebtheit und die Musikindustrie treibt die Zahl illegaler Downloads mit dem Wiederholen alter Fehler in die Höhe.

„Napster hätte das werden sollen, was Spotify heute ist”, erklärte Napster-Mitgründer und Spotify-Investor Sean Parker vor einigen Jahren, als sich die Musikindustrie gerade den neuen Distributionswegen öffnete. Doch Künstler sind mit der Vergütung der Streaming-Anbieter häufig unzufrieden: So gehen 70 Prozent der Einnahmen laut Spotify an die großen Labels, doch bei den Künstlern kämen nur 15-20 Prozent an.

Tailor Swift

Viele Popstars reagierten darauf, indem sie ihre Werke von der Plattform nahmen. Als eine der Wichtigsten ist Taylor Swift zu nennen. In einem offenen Brief prangerte diese im vergangenen Jahr die gängige Praxis der Anbieter an, die Künstler während der kostenlosen Probephase nicht zu bezahlen. Apple Music reagierte prompt und änderte die Bedingungen – seither macht die Sängerin sogar Werbung für die Musik-Plattform und stellt ihren Konzertfilm The 1989 World Tour exklusiv auf Apple Music zur Verfügung.

Kampf um Exklusiv-Titel

Larry Jackson

Überhaupt ist Apple gut darin, sich kontinuierlich exklusive Inhalte wie Drakes jüngstes Album Views oder Musikvideos von The Weeknd und Eminem zu sichern. Apple Musics Verantwortlicher für originelle Inhalte, Larry Jackson, sagte gegenüber dem Rolling-Stone Magazin, das Ziel der Exklusivinhalte sei, den Service „zu einer relevanten Schnittstelle der Pop-Kultur zu entwickeln.“ wie „MTV zu seiner Blütezeit in den 80er und 90er Jahren: Man hatte immer das Gefühl, Michael Jackson oder Britney Spears lebten dort – wie entfacht man dieses Gefühl in den Menschen?“

Drake

Apple beschränkt sich daher nicht auf exklusive Streaming-Rechte, sondern bietet den Künstlern beispielsweise auch eine Plattform, Musikvideos wie Drakes Hotline Bling oder zwei Videos zu The Weekends Album Cant Feel My Face zu finanzieren, von denen eines exklusiv auf Apple Music zu sehen ist.
Die Künstler sollen das Gefühl bekommen, mit Apple zusammen interessante neue Wege gehen zu können. Einer dieser Wege liegt in der Unterstützung durch den Apple-Vorstand: Swift sagt, Jackson habe ihr beim Brainstorming, Planen und Bearbeiten ihres Konzertvideos geholfen und Jackson betont, auch Tim Cook habe sich persönlich mit eingebracht. Die Zusammenarbeit mündete letztendlich in einem Werbespot für Apple Music, in dem Swift zu Drakes und Futures Song Jumpman rappt.

Wer keine Diskografien verpassen will, muss alle Abos der drei großen Streaming-Konkurrenten Spotify, Apple Music und Tidal abonnieren – Kostenpunkt: zusammen rund 360 Euro im Jahr. Hinzu kommen noch hochpreisige Titel, die auf unabsehbare Zeit nicht als Stream verfügbar sind. So nähern sich nicht nur die Preise wieder denen der CD-Ära an, sondern auch die kundenunfreundlichen Praktiken.

Jay Z übernahm währenddessen das schwedische Startup Tidal, mit dem er die Künstler fair behandeln und besser bezahlen wollte. Doch erst kürzlich stand der Rapper und Musik-Produzent selbst in der Kritik, seinen Auszahlungsverpflichtungen nicht nachzukommen.

Kanye West

Der erklärte Tidal-Unterstützer Kanye West bekam hingegen ganz andere Probleme mit seinem exklusiven Engagement: Nachdem dieser ankündigte, sein neues Album The Life of Pablo werde wirklich niemals wo anders erhältlich sein, schossen zwar die Download-Zahlen der Tidal-App in Apples App Store in die Höhe, doch viele Nutzer hatten Schwierigkeiten mit dem Bezahlen innerhalb der App und bedienten sich anschließend (oder direkt) illegaler Quellen. So sollen schätzungsweise eine halbe Million Menschen bereits am ersten Tag eine illegale Kopie über das BitTorrent-Netzwerk heruntergeladen haben. Nachdem sich West einige Wochen später entschloss, dass Album ebenfalls bei anderen Streaming-Diensten anzubieten, wurde er von einem Fan sogar verklagt, weil er diesen mit seiner falschen Behauptung, das Album niemals anderweitig anzubieten, zum Abschluss eines Tidal-Abos verführt habe.

