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Kommentar: Project Purple – so nannte man einst den Entwicklungsstatus eines Tablet aus dem Hause Apple. Daraus kristallisierte sich ganz langsam das Gebilde eines Gerätes mit einem großen, berührungsempfindlichen Bildschirm, das den Personal-Computer in gewissem Maße ersetzen und ablösen sollte. Steve Jobs erkannte in diesem Entwicklungspunkt das Potential und verfeinerte es mit seinem Team. Heute weiß man, dass das iPhone eine verkleinerte Version der errungenen iPad-Technik ist und vor dem iPad veröffentlicht wurde. Das iPad folgte drei Jahre später und befindet sich nun seit sechs Jahren in Apples Produktlinie.
Steve Jobs kommt 2010 auf die Bühne, nimmt das iPad in die Hand, wandert zu einem Ledersessel und setzt sich hinein. Er legt ein Bein über das andere und legt das iPad darauf ab. Dieses Bild wirkt heute klarer als damals, denn der Visionär drückte einem damit einen Gedanken auf. Das Bild zeigte ganz klar, dass das iPad ein Computer für eine ganz bestimmte Situationen sein kann. Eine Situation in der ein Mac teilweise zu umständlich und ein iPhone womöglich zu klein ist. Das iPad setzte sich als Computerersatz in eine Nische und dies verkörperte Steve Jobs in seiner iPad-Präsentation mit einem aufgedrückten i-Punkt. Selbstsicher und locker hantierte er mit dem Gerät vom Sessel aus, als würde er dies schon seit Jahren so tun und demonstrierte damit provokant ein ganz bestimmtes Anwendungsgebiet.
Das war in 2010. In den letzten sechs Jahren änderte sich das iPad in einem meist jährlichen Updatezyklus. Nicht nur die Hardware hat Apple stetig auf den neusten Stand gebracht, auch das Design und das Betriebssystem erneuerte Cupertino stetig. Gerade das iPad war der Grund dafür, weshalb iOS heute iOS heißt, denn zuvor lief dieses Betriebssystem nur auf dem iPhone und schmückte sich mit dem Namen iPhoneOS.
Das iPad Air 2 ist heute das Tablet überhaupt, denn es bedient designtechnisch und hardwaretechnisch alles was man im Alltag an Leistung und Eleganz benötigt. Und auch das iPad mini 4 liefert hier das identische Bild ab – wenn auch in einem kleineren, aber für viele angenehmeren Formfaktor. Nur das iPad Pro wirkt nicht wirklich fertig, denn bis auf ein größeres Display liefert es von seiner Gesamtleistung nicht mehr ab als ein iPad Air 2 – ihm fehlt der Pro-Aspekt. Das Gesamtbild des iPad wirkt solide und durchdacht und doch sinken die Verkaufszahlen stetig. Warum?
Die Gründe dafür sind relativ leicht zu sehen und zu erklären. Ich setze ein iPad-Kauf gerne mit dem Auto-Kauf auf einen Nenner. Es ist ein Gerät, das man sich für einen bestimmten Zweck zulegt. Solange es diesen Zweck zuverlässig und befriedigend erledigt wird es schlicht nicht ersetzt und zeitgleich gepflegt. Natürlich hinkt der Vergleich hier aufgrund des Kaufpreises zwischen Tablet und KFZ, doch der Gedanke ist auch nur rein psychologisch zu betrachten. So ist ein iPad 2 für die meisten Nutzer auch heute noch völlig ausreichend – allein schon, da Apple auch den Softwaresupport weiterhin sicherstellte. Wieso also ein iPad Air 2 kaufen, wenn das iPad 2 noch zuverlässig arbeitet und bei den meisten Anwendern sowieso nur als Zweitgerät im Einsatz ist? Ohne ein iPad ginge es bei mir nicht mehr – da bin ich ehrlich. Ich greife allerdings meist nur dann zu diesem Gerät, wenn mir das iPhone für bestimmte Aktivitäten zu klein wirkt und ich auf ein größeres Multitouchdisplay muss/möchte. Und diesen Punkt sehen auch die meisten anderen Nutzer identisch und belassen ihr iPad daher weiterhin gern auch nur als reines Couchtablet.
Apples iPad-Verkäufe sinken Quartal für Quartal und dieses Bild zeichnet sich schon seit längerer Zeit ab. Quatsch wäre zu sagen, dass das iPad keinerlei Zukunft hat und damit als ausrangiert wirkt. Objektiv betrachtet verkauft Apple immernoch die meisten Tabletgeräte weltweit und diese in millionenfacher Ausführung. Oder kann ein anderer Hersteller anhand von drei hauseigenen Tabletmodellen eine Absatzsumme von 16,1 Millionen Geräten in 90 Tagen vermelden? Denn auch wenn die iPad-Verkäufe stagnieren, die verkauften Geräte lösen zeitgleich andere Geräte ab, denn der PC-Markt schrumpft stetig. Hier ist aber auch zu beobachten, dass die Mac-Verkäufe in gleicher Periode schwanken aber im Gesamtbild gestiegen sind. Statt eines PC kaufen sich Nutzer also scheinbar lieber einen Mac oder ein iPad. Und da beide Produktkategorien (inklusive aller anderen) sehr langlebig im Gebrauch sind, muss auch keines dieser Geräte so schnell ausgetauscht werden – auch kein iPad. Dennoch muss an diesem Punkt auch erwähnt werden, dass das neue iPad Pro im letzten Quartal nur eine ganz bestimmte und mit Sicherheit kleine Zielgruppe ansprach/erreichte. Das iPad mini wurde in seiner vierten Auflage zwar hardwaretechnisch an ein iPad Air 2 angepasst, bedient aber auch nur eine kleine Zielgruppe der wirklichen iPad-Nutzer. Somit wurde für das Weihnachtsgeschäft kein neues 9,7″-Tablet veröffentlicht. Auf ein iPad Air 3 hat der ein oder andere möglicherweise vergebens gewartet – was den Wechsel von alten Modellen zu brandneuen Modellen ebenso erschwerte und auch als Punkt für sinkenden Verkaufszahlen erwähnt werden sollte.
Das iPad benötigt keine Hilfe und muss auch nicht gerettet werden. Apples Produktlinien retten sich gänzlich gegenseitig und untereinander. Fällt eine Kategorie in ihrer verkauften Masse, so fängt sie eine andere auf. Ein Grund dafür ist beispielsweise das 5,5“ iPhone, das eine Masse anspricht, welche durch diese Smartphonegröße auf ein iPad verzichten kann. Gerade in China ist ein großes Smartphone der Computer für alles – ein Zweitgerät haben hier die wenigsten zur Hand. Doch wie sieht sie aus die Zukunft des iPad und welche Wichtigkeit wird das iPad noch erlangen?
Derzeit ist das iPad immernoch ein großes iPhone – egal ob in der Größe von 7,9“, 9,7“ oder 12,9“. Das iPad erlaubt wenige einzigartige Dinge, die das iPhone nicht bieten könnte. Es ist nicht unbedingt die Hardware, die an dieser Misere Schuld ist, sondern viel mehr die Software. Denn auf einem iPad wirkt iOS bis heute noch wie aus Zeiten von iOS 4. Das Betriebsystem beider Gerätetypen hebt sich einfach nicht voneinander ab und auch Funktionen wie Slide-Over, Split-View und ein Bild-in-Bild-Modus können diesen Schein nicht schönreden oder gar kaschieren. Das iPad benötigt einen größeren Fokus auf sein ganz eigenes Gebiet und der Apple Pencil ist einer dieser Ansätze. Bisher sitzt das iPad immernoch in einer Nische und es bleibt daher abzuwarten, wann Apple endlich mit dem iPad aus dem Sessel aufstehen und damit neue Wege mit Anwendungsgebieten und Technologiesprüngen ebnen wird – bis das iPad seine Wichtigkeit gefunden hat.
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56 Gedanken zu „Das iPad auf Talfahrt“
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