Virtuelle (VR) und erweiterte (AR) Realität sind wichtige Zukunftstrends, die bis 2020 einen 150-Milliarden-Dollar-Markt erschließen sollen. Kein Wunder also, dass sich viele große Hersteller bereits mit ersten Produkten einen Stück vom Kuchen sichern. Apple ist jedoch nicht dabei – noch nicht.
Erste Produkte weisen den Weg
Einfach das Smartphone in ein Pappgestell schieben, vor die Augen halten und virtuelle Inhalte wie Google Maps oder atemberaubende Panoramas in 360-Grad-Rundumsicht genießen. Die virtuelle Realität lässt sich aber auch als Display-Ersatz verwenden, wie Sony mit seiner PlayStation VR beweist. Augmented Reality erweitert die Realität hingegen um digitale Informationen, wie Microsofts HoloLens eindrucksvoll zeigt. Bekanntester Vertreter der Branche dürfe dabei das autonome Oculus Rift sein. Der Konzern würde 2014 für 2,3 Milliarden US-Dollar von Facebook gekauft. Aber auch Smartphone-Hersteller wie Samsung oder HTC kämpfen mit eigenen Produkten um Marktanteile.
Nur von Apple haben wir auf der WWDC im Sommer weder etwas von der virtuellen noch von der erweiterten Realität gehört, obwohl Apple ebenfalls damit forscht. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich Apple nicht für die virtuelle Realität interessiert oder gar die Zukunft verschläft – erst zu Beginn des Jahres nannte CEO Tim Cook die Technologie „really cool“ und konnte ihr „einige interessante Anwendungsgebiete“ abgewinnen. Doch die WWDC ist in erster Linie ein Software-Event und auch andere Gründe sprechen für Apple gegen einen frühen Markteinstieg.
Abwarte-Taktik bei Apple
„Es überrascht mich nicht, dass Apple noch nicht in dem VR-Markt eingetreten ist,“ sagt Technologie-Kolomnist und -Analyst Tim Bajarin. „Apple […] sieht VR in ihrem noch sehr frühen Stadium und beobachtet, wie sich der Markt entwickelt.“
Apple ist eher selten der erste Hersteller auf einem Markt. Die Strategie lautet: beobachten und abwarten bis sich der Markt entwickelt. Abwarten bedeutet aber keineswegs, rumzusitzen und nichts zu tun – ganz im Gegenteil:
Beispielsweise hat Apple bereits mindestens ein Patent in dem Bereich beantragt, was natürlich nicht automatisch bedeutet, dass Apple die Umsatzung eines VR-Produktes plant. Schon 2014 suchte man über die eigene Website nach einem VR-App-Entwickler und die Financial Times berichtete zu Beginn dieses Jahres, dass Apple bereits ein großes Team von VR- und AR-Experten zusammengestellt habe, die bereits an einem Prototypen eines VR-Headsets arbeiten sollen. Ende 2015 wurde außerdem die deutsche Software-Firma Metaio gekauft, die sich auf die Verbindung von digitalen Informationen mit der realen Welt spezialisiert hat.
Nicht Erster, aber Bester
Wenn sich der Staub gelegt hat, schlägt Apple dann mit einem eigenen wegweisenden Produkt, wie dem iPad, dem iPhone oder dem iPod auf. Diese Produkte verkörpern Apples Idealvorstellung davon, wie ein solches Produkt beschaffen sein und wie es funktionieren sollte. Besonders dann, wenn die Erwartungen der Konsumenten und die Produktrealität auseinandergehen, ist Apples Stunde gekommen.
Virtuelle Realität setzte bisweilen eine Verbindung zu einem leistungsstarken Rechner voraus, doch in Zukunft will Konkurrent Google scheinbar eigenständige Geräte wie Samsungs Gear VR Headsets produzieren. Bei seinem eigenen Projekt Daydream setzt der Suchmaschinen-Gigant zudem auf eine Hand-Fernbedienung, statt auf Gestensteuerung. In der Branche gibt es also noch eine Reihe ungeklärter Fragen über die beste Vorgehensweise in Sachen VR/AR.
Die ursprünglichen Erwartungen, dass Apple bereits 2016 mit einem solchen Produkt aufwartet, scheinen angesichts der neusten Analysen überholt: „Apple wartet, bis die Technologien und Erfahrungen in einer natürlichen und intuitiv zu bedienenden Weise zusammenkommen“ glaubt beispielsweise der Analyst Patrick Moorhead und erwartet „von Apple eine kabellose Mixed-Reality-Erfahrung mit einer Auflösung von mindestens 4K pro Auge.“ Ein weiterer Analyst, Brian Blau, sieht das ähnlich: „Apple tendiert dazu, zu warten, bis sich die Unebenheiten des frühen Marktes geglättet haben, um dann mit einer eigenen Lösung nach vorne zu stürmen, welche die nötige Nachfrage für die Massenproduktion aufweist. Aber ich glaube nicht, dass VR/AR bereits so weit sind.“
Manch einer mag sich wünschen, dass Apple auf diesem Gebiet schneller voranschreitet und als Vorreiter immer selbst die Trends der Zukunft setzt, doch oftmals funktionieren die Prozesse hinter dem Konzern anders und erfordern, dass auch wir abwarten.
18 Gedanken zu „Warum Apple noch nicht über virtuelle Realität spricht“
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