Beyonce
Auch Beyoncés Album Lemonade wurde als Tidal-Exklusiv-Angebot beworben und war schon eine Woche später für stolze 17,99 Euro ebenfalls bei iTunes erhältlich.

Während sich große Künstler solche Preise erlauben können oder sich durch Sponsoren oder Werbedeals finanzieren können, leiden vor allem kleine alternative Künstler unter der Situation. Ricky Channing, ein Rapper aus San Francisco, beklagte beispielsweise, für mehrere hunderttausend Wiedergaben von Spotify nur 66 Dollar erhalten zu haben und fordert seine Follower auf, die Titel direkt an der Quelle zu kaufen oder Konzerte zu besuchen, um ihre Lieblingsmusiker zu unterstützen.

Prince

Der Musiker Prince war 1998 der erste etablierte Künstler der Musikbranche, der ein Album exklusiv über das Internet anbot. 2001 schuf er sogar eine eigene Plattform, auf der seine Fans die Musik schon einen Monat vor der offiziellen Veröffentlichung herunterladen konnten und in den Genuss vieler weiterer Vorteile kamen. Doch 2010 verkündete er „The Internet is over“ – kurz vor seinem Tod konkretisierte er seine Aussage:

Was ich meinte ist, dass das Internet für alle, die bezahlt werden wollen, vorbei ist. Und damit lag ich richtig. Nenn’ mir einen Künstler, der mit digitalen Verkäufen reich geworden ist. Aber Apple geht es doch gut, oder?

Jonathan Prince (Spotify)

Und auch Jonathan Prince, Kommunikationsverantwortlicher bei Spotify glaubt inzwischen langwierige Exklusivverträge sind schlecht für die Künstler und schlecht für die Fans,“ denn „Künstler wollen möglichst viele Fans erreichen Und die Fans wollen die Musik hören, die sie begeistert – Exklusivverträge Stehen beidem im Weg.“

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Marcel Gust
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18 Kommentare zu dem Artikel "Wie die Musikindustrie beim Streaming alte Fehler wiederholt"

