Jan Koum ist der Chef des weltweit größten Messengers WhatsApp, ihm wird damit eine Aufmerksamkeit zuteil, von der andere Personen nur träumen können. Auf Facebook hat der 39-Jährige in der Nacht daher ein Statement setzen wollen und teilte Tim Cooks gestern veröffentlichten, offenen Brief zur Wichtigkeit der unüberwindbaren Verschlüsselung ohne Hintertür:
Ich kann dem auf ganzer Linie zustimmen, was [Apple] in dem offen Brief heute angesprochen hat. Wir dürfen nicht zulassen, dass [die Privatsphäre] wegen dieses gefährlichen Präzedenzfall eingestellt wird. Heute steht unsere Freiheit auf dem Spiel.
Das ist lustig. Denn gerade WhatsApp ist einer der wenigen großen Messenger, der mit der eigenen Verschlüsselung nicht gerade werben sollte. Zwar hatte die Facebook-Tochter vor gut anderthalb Jahren die sichere End-to-End-Verschlüsselung eingeführt, dies allerdings in einer Inkonsequenz getan, da hätte man es auch gleich lassen können. Denn: iPhone-Nutzer sind von der Sicherheit gänzlich ausgeschlossen, die Verschlüsselung befindet sich noch in der Beta. Ein Anwender kann also nicht immer sicher sein, ob seine Nachrichten verschlüsselt oder im Klartext beim Gegenüber ankommen.
Zwar gehen Kritiker in aller Regelmäßigkeit hart mit WhatsApp ins Gericht, mehr als die halbherzige Geste kommt aus dem Mountain View allerdings bislang nicht.
Aber hey, man kann es mit dem Marketing ja mal versuchen. Immerhin spürt WhatsApp den Atem der verschlüsselten Konkurrenz bereits im Nacken.
Eine Mücke zum Elefanten machen.
Und ja, auch Apple weiß selbstverständlich, dass vollumfängliche Verschlüsselung – egal in welcher Hinsicht – immer ein Garant für den tosenden Applaus der Masse ist. Das wusste Apple auch schon im Juli und September 2014 sowie in der Datenschutz-Offensive im Februar, Juni, Oktober und November 2015 und hat es im Januar dieses Jahres und sonst eigentlich bei jeder Gelegenheit immer wieder betont: Apple sammelt keine Daten und hat selbst nach eigenen Angaben keine Möglichkeit, die Verschlüsselung zu knacken.
Keine Frage, das ist sehr konsequent und nachgewiesenermaßen auch ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Denn selbst bei WhatsApp könnte in der End-to-End-Verschlüsselung zwischen Android-Geräten jeder Mitarbeiter jederzeit ohne Kenntnis des Nutzers auf die Konversation zugreifen.
Auch gestern betonte Apple wieder in einem offenen Brief seine Anstrengungen zur Verschlüsselung. Doch in den USA zeigt man sich zunehmend genervt von dem sich ständig wiederholenden Plädoyer. Wir wissen ja: Politiker sind wegen der Terrorbekämpfung ohnehin nicht sehr gut auf eine Verschlüsselung ohne Hintertürchen für Behörden zu sprechen.
In der Nacht hat daher noch das Weiße Haus auf Apples Brief reagiert und macht klar, dass man gar keine Hintertür von Apple fordere, wie es Tim Cook in seinem Schreiben darstellte. Ganz anders: Die Behörden wollten lediglich gerichtlich erwirken, dass Cupertino dabei hilft, das einzelne iPhone 5c vom IS-Attentäter, um den es ging, freizugeben.
They are simply asking for something that would have an impact on this one device.
Im Detail will das FBI die verschiedenen Code-Eingaben ausprobieren können, ohne den Verlust der Daten nach zu vielen Falscheingaben zu riskieren. Es hat kein Hintertürchen verlangt (auch wenn es das sicher auch gerne hätte). Cook nutzte einfach die Möglichkeit, um sein Anliegen hier erneut darzustellen.
In den Staaten wird dieser Streit inzwischen zum Politikum. Wie momentan alles im Wahlkampf. Die Aussagen des Kandidaten Donald Trump ersparen wir euch aber mal.
(Bild: JStone / Shutterstock.com)
35 Gedanken zu „Das Marketing um die Messenger-Verschlüsselung“
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