Kommentar: Apple beginnt wiedermal eine Aufräumaktion. Welche? Nun ja – eine an sich schon seit 2007 fällige Aufräumaktion, die nun die Automobilindustrie betrifft. iOS – 2007 noch iPhone OS – erschien (natürlich) 2007 zusammen mit der ersten iPhone-Generation. Ab dieser Zeit änderte sich vieles, wenn nicht sogar alles. Denn durch die Anbindung an das mobile Internetnetzwerk, die Integration einer Musik-App und vor allem durch das verbaute Multitouchdisplay änderten sich die Nutzungsbedingungen schlagartig. Mit iOS 5 kam iMessage als Kommunikationstool zwischen den iOS-Usern hinzu. Mit iOS 6 begannen die hauseigenen Apple-Maps zu fahren. Und mit iOS 7 verließ Siri das Säuglingsalter und reift nun in der Pubertät weiter.
Das Smartphone und mit ihm iOS hat unser aller Kaufverhalten, Bedienverhalten und auch unsere Wahrnehmungen umgekrempelt und neu geprägt. Musik wird heute online und überall gekauft – wer will schon CDs rumschleppen? Sie wird gesammelt, geliebt und überall gerne gehört. Nachrichten werden auch von allen Ecken verschickt, querbeet über alle iOS-Geräte hinweg, viele Millionen Stück pro Tag und rund um den Erdball. Wir sind vernetzt – immer und überall erreichbar. Und Siri hilft uns alltägliche Dinge zu erledigen. Hilfestellungen von Ihrer Seite ermöglichen das Anlegen von Kalendereinträgen, Diktieren und Abschicken von Nachrichten, Berechnen von Autorouten in den Apple-Maps und auch die Auswahl von Musik kann Siri für uns erledigen. iOS hat sich in 7 Jahren sehr gewandelt und entwickelt. Dabei wurde die Software immer stark im Einklang mit der Hardware konzipiert. Innovative Wischgesten bestätigen das.
Man fragt sich nun – „Schön und gut, aber was hat das mit der Automobilindustrie zu tun?“ – nun ja, eigentlich nichts. Bisher zumindest – denn Apple räumt von hinten auf. Oder wie hat man vor iTunes Musik online gekauft? Apple sattelt ein neues Pferd! Die Musikindustrie mit ihrem Musikverkauf war auch ein Pferd, welches von Apple gesattelt und neu beschlagen wurde. Seitdem galoppieren die Musikeinkäufe. Und auch die Filmindustrie profitiert von der digitalen Kaufoption in iTunes – auch wenn die Preise hier teils eher unsympathisch und, zur heutigen Zeit, sehr überteuert wirken. Trotzdem – iTunes ist ein sicher gesatteltes Pferdchen, das im ruhigen Trab läuft. Apple hat in dieser Sparte alles richtig gemacht und die Karten neu gemischt. Was wäre also die gesamte Musik- und Filmindustrie ohne iTunes? Lassen wir die Frage mal so im Raum stehen.
Doch ein weiteres Pferd steht im Stall – welches Auslauf braucht – einmal richtig ausholen, in die Sporen treten und los galoppieren – das will es und zwar schon lange. Ich rede von der Automobilindustrie und deren Kraftfahrzeugen. Schnell sind die Pferde unter der Motorhaube. Elegant wirken die Automobildesigns. Und im Laufe der Jahre wurden die Automodelle immer sicherer und intelligenter. Neuste Technologie schützt vor Unfällen, warnt bei Unachtsamkeit, regelt Lichtverhältnisse automatisch und auch einparken kann das Auto mittlerweile ganz alleine. Fehlt da nicht was? Stimmt – Entertainment im Auto. Ein Auto ist heute mehr, als nur ein Bewegungsmittel, um von A nach B zu kommen. Ein Auto muss während der Fahrt für alle Insassen Unterhaltung bieten. Dafür haben die Autobauer, unabhängig voneinander, eigene Forschungsabteilungen, um Infotainmentsysteme zu entwickeln. Welche als Extraausstattung immens teuer, schwer zu bedienen und technisch auf teils schlechtem Niveau und dadurch im Allgemeinen sehr zurückgeblieben und unattraktiv wirken. Schritt für Schritt erkannten die Autobauer allerdings die Wichtigkeit der Integration von Schnittstellen, um Smartphone und Auto zu verbinden. Dass man an den Gedanken arbeitet zeigen Dinge wie Twitter und Facebook-Applikationen auf dem Comand-System von Mercedes. Gut und schön, aber wo ist der Endnutzen? Man denkt scheinbar oft in die richtige Richtung, verläuft sich dann aber. So machte es die letzten Jahre sehr den Eindruck, dass der ganze Gedankensturm als eine warme Brise verfliegt. Das Auto, so schlau wie es von Außen wirkt, so verdummt ist es mittlerweile im Inneren. Wer Technik kennt und den Sinn von Manchem versteht, der wird wissen wovon ich genau rede. Ich möchte, ohne etwas zu tun, in mein Auto einsteigen, den Schlüssel in das Zündschloss stecken, das Auto starten, losfahren und volle Konnektivität und Kontrolle über mein iPhone haben und es während der Fahrt ohne Ablenkung und intuitiv bedienen können. Ohne Schnickschnack, ohne Zusatzzubehör und ohne 4000€-Infotainmentsystem.
War das zu viel verlangt? Für ein Auto in einer hohen Preisklasse? Toll geformtes Blech für viel Geld? Da war bisher jede Kuchenform intelligenter. Ja, ich rechne mit der Automobilindustrie ab – sie haben es vergeigt. Sie hatten lange ihr Pferdchen im trockenen – doch damit ist Schluss. Das Pferd will galoppieren und zwar auf einem geebneten Weg. Apple hat das Renntier gesattelt und gibt ihm das was es braucht – einen langen Ritt in die richtige Technologierichtung. Mit iOS wurde das Computersystem mobil, sehr leistungsfähig und Features wurden immer mehr ergänzt und ausgebaut. Nun folgt der nächste große Schritt – iOS lernt das Fahren.
Schon zur WWDC 2013 kündigte Apple, zusammen mit iOS 7, eine Schnittstelle zur Verbindung mit interieuren Autosystemen an. iOS in the Car wurde das Feature genannt. Aus iOS in the Car wurde letzten Endes CarPlay. Der Name stößt vielen etwas sauer auf. Ein neuer und ungewöhnlicher Begriff, an den man sich noch sehr gewöhnen muss. Aber nichts ist Zufall. CarPlay heißt es aus einem sehr guten Grund. Mit iOS 5 erreichte uns AirPlay. Damit ist es möglich, Inhalte per WLAN-Verbindung an andere Empfangsgeräte zu senden. In dem Fall können Videos, Musik und Fotos an ein Apple TV oder eine Musikanlage gestreamt werden. AirPlay ist ein h.264-Stream über den all diese Daten transportiert werden. CarPlay hat somit sehr viel mit AirPlay gemeinsam. Per Lightninganschluss wird das iPhone mit dem Auto verbunden – über diese Verbindung läuft ebenfalls ein h.264-Stream. Bisher funktioniert dies nur kabelgebunden, doch in naher Zukunft sollen sich iPhone und Automobil auch über ein WLAN-Netzwerk koppeln lassen. Hier ist sichtbar wieso CarPlay so heißt, wie es heißt. Wünschenswert wäre sicher auch eine Bluetoothverbindung, die für den kompletten Datenverkehr allerdings noch zu langsam und instabil ist. Also setzt Apple auf eine Kabel- und WLAN-Anbindung.
