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Kommentar: Musik ist ein langer Informationsstrang in Apples DNA. Schon immer erbten Produkte und Dienste diesen Rhythmus aus unterschiedlichen Tonhöhen und Bassanschlägen – jedes Produkt- und PR-Video zeigte dies bisher klar und deutlich. Musik ist bei Apple schon lange keine Leidenschaft mehr, sondern viel mehr eine verinnerlichte Vorgabe, wie man Dinge angeht, sie wahrnimmt und auch präsentiert. Doch dieses Jahr ändern sich die Beats-per-Minute ein wenig.
Jeder Mensch liebt Musik und zeitgleich ist jeder davon ein Sammler. Egal ob Vinyl, Kassette oder CD – die Regale an Musik quollen schon immer über. Ich bin ein Kind der Kassette – ich kenne noch den Kabelfrass eines Kassettendecks und das Aufdrehen des Tonbandes mit einem Bleistift. Ein Kassettendeck welches das Tonband über eine weitere Rolle umleitete und somit das Umdrehen einer Kassette hinfällig machte, war damals so überwältigend, wie die ersten CD’s. Plötzlich schob man runde Datenträger in einen damals absurd teuren CD-Player und hörte seine geliebten Töne – die Musik wirkte neu erfunden und genauso schnell auch die Piraterie. Das Rippen der eigenen Musik-CD’s auf den Computer war plötzlich eine neue Möglichkeit Musik sammeln zu können. Und natürlich vervollständigt man eine Sammlung nur, in dem man sie mit anderen tauscht und dadurch erweitert. Das Internet machte diese Strategie schnell möglich und somit war das illegale Kopieren, Tauschen und Hören von Musik im Internet schnell Alltag. Die Musik-CD selbst geriet dabei sehr schnell in Vergessenheit – denn Musik gab es im Netz genug. Kostenlos und unbegrenzt.
Keine runde Scheibe mit 18 Liedern, sondern ein handliches Abspielgerät mit 1000 Liedern. Der iPod in 2001 machte Musik tragbarer denn je. iTunes ließ CD’s in eine eigene Mediathek importieren, seine Musiksammlung pflegen, erweitern und lieben. 2003 wurde der iTunes-Music-Store aus dem Boden gestampft – das große Rettungsboot der gesamten Musikindustrie und deren Künstlern. Zum ersten Mal in der Geschichte des Internets konnte man Musik online und legal erwerben. Seitdem war es ganz normal sich ein neues Musik-Album in iTunes zu kaufen, runterzuladen und so oft zu hören wie man möchte. Meine iTunes-Bibliothek spricht heute Tonbände, denn in 12 Jahren sammelten sich über 28.000 Titel an – langsam aber stetig.
Einen offline iTunes-Katalog möchte heute niemand mehr freiwillig pflegen – denn Musik sammelt man heute nicht mehr, man hört sie einfach und das so oft man will und egal an welchem Ort. Auf Play drücken und loshören – das möchte man heute. Musik ist kein Sammlerstück mehr, sondern ein Konsumprodukt – das man trotzdem immer noch liebt und schätzt. Diesen Weg erkannte auch Apple und das schon teils 2007 mit dem iPhone.
Dinge ändern sich und so auch das gesamte Musikkonstrukt. Musik möchte man da hören wo man gerade ist – und natürlich hat man gerne die gesamte Bibliothek dabei. Ein 160GB-iPod war da immer ein Garant für. Doch Dinge ändern sich nun mal und so wanderte das Klanggut in die Wolke. iTunes-Match machte es möglich seine gesamte Musikbibliothek mit dem iTunes-Store abzugleichen. Titel, welche der iTunes-Store bietet und welche man selbst in seiner Bibliothek verzeichnet hat, wurden ausgetauscht. Spezielle Titel, welche der iTunes-Store nicht bieten kann, werden hochgeladen und sind ab diesem Zeitpunkt überall verfügbar – entweder zum Streamen oder zum Downloaden. Die eigene und bekannte Musiksammlung ist mit iTunes-Match nicht mehr zentral auf einem Gerät gespeichert sondern hat sich in ein streambares Bewusstsein transformiert – denn Streamen ist das neue Kaufen.