  1. Sasa M 29. Juni 2016 um 14:54 Uhr ·
    Off topic: Kommt noch heute eine neue beta von ios 10 was maint ihr ?
    iLike 4
  2. Heinz 29. Juni 2016 um 15:16 Uhr ·
    Exklusives Zeuch ist Mist. Deswegen schließe ich kein Abo ab. Dann gibt es das eben nicht für mich. Andere werden es raubkopieren. So läuft das Spiel. Bilden die sich ein nur weil es etwas exklusiv nur auf Ihrer Plattform gibt, animiert man das gleich? Das kostet sie nur viel Geld, verbranntes Geld.
    iLike 16
  3. dan 29. Juni 2016 um 15:26 Uhr ·
    Künstler-Exklusivbindungen ist ein sehr effektiver Weg, illegale Downloads wieder attraktiv zu machen. ja, die Musikindustrie lernt einfach nicht dazu.
    iLike 12
  4. Michi 29. Juni 2016 um 15:31 Uhr ·
    Mich würde interessieren, wie Music seine Künstler (auch die kleinen) entlohnt. – Da Spotify nur geringe Anteile an sich selbst hat und quasi den Plattenfirmen „gehört“ bekommen diese je nach Größe ihren Anteil der Einnahmen und teilen die dann mit den eigenen Verträgen unter den Künstlern auf. Music „gehört sich selbst“ – wird nicht von Plattenfirmen getragen, wie laufen da dann die Verträge? Theoretisch könnten sie „gerechter“ sein, also nach Klicks und nicht nach Größe der Plattenfirma. Würde mich mal interessieren ? Sorry für etwaige wirtschaftliche Unwahrheiten und Fehlbegriffe…
    iLike 2
    • Mirko 30. Juni 2016 um 08:52 Uhr ·
      „…Da Spotify nur geringe Anteile an sich selbst hat und quasi den Plattenfirmen „gehört“…“ wisst ich garnicht o_O Bist da sicher???
      iLike 0
    • dan 30. Juni 2016 um 09:58 Uhr ·
      fakt ist, dass Spotify 70% der Umsätze direkt an die Plattenfirmen weiter leitet. Die Labels kümmern sich um die Weiterleitung an die Künstler gemäß der Künstlerverträge. Ein großer Teil wird aber auch von den großen Plattenfirmen einbehalten da sie Millionenvorschüsse bekommen.Davon sehen die Künstler in der Regel nichts. Spotify kann da nichts machen
      iLike 0
  5. Grundgütiger 29. Juni 2016 um 15:55 Uhr ·
    Komischerweise ist Musik immer dann am teuersten, wenn sie von den großen Lanels angeboten wird. Streamingdienste nutze ich nicht, ich will nicht immer Musik hören und auch alles schön auf der Festplatte haben und das auch noch im FLAC-Format. Wenn mich ein Album interessiert, schau ich immer erst, ob die Künstlerin oder der Künstler direkt verkauft und erst danach bei anderen Anbietern. Leider gibt’s nicht so viele FLAC-Musikangebote, so dass ich mir manches Album eben nicht kaufe. Bandcamp ist ’ne prima Sache, da habe ich schon die ein oder andere Musik gefunden, die mir gefällt. Manche Musikerinnen und Musiker vertreiben da noch selbst ihre Aufnahmen und man kommt in Kontakt mit denen.
    iLike 2
    • Grundgütiger 29. Juni 2016 um 15:56 Uhr ·
      *Labels
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    • AppleJuenger 29. Juni 2016 um 21:59 Uhr ·
      Wie passt eigentlich FLAC in eine Apple Umgebung? Oder konvertierst Du die Musik notfalls ins Apple Lossless Format?
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      • oemmes 30. Juni 2016 um 10:06 Uhr ·
        Ja, da sprichst Du einen traurigen Schwachpunkt des sonst so komfortablen Apple-Gefängnisses an.
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  6. Gott 29. Juni 2016 um 17:00 Uhr ·
    Wie wäre es wenn sich die Künstler bei ihren Labels beschweren, die weit mehr einstreichen als Apple?
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  7. ThomasF 29. Juni 2016 um 19:12 Uhr ·
    Hatte mal das 3 monatige probeabo bei spotify gemacht. Ist zwar ganz nett, aber mit der App unübersichtlich. In den angebotenen Playlists immer der gleiche Müll. Ich werde das wieder kündigen und weiter auf SoundCloud und Internetradio zugreifen. Das kostet nichts und reicht mir aus.
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  8. Thomas 29. Juni 2016 um 20:27 Uhr ·
    Im Serienmarkt ist die gleiche Fragmentierung zu beobachten. Am besten fahre ich mit Netflix, Amazon und einem One-Click-Hoster meiner Wahl, um das gesamte Spektrum abzudecken.
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    • AppleJuenger 29. Juni 2016 um 22:02 Uhr ·
      Bei Serien läuft mMn sowieso gewaltig was schief, oder warum kostet eine DVD Box mit etwas, was man unentgeltlich im TV sieht so viel wie 3 Filme.
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      • oemmes 30. Juni 2016 um 10:08 Uhr ·
        Weil es Leute gibt, die bereit sind soviel dafür zu bezahlen.
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      • Dirk 2. Juli 2016 um 08:01 Uhr ·
        Unentgeltlich siehst du gar nichts! Du zahlst für jede Serie die du im TV schaust! Angefangen bei GEZ, über Werbung schauen oder ohne Werbung durch gebuchte TV Pakete bei Unitymedia usw.!
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  9. Jakub 30. Juni 2016 um 09:11 Uhr ·
    Ist die iOS 10 Beta schon da?;)
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  10. Dirk 2. Juli 2016 um 07:57 Uhr ·
    Ich finde Streaming für den alltäglichen Gebrauch perfekt! Jeden Tag im Gym mal eine andere Offline Playlist. Kein großes Suchen mehr. Nicht erst ein Album kaufen, Playlist erstellen und nach zwei Wochen kann man es sich nicht mehr anhören. Jetzt hat man immer die aktuellste Musik wann und wo man will! Und Apple hat den Vorteil der Mediathek! Sollte es mal was exklusiv woanders geben, „organisiert“ man es sich und lädt es in die Mediathek hoch – fertig! Schon hat man auch diese Inhalte in der Apple Music App zur Verfügung und es integriert sich nahtlos! Und mal ehrlich – ich zahle 15€ im Monat. Dafür kann ich hören was ich will, meine Frau kann hören was sie will, meine Mutter kann hören was sie will und sogar meine Kinder können hören was sie wollen! Das sind 2,50€ im Monat pro Person! Musik zu konsumieren war nie so einfach und günstig wie heute! Aber komisch das immer alle was zu meckern haben! Das nervt wirklich extrem!!!
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