Doch mehr zu CarPlay direkt. Mit der neuen Schnittstelle können iPhone und Automobil verbunden werden. Dadurch ist es möglich, gewisse iOS-Aktivitäten direkt im Auto durchzuführen. Ein iOS-ähnliches Layout wird auf dem im Auto verbauten Bildschirm des Navigationssystems portiert. Auf der Oberfläche werden Applikationen, wie Telefon, Nachrichten, Musik und Maps angezeigt. Der Funktionsumfang der Applikationen ist der gleiche wie auf dem iPhone direkt. Zusammen mit Siri-Eyes-Free, das über einen Knopf am Lenkrad angesprochen werden kann, zieht iOS damit in das Auto ein und lernt dem Auto das, was es schon lange benötigt hat. iOS auf vier Rädern.
Mit Siri funktioniert an sich der hauptsächlichste Bedienkomfort. Mit ihr können so zum Beispiel eingehende Nachrichten vorgelesen und Antworten diktiert sowie abgeschickt werden. Per Sprache kann Siri Anrufe tätigen und Routen in den Maps berechnen. Zudem kann die Sprachassistentin auch die Musikwiedergabe steuern. Wer über einen Touchscreen im Auto verfügt, der kann die Anwendungen auch damit bedienen. Auch mechanische Knöpfe am Armaturenbrett werden von CarPlay unterstützt. Somit hat Apple gleiche drei komplette Bedienelemente eingepflegt. Eine sprachliche, touchbasierte und mechanische Bedienoption. Interessant ist, dass Apple neben seiner hauseigenen Podcast-App auch Third-Party-Apps auf den Screen lässt. So auch Spotify, Beats Music, iHeartRadio und Stitcher. Die Frage an dieser Stelle: „Kann Siri auch Third-Party-Apps steuern?“ Das wissen wir bisher noch nicht genau – doch möglich wäre es. Anders wäre das Anbinden der Applikationen an CarPlay wenig sinnvoll, um den kompletten Bedienumfang nutzen zu können. Damit würde Apple erstmals die Lockerung der Siri-API in Erwägung ziehen und neue Funktionsmöglichkeiten integrieren. Was noch fehlt wäre die Integration der Mail-App in CarPlay. Was aber jederzeit mit einem iOS-Update freigeschaltet und eingepflegt werden kann.
Apple ist im Auto angekommen. Einmal im Auto, wird Apple dort nun lange einen festen Standpunkt vertreten. Apple verknüpft eigene Software mit Hardware der Automobilbauer. Ein extrem wichtiger Schritt für die nächsten Jahre, denn permanente Mobilität wird nicht weniger, nein sie wird noch intensiver. Die komplette Automobilindustrie hat versagt und ist auf außenstehende Hilfe angewiesen. Sie hat eigentlich so gut wie alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Sie haben Infotainmentsysteme, mit wenig Nutzungssinn entwickelt, teuere Extrapakete für den Kunden daraus geschnürt und bei den Karten-Updates für die Navigationsfunktion wird der Kunde nochmals abgezockt zur Kasse gebeten. Attraktivität klingt dann doch wirklich anders. CarPlay ist der Einzug in die Integration von Smartphone und Automobil. Das Auto benötigt nur noch dumme Knöpfe, ein dummes Touchdisplay, ein gutes Lautsprechersystem sowie eine CarPlay-Anbindung. Damit ist das Auto im Inneren, was Entertainment angeht, perfekt. Und wie wäre es, wenn man bald schon mit Siri diverse Autoeinstellungen vornehmen könnte? „Siri stelle die Temperatur auf einundzwanzig Grad und schalte die Sitzheizung des Fahrers auf Stufe 3.“ Oder wie wäre es mit „Siri stelle den Sitz bitte auf meine gespeicherte Fahrerposition ein.“ Softwareseitig wäre dies alles machbar – in ein paar Jahren vielleicht schon Alltag, wie der Musikkauf in iTunes. Doch erst einmal dient CarPlay nur dem Entertainment – spätere Weiterentwicklungen der iOS-Anbindung werden mit großer Sicherheit folgen. Denn so wie sich iOS entwickelt, so entwickeln sich auch Features, Integrationen und Technologien weiter. CarPlay ist der erste, kleine Schritt von Apple, um in der Automobilindustrie richtig aufzuräumen und einen neuen Standard zu setzen.
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