China ist wegen seiner 1,3 Milliarden Einwohner als Absatzmarkt für Smartphones und andere Technik sehr wichtig. Drei von vier chinesischen Smartphone-Nutzern besitzen ein Android-Telefon. Die meisten davon kamen vom Hersteller Xiaomi, gesprochen etwa „schau-oh-mi“, der das bisherige chinesische Erfolgsunternehmen Huawai mit Milliardenumsätzen vom Thron gestoßen hat. Im vergangenen überstieg Xiaomis Marktanteil kurzzeitig sogar den von Apple.
„Wir sind besser als Apple“, verkündete der gut vernetzte und milliardenschwere Gründer Lei Jun selbstbewusst. Er ist einer der chinesischen Visionäre im Technik-Bereich und hält Aanteile an vielen zukunftsträchtigen Firmen.
Das Apple Chinas?
Das „Apple Chinas“, wie Xiaomi oft genannt wird, setzt auf ähnliche Produkte wie die Konkurrenz: Smartphones, Wearables und zuletzt sogar ein Laptop. Eine eigene Smartwatch soll noch in diesem Monat folgen.
Im Design hält sich der Konzern dabei bewusst an den talentierten Designern von Apple – oft so sehr, dass der Hersteller als Copycat verschrien wird. Selbst Lei Jun, der das Unternehmen 2010 gegründet hat und bis heute leitet, trägt gern Jeans und ein schwarzes Shirt – wie seiner Zeit Steve Jobs.
Äpfel und Birnen
Einiges unterscheidet sich jedoch deutlich von der kalifornischen Konkurrenz: angefangen beim Preis. Xiaomi bietet High-End-Hardware zu einem günstigen Preis und eroberte damit den Massenmarkt. Bereits drei Jahre nach Gründung 2010 war man schon Marktführer im eigenen Land. Nach dreistelligen Wachstumsraten im Folgejahr war Xiaomi bereits der drittgrößter Smartphone-Hersteller. Die Differenz zwischen Herstellungskosten und Verkaufspreis liegt bei Xiaomi-Smartphones bei etwa 30 Prozent. Zum Vergeich: beim iPhone 6 sind es fast 70 Prozent.
Der Unterschied zeigt eindrucksvoll, dass der chinesische Hersteller eine andere Unternehmensstrategie verfolgt: Geld verdient man vorrangig nicht mit den Geräten, sondern mit Dienstleistungen – die Smartphones sind nur die Verpackung, wie Lei Jun verbildlicht:
„Microsoft hat Windows damals in einer Pappschachtel verkauft. Deshalb ist Microsoft aber noch lange kein Pappschachtel-Unternehmen.“
Dazu hat Xiaomi eine eigene Plattform geschaffen: die modifizierte Android-Version MIUI (mobile internet user interface). Sie vereint über 40 Dienste auf dem Hause Xiaomi. Der Wichtigste dabei ist der eigene App-Store – der MiMarket. Den Google Play Store und andere Google-Dienste hat der Konzern im Sommer 2013 einfach verbannt.
Intelligent vertrieben
Das Smartphone ist für Xiaomi nur die Eintrittskarte in die Xiaomi-Welt. Neben Wearables wie Kopfhörern setzt man zunehmend auf die Vernetzung der eigenen vier Wände: Sensoren für das intelligente Haus, Smart-Home-Geräte wie intelligente Glühbirnen, Webcams oder Luftfilter, ein passendes Steuerzentrum und neue Inhalte für den MiTV.
Der günstige Gerätepreis ist für viele Chinesen das entscheidende Auswahlkriterium. Ein neues iPhone kostet in etwa so viel, wie ein Foxconn-Mitarbeiter im Monat verdient. Doch wie konnte sich Xiaomi gegen andere chinesischen Hersteller durchsetzen, die ebenfalls mit günstigen Preisen locken?
Cleverer Vertrieb ist die Antwort. Xiaomi verkauft seine Geräte selbst über die eigene Website und spart daher die Marge für Zwischenhändler. Ähnlich wie bei Kickstarter werden die Geräte bereits Monate zuvor angekündigt. „Xiaomi sammelt Bestellungen und kann dadurch bereits im Vorfeld Rabatte bei den Zulieferern der Komponenten herausschlagen. Der Preis bleibt so sehr niedrig. Will ein Kunde allerdings nach der Kampagne das Telefon bestellen, ist es oft doppelt so teuer“, sagt Marktbeobachter Nicolas Charbonnier.
Die Gewinne des Unternehmens reichen jedoch noch lange nicht an die der großen Konkurrenten heran. Die größte Hürde für die Zukunft dürften vor allem Patentstreitigkeiten sein. Sie hatten Ende 2014 bereits für einen Verkaufsstopp in Indien gesorgt. Das könnte sich wiederholen: 2014 meldete Xiaomi nur 1.141 Patente an – Apple hatte im gleichen Zeitraum 48 Mal so viele Patente auf den Weg gebracht.
Aber die Nachhaltigkeit?
Neben Preis und Strategie unterscheidet sich der günstige Konkurrent aber auch in der Produkt-Qualität und den Unternehmenswerten vom Vorbild aus Cupertino.
So wurde 2014 bekannt, dass das RedMi Note 1 bei aktiver WLAN-Verbindung persönliche Daten wie Fotos, SMS und E-Mails in die Volksrepublik China überträgt – die Nutzer wurde darüber weder informiert noch ließ sich die Funktion deaktivieren. Sie war so tief im System verankert, dass selbst das Aufspielen einer alternativer Firmware nicht half. Nach massiver Kritik von Datenschützern wurde ein halbes Jahr später ein Update nachgereicht, das Nutzern die Möglichkeit gibt, die Übermittlung abzuschalten.
Und auch Umweltschützer äußern Kritik an Xiaomi: Mehrere Zulieferer des Herstellers seien große Umweltverschmutzer. Zu allem Überfluss sind in der vergangenen Woche gleich zwei Smartphones des Herstellers beim Aufladen in Flammen aufgegangen. Xiaomi untersucht den Fall und hat den Kunden in der Zwischenzeit ein Austauschgerät angeboten.
https://www.youtube.com/watch?v=x6UEqzV2HEA
Die Strategie des Konzerns beeindruckt, ist zugleich aber erschreckend naiv. Wer denkt, mit wenig Nachhaltigkeit könne sich ein Konzern nachhaltig gestalten, könnte sich erheblich täuschen. Oder herrschen in China einfach ganz andere Spielregeln?
(Titelbild: N Azlin Sha / Shutterstock.com)
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