iTunes-Match und iTunes-Radio kann man als die ersten Gehversuche eines internen Musikwandels ansehen. Der Kauf der Marke „Beats“ polierte das Image dieses Gebiets heimlich auf und belässt die Hardwaresparte, bestehend aus Kopfhörer und Lautsprechern, trotzdem als bisher bekannte Marke und Produkt bestehen. Dennoch sind die Köpfe hinter Beats ganz klar ein frischer und sehr geschätzter, neuer Wind. Es sind Leute die sich nicht nur mit Plattenfirmen und Künstlern auskennen, sondern vor allem mit dem Endprodukt – der Musik. Eine Eigenschaft die man haben muss, um sich mit dem Konstrukt „Musik“ auseinandersetzen zu können. Musik ist eine globale Sprache um Gefühle auszudrücken – und diese hat tausende, unterschiedliche Facetten. Bekannte Silhouetten aus iPod-Spots drückten dies mit einem aufgesetzten i-Punkt aus.
Streaming ist das neue Kaufen. Spotify, Rdio, Deezer und wie sie alle heißen bemerkten dies schon vor einigen Jahren und bauten jeder für sich eine eigene Streaming-Plattform auf. Für einen monatlichen Preis hat man Zugriff auf den gesamten Musikkatalog bei einem der genannten Anbieter. Das macht Kaufen überflüssig, bietet das Entdecken neuer Musik, hören der bekannten Songs und das Anlegen von Playlists – sprich einen uneingeschränkten Musikgenuss. Solch ein Abo hat man sich schnell geklickt und somit bin ich für ein halbes Jahr Spotify-Nutzer gewesen. Nicht glücklich, aber zufrieden, denn irgendwie vermisste ich doch immer die Musik-App unter iOS und das iTunes-Gebilde dahinter. Natürlich hat man auf iPhone, iPad und Mac die passende App für den neuen Streamingdienst, aber irgendwie ist es halt nicht das gleiche wie die letzten 12 Jahre. Ein Grund der Unzufriedenheit ist auch, dass man für Musik zwei Anlaufpunkte hat. Einmal die systemeigene Musik-App und die App des Streamingdienstes – auf dem Mac ist es iTunes und die Mac-App des Streaminganbieters. Zwei Anlaufpunkte, wenn man Musik hören möchte und damit – für mich – einer zu viel. Die Musik-App unter iOS und iTunes auf dem Mac bieten eine bemerkenswerte Hintergrundanpassung an das System und verbrauchen sehr wenig Energie. Spotify, selbst beim Abspielen von Offline-Playlisten, verbraucht hier gut und gerne das doppelte an Akku. Spotify brachte mir bisher nicht das, was ich erwartete und mir vorstellte – ein Grund wieso ich kein zahlender Kunde mehr bin und den monatlichen Beitrag ab Ende Juni auf/in einen neuen Dienst setze. Meinen Spotify-Premium-Account hatte ich mir übrigens als Option in meinen Telekomvertrag hinzugebucht – das macht den Dienst überall nutzbar, da das Streaming-Volumen nicht auf das Vertragsvolumen angerechnet wird. Das ist ganz nett und zeitgleich auch etwas erschreckend, wenn man das Thema Netzneutralität betrachtet. Am Rande erwähnt: Telekom teilte uns mit, dass man selbiges mit Apple Music vorerst nicht plant, da Cupertino auf die eigene Vermarktung besteht. Aber zurück zum Thema: Spotify brachte mir am Ende irgendwie keinen Mehrwert und strengte mehr an, statt Lust auf neue Musik zu vermitteln.
Man muss nicht der erste sein – aber man sollte der erste sein, der es richtig macht. Apple zeigte das mit dem iPod, dem iPhone, dem iPad, dem Mac und auch mit Diensten wie iTunes und der iCloud. Alles mit Sicherheit nicht bis in den letzten Winkel perfekt, aber alles mit der großen Eigenschaft ein funktionierender Teil in einem großen Ökosystem zu sein – die Apple Watch zeigt diese nahtlose Integration derzeit mehr als deutlich und ist dennoch gebunden an ein iPhone. Nichts passt in dieses Ökosystem besser hinein als die Musik – und so wie sich Hardware ändert, so müssen sich auch Dienste ändern und anpassen. Streaming ist das neue Kaufen und somit bietet der iTunes-Store seinen gesamten Musikkatalog zum Streamen an. Egal für welches Gerät und egal wo man damit ist. Diesen Dienst brandmarkt der Konzern mit einem unverkennbaren Wiedererkennungswert – „Apple Music“.
Apple Music ist ein Musikdienst, welcher Zugriff auf den gesamten iTunes-Katalog bietet. Für monatliche 9,99€ kann man so viel Musik hören wie man möchte. Ein Familien-Abo für 14,99€ macht dies für 6 Personen in einem Haushalt möglich – Voraussetzung ist hier die Familienfreigabe per iCloud. Die Titel werden mit 256 kb/s im AAC-Format wiedergeben. Dies ist zwar kein 320kb/s-Streaming, wie man es aus einem Premium-Account von Spotify kennt, sorgt aber dennoch für einen kristallklaren und hochwertigen Musikgenuss. Zumal man sagen muss, das 320 kb/s im OGG-Format mehr als Werbung anstatt eines wirklich hörbaren Endnutzen betrachtet werden sollte. Wieso also mehr Datenvolumen produzieren, wenn es in einem anderen Format genauso gut geht und klingt?! Hier setzte Apple in den letzten Jahren sowieso schon vermehrt auf optimierte Musikalben mit dem Label „Mastered for iTunes“. Apple Music lernt den Hörer nach und nach kennen und stellt sich auf seinen Musikgeschmack ein. Zu Beginn hilft hier eine kurze Auswahl von Lieblingsinterpreten und bevorzugten Musikrichtungen. Anhand dessen macht sich der Musik-Dienst eine grobe Vorstellung von der Musikvorliebe des Hörers und reagiert dementsprechend. Eine vorgeschlagene Playlist kann nach Belieben in ihrer Reihenfolge editiert werden. Auch kann diese als Offline-Playlist markiert werden und ist somit auch überall ohne Internetanbindung aufrufbar – klassische iTunes-Playlisten also. Es ist mehr wie logisch, dass der eingestaubte iPod dem Musik-Service Platz machen muss und somit keine direkte Platzierung mehr auf der Webseite erhält. iPhone, iPad und Apple Watch zeigen hier ganz klar, dass andere Geräte bei der ständigen Verfügbarkeit von Musik einfach überlegen sind und einen iPod überflüssig machen.
Bisher fehlen Apple noch einige Rechte von Künstlern, um deren Musikinhalte im Streamingdienst anbieten zu dürfen. So kann man beispielsweise keine Songs der Beatles streamen. Apple Music gleicht die iTunes-Mediathek allerdings mit dem iTunes-Store ab. Sofern also Songs der Beatles in der Mediathek vorhanden sind, stehen diese auf künftig zum Streaming bereit. Hier verhält sich Apple Music ganz klassisch wie iTunes-Match – denn Apple Music ist vom Konstrukt her prinzipiell iTunes-Match mit einer Streamingoption auf den restlichen iTunes-Katalog. Der Rest um die Sammlung zu vervollständigen. Beats1 ist ein integriertes Live-Radio – es wird 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und aus drei verschiedenen Radiostationen gesendet – New York, Los Angeles und London. Dabei handelt es sich nicht um ein Onlineradio welches eine vordefinierte Playlist rauf und runter spielt, sondern um treffende und passende Musikstücke, die von Menschen mit Musikkenntnis ausgewählt werden. Apple Music ist ein Gebilde, das auf die menschliche Erfahrung, die Detailliebe und das Schätzen von Musikkunstwerken aufbaut – kein Algorithmus kann dies auch nur ansatzweise leisten, verstehen oder nachahmen.
Apple war noch nie sehr erfolgreich im Kreieren von sozialen Netzwerken – Ping ist hier das beste Beispiel. Dennoch setzt der Konzern auf ein neues Netzwerk der Kommunikation zwischen Musiker und Fan – „Connect“. Diese Schnittstelle hilft nicht dem Fan – es hilft vor allem dem Künstler. Apple Music leistet das was der iTunes-Store in 2003 leisten sollte – der Musikindustrie ein neues und hilfreiches Werkzeug in die Hand legen. Ein zentraler Ort bei dem sich alles um Musik dreht. Weg mit Fanseiten von Künstlern auf Facebook und hinfort mit dem Folgen von Künstlern auf Twitter und Instagram. Alle Musik die man liebt, kennt und noch kennenlernen wird, inklusive einer Informationsanbindung an Lieblingskünstler/inen, findet man künftig an einem Ort – in Apple Music. Dieses Konzept lässt Künstler und Fans einen Fokus setzen und belässt die Konzentration an einem Ort.
„Apple Music is three things – it’s a revolutionary music service.“ – eine Anspielung auf die legendäre iPhone-Keynote in 2007. Leider verstand Jimmy Lovine dies bei der Vorstellung des neuen Music-Service nicht. Allgemein wurde Musik noch nie so uncharismatisch präsentiert wie auf der WWDC 2015.
Den Satz „One more thing…“ zu nutzen, wirkt hier mittlerweile fast schon makaber. In 40 Minuten wurde viel geredet und doch nichts gesagt – viel Musik demonstriert und doch nichts gezeigt. Apple Music fehlte in dieser Zeit ein Alleinstellungsmerkmal – ein Argument. „Thousand songs in your pocket.“ machte den iPod zu dem was er war – ein revolutionäres Musikabspielgerät. Das erste iPhone war ein Widescreen-iPod – „You can touch your music.“ Apple Music macht es sich hier zu einfach und ein mehrfach zu wiederholendes Argument wie „Access to all the music in the world.“ wäre ein treffender Punkt auf einer solchen Vorstellung gewesen. Und so ist es nicht unbegründet, dass ich während der Keynote einen Punkt wahrnahm, an dem ich selbst merkte „Steve Jobs ist wirklich tot…“.
Dennoch – Apple Music legt einen neuen, frischen Start als Service hin und greift dabei auf altbewährtes zurück. Bis auf die Android-Nutzer muss niemand eine spezielle App herunterladen, um diesen Musikdienst nutzen zu können. Fehlende Musikrechte von Künstlern und Plattenfirmen zu erhalten und neue Künstler in das Ecosystem zu holen, sollten ein leichtes sein. Eine vorinstallierte App auf allen iOS-Geräten, iTunes auf Mac und PC, eine dedizierte Apple-Music-App für Android, dreimonatiges, kostenloses Probehören aller Songs, ein Katalogumfang von über 43 Millionen Songtitel und 800 Millionen hinterlegte Kreditkarten in iTunes – verknüpft mit einer Apple-ID und einem iCloud-Account – sollten als Argumente ziehen und ausreichen. „All the ways you love music. All in one place.“ – und dies mit einem Start in insgesamt 100 Ländern gleichzeitig. Argumente welche die Konkurrenz bisher nicht bringen konnte und genau hier liegt der potentielle Erfolg des revolutionären Musikdienstes – die Reichweite. Apple Music setzt einen klaren Fokus – diesen auf allen Geräten, immer greifbar und ortsunabhängig. Künftig sollte Apple Music den gleichen Erfolg feiern können, den iTunes über viele Jahre hinweg feierte. So ist es bald sicher kein Zufall, wenn ein neues Musik-Album bei der Ankündigung den Titel „Available on Apple Music“ trägt.
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63 Gedanken zu „Apple Music – „Access to all the music in the world.““
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