Der HomePod kann seit Freitag in den USA, Großbritannien und Australien vorbestellt werden, damit verspätet er sich um mehr als einen Monat und kommt zudem vorerst ohne AirPlay 2. In der Redaktion gehen unsere Meinungen dazu auseinander, wir haben eine entsprechende Diskussion in Textform festgehalten.
Yanniks Position: Lieber später und fertig als früh und kaputt
Unvollständig und zu spät. Wenn ich eine Hausarbeit in dieser Form abgegeben hätte, fänden meine Dozenten das vermutlich nicht sonderlich lustig und in den meisten Fällen schon gar nicht verständlich. Genau in dieser Form liefert Apple nun seinen HomePod an Kunden aus, es handelt sich dabei aber zum Glück eben nicht um eine Hausarbeit, sondern um einen smarten Lautsprecher, der in Zukunft in Millionen Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmern in der ganzen Welt stehen soll. Im Nachhinein, wo wir von der Verspätung bei der Auslieferung und bei AirPlay 2 wissen, erscheint die Präsentation des HomePods auf der WWDC verfrüht. Über die Gründe für diese zeitige Präsentation lässt sich aus unserer Perspektive aus nur spekulieren, vermutlich wollte Apple interessierte Kunden bereits auf eine baldige Verfügbarkeit hinweisen und damit ein Abwandern zu Amazon oder Google verhindern. Darüber, wie erfolgreich diese Strategie am Ende sein wird, können wir aktuell keine Aussage treffen.
Spannender ist jedoch, dass Apple mit dem Verschieben des HomePod eine wichtige und, wie ich finde, verständliche Entscheidung getroffen hat: Den Kunden, die 349$ für den Lautsprecher bezahlen, will man ein fertiges und qualitativ hochwertiges Produkt liefern. Im Unternehmen dürfte man sehr lange am 2017-Start des HomePods festgehalten haben, nach interner Besprechung kam man dann jedoch, so vermute ich, zu dem Schluss, dass man bis Ende 2017 kein Produkt ausliefern kann, das den eigenen Ansprüchen genügt. Bedenkt man, dass die Kritik betreffend unfertiger Produkte an Apple in den letzten Monaten immer lauter geworden ist, ist die Entscheidung verständlich und, meiner Meinung nach, richtig.
Intern muss man in einer solchen Situation die beiden Möglichkeiten abwägen: Veröffentlicht man den HomePod pünktlich und hält damit das Termin-Versprechen, kann man die gewünschte Qualität nicht liefern und macht damit das ganze Produkt für Monate, vielleicht für Jahre oder gar für immer zum Gespött. „Erinnerst du dich, der HomePod damals? Wenn man den nach dem Wetter gefragt hat, wurde der warm wie eine Heizung und ist abgestürzt“ – oder so ähnlich. „Auch schlechtes Marketing ist Marketing“, könnte man jetzt sagen. Vor allem brennt schlechtes Marketing sich aber für lange Zeit in die Köpfe der Kunden ein.
Perfektes Marketing war die Verschiebung des Starts und die Veröffentlichung ohne AirPlay 2 ohne Frage auch nicht. Apple erhält sich damit jedoch die Chance, ein gutes Produkt mit guten Reviews auf den Markt zu bringen. Der positive Eindruck der ersten Reviewer, egal ob Technik-Presse oder Lifestyle-YouTuber, hält sich in den Köpfen der Kunden und möglichen Käufer deutlich länger.
Insgesamt ist der spätere Verkaufsstart und das Nachliefern ärgerlich, ich finde Apples Entscheidung aber nachvollziehbar und im Endeffekt richtig. Ich warte lieber zwei Monate mehr auf ein Produkt oder eine Funktion und kann es dafür ohne Fehler nutzen als mich mit zahlreichen Bugs und Abstürzen rumzuärgern.
Verspätungen sind eigentlich doch überflüssig
Ein Produkt, das es nicht gibt, fehlt auch niemandem.
Wenn wir über die Qualität von Produkten reden, sind wir eigentlich gar nicht wirklich verschiedener Meinung. Niemand kann ernstlich unausgereifte Produkte am Markt wollen und der Schaden an der Marke Apple, der durch ein Bananenprodukt zwangsläufig entsteht, ist tatsächlich immens. Daher würde ich immer Kollege Yannik zustimmen, wenn die Frage abgewogen wird, ob ein noch nicht ganz fertiges Produkt lieber noch etwas reifen soll, statt zu früh und unvollständig zu starten. Aber wieso muss es überhaupt immer zu solchen Rohrkrepierern kommen?
Wieso kündigt ein Unternehmen ein Produkt an, setzt sich durch Nennung eines halbwegs konkreten Launchtermins unter zusätzlichen Druck, nur um dann fast zwangsläufig den Schwanz einkneifen zu müssen, wenn klar wird, dass man sich zu viel vorgenommen hat. Wir sehen das in der gesamten Tech-Branche seit Jahren immer wieder, wobei ein Trend zu beobachten ist: Der Trend, eine Software, eine Hardware, einen Dienst oder irgend etwas völlig innovatives anzukündigen, das man dann lange, viel zu lange nicht liefern kann. Dabei stellt sich zumindest bei einem gänