Die EU-Kommission will Anbietern von Internetdiensten im Kampf gegen sexuellen Missbrauch dazu verpflichten, die Kommunikation von Nutzerinnen und Nutzern zu scannen und hat deshalb einen Vorschlag für eine entsprechende EU-Verordnung verfasst. Aus dem nun veröffentlichten Positionspapier der Bundesregierung geht hervor, dass das Innenministerium offenbar seine Forderungen nach mehr Überwachung durchgesetzt hat, da diese gemeinsam das EU-Vorhaben befürwortet. Kritikerinnen und Kritiker werfen der SPD einen Bruch des Koalitionsvertrags vor.
Obwohl Online-Kommunikation laut EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation vertraulich ist, will die EU-Kommission Anbieter von Diensten im Internet demnächst mittels einer Verordnung dazu verpflichten, Chats von Nutzerinnen und Nutzern anlasslos zu scannen und zu überwachen. Dies soll dazu dienen, gegen jeglichen sexuellen Missbrauch von Kindern sowie Kinderpornographie vorzugehen.
Zu diesem Vorschlag der EU-Kommission hat die Bundesregierung nun ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, in dem sie den darin enthaltenen Forderungen größtenteils zustimmt. Damit tritt sie für allgemeine Überwachungspflichten, Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation und eine Identifizierungspflicht ein. Im Koalitionsvertrag hatte die Ampel-Koalition jedoch ursprünglich bekräftigt, ein solches Szenario zu verhindern. Die Einigung folgt auf die jüngst vonstattengegangene Veröffentlichung von Eckpunkten zu einem geplanten Gesetz gegen digitale Gewalt, welches sich ebenfalls gegen private Chats richtet, Apfelpage.de berichtete.
Gemeinsame Position der Bundesregierung stellt wohl keinen echten Kompromiss dar
Offenbar hat Innenministerin Nancy Faeser es geschafft, ihren Standpunkt, eine stärkere Überwachung privater Kommunikation sei von Nöten, erfolgreich in den Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern durchzusetzen. Deutlich wird dies, wenn man die finale Version des Positionspapiers mit dem Entwurf des Innenministeriums vergleicht, der vor zwei Monaten erstellt wurde: Wie Netzpolitik.org berichtet, sind die Dokumente zu drei Vierteln identisch.
Laut Bundesregierung sei eine Einigung zwischen den Ampel-Parteien erzielt worden. Doch nach wie vor bleiben Fragen offen, bei denen die Parteien gegensätzliche Positionen vertreten. So beispielsweise bei der Durchsuchung von unverschlüsselter Kommunikation wie E-Mails und von Speicherdiensten: Während das Innenministerium diese befürwortet, sind die FDP-Ministerien dagegen. Auch hinsichtlich einer gezielten Suche nach bislang unbekannter Missbrauchsdarstellungen und Grooming ergibt sich ein ähnliches Bild.
Ebenfalls durchgesetzt hat sich Faeser in Sachen Altersverifikation, da diese nun verpflichtend werden und auch mittels freiwilliger Ausweisvorlage erfolgen soll. Dennoch hatte sich die Bundesregierung auch in einzelnen Aspekten geeinigt, wie beispielsweise darin, dass Client-Side-Scanning und eine Umgehung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung jeweils verboten werden sollen.
Wurde der Koalitionsvertrag gebrochen?
Nichtsdestotrotz scheint das gemeinsame Positionspapier in wesentlichen Punkten dem Koalitionsvertrag zu widersprechen. Dies hat nicht nur in den Reihen der FDP und den Grünen Kritik hervorgerufen, sondern auch der Chaos Computer Club hat sich zu Wort gemeldet. Dessen Sprecherin lehnt den von ihr als „Pseudo-Einigung“ bezeichneten Kompromiss entschieden ab und argumentiert, dass FDP und Grüne den darin enthaltenen Bruch des Koalitionsvertrags wohlweislich mittrügen.
4 Gedanken zu „Innenministerium hat sich durchgesetzt: Bundesregierung befürwortet generelle Überwachung privater Chats“
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