Spätestens ab 15. Juni gilt für Reisende im EU-Ausland die Devise „Roam like home“. Zu diesem Datum wird endlich die seit 2015 beschlossene Abschaffung der Roaming-Gebühren für die Nutzung von Mobilfunkdiensten im EU-Ausland umgesetzt.
Aus Sorge, deutsche Kunden könnten sich günstigere Karten im Ausland besorgen, die sie (fast) nur im Inland benutzen würden, forderten die Mobilfunker sogenannte Fair-Use-Regelungen, die Höchstgrenzen der Auslandsnutzung festlegen. Der Grund: Nutzt ein Kunde das Netz eines ausländischen Unternehmens, muss sein Anbieter dafür an das ausländische Unternehmen eine Gebühr zahlen. Diese wurden früher in Form von Roaming-Gebühren an den Kunden weitergegeben, doch das ist nun untersagt.
Weiter erlaubte Roaming-Gebühren
Ein erster Entwurf sah eine Auslandsnutzung von maximal 90 Tagen vor, wobei sich der Nutzer alle 30 Tage im Ursprungsland „einbuchen“ müsste. Er wurde von Verbraucherschützern stark kritisiert, weil er die geforderte neue Freiheit zu sehr einschränkte. So würden Studenten im Auslandssemester nach diesem Entwurf beispielsweise nicht von dem Gesetz profitieren.
Der Folge-Entwurf war wesentlich freier gestaltet: Statt einer strengen Begrenzung können die Anbieter ihre Kunden warnen, wenn sie den Tarif wesentlich länger im Ausland benutzen als im Ursprungsland. Ist das Verhältnis zwischen Aus- und Inlandsnutzung zu ungleich in Richtung Ausland gewichtet, darf der Anbieter sogar Gebühren verlangen. Diese liegen bei maximal 4 Cent pro Minute, 1 Cent pro SMS und 0,85 Cent je Megabyte.
Tarife, die bereits einen Roaming-Bestandteil enthalten, müssen von den Anbietern zum 15. Juni aktualisiert werden, erklärt ein anbieterunabhängiges Portal im Roaming-Ratgeber des Unternehmens.
Auch Großhandelsgebühren für Mobilfunkanbieter gedeckelt
Damit die Mobilfunker durch die neuen Gesetze nicht allzu sehr ins Minus geraten, hat die EU außerdem die Gebühren im Großhandel gedeckelt: Die Obergrenzen liegen bei 3,2 Cent pro Minute für Anrufe und 1 Cent pro SMS. Für Datenvolumen sinken diese Grenzen schrittweise von vorerst 7,70 Euro pro Gigabyte ab dem 15. Juni auf schließlich 2,50 Euro pro Gigabyte ab dem 1. Januar 2022. Dieser Kostendeckel liegt etwa 90 Prozent unter den aktuellen Begrenzungen.
Wie man sieht, machen die Kosten für das Internetvolumen einen Großteil der Roamingkosten aus. Der in Österreich beheimatete Anbieter Hot bietet seinen Kunden beispielsweise für 9,90 Euro im Monat 1000 SMS oder Minuten sowie 4 Gigabyte Datenvolumen. Selbst bei den auf 7,70 Euro pro Gigabyte gedeckelten Großhandelspreisen müsste der Anbieter also über 30 Euro Roaming-Gebühren bezahlen, wenn ein Kunde das gesamte Volumen im Ausland aufbraucht.
Daher sehen die Fair-Use-Regelungen auch eine Begrenzung des Datenvolumens vor, die vermeiden sollen, dass Mobilfunkanbieter in solchen Fällen allzu hohe Verluste schreiben. Mit einer eigens von der EU erdachten Formel lässt sich errechnen, wie viel Inklusiv-Volumen man im Ausland nutzen darf:
Datenvolumen [GB] = (Nettopreis des Tarifs [€] / Einkaufspreis für Mobilfunker im Ausland [€/GB]) * 2
Der Nettopreis (also der Preis ohne Mehrwertsteuer) errechnet sich wie folgt:
Nettopreis = Bruttopreis / ((100 + Steuersatz [DE: 19; AT: 20][%]) / 100)
Für den Beispiel-Tarif würde das bedeuten:
Nettopreis = 9,90 / ((100 + 20) / 100) = 8,25 €
→ Datenvolumen = (8,25 [€] / 7,70 [€/GB]) * 2 = 2,14 GB
Der Kunde hätte also einen Anspruch auf 2,14 der 4 Gigabyte Inklusiv-Volumen. Der Anbieter zahlt dabei doppelt so viel, wie er netto einnimmt. Da man den Vertrag jedoch zum überwiegenden Teil des Jahres im Inland nutzen muss, können diese Kosten höchstens ein halbes Jahr lang anfallen, sodass er bei extremer Auslandsnutzung unterm Strich zwar keine Gewinne, aber auch kaum Verluste einfahren würde. Hinzu kommen natürlich noch die Kosten für Gespräche, SMS und die Nutzung im Inland. Beschert die Regelung dem Anbieter mehr als 3 Prozent Verlust, erlaubt ihm eine „Tragfähigkeitsklausel“, auch weiterhin Roaming-Gebühren zu erheben. Hot-Chef Krammer kann sich vorstellen, diese Regelung zu nutzen; er hofft aber, dass die EU-Kommission noch eine bessere Lösung präsentiert.
Teueres Gratis-Roaming
Roaming-Gebühren galten als beliebte Einnahmequelle im gesättigten Mobilfunkmarkt. Gutachter der europäischen Regulierungsstelle (BEREC) erwarten, dass die Mobilfunkanbieter ihre Roaming-Kosten auf die Grundgebühren aller neuen Verträge umlegen, da sie diese nun nicht mehr den einzelnen Kunden in Rechnung stellen dürfen, welche die Kosten verursachen. Dadurch werden Mobilfunkverträge vermutlich generell teuerer. Dabei sind die Mobilfunkpreise in Deutschland ohnehin bereits sehr hoch. Die Fusion von E-Plus und Telefónica hat den Wettbewerb zusätzlich reduziert.
Für Bestandskunden erwarten die Marktriesen Deutsche Telekom, Telefónica und Vodafone laut heise.de keine zusätzlichen Kosten. In den meisten Tarifen seien die Roamingkosten bereits berücksichtigt.
Alternativ könnten die Anbieter Leistungen aus den Tarifen streichen, doch danach sieht es bislang nicht aus. Der Trend geht er dazu, den hohen Preis zu halten und mit mehr Leistung zu rechtfertigen, selbst wenn Kunden diese Leistungen eigentlich gar nicht benötigen.
Reine LTE-Tarife mit unbegrenztem Datenvolumen können hingegen nicht im Ausland genutzt werden. Und auch für normale Handyverträge haben einige Anbieter Roaming in ihren neuen Tarifen generell ausgeschlossen. Außerhalb der Landesgrenzen ist es dann nicht mehr möglich, sich in ein ausländisches Netz einzubuchen. Statt EU-weites „Roam like Home“, genießen Kunden dieser Anbieter im Urlaub künftig einfach ihre Ruhe oder die günstigeren Konditionen ausländischer Provider. Das sich die Preise dadurch europaweit angleichen ist jedoch nicht abzusehen.
22 Gedanken zu „Neues EU-Roaming beendet nicht alle Roaminggebühren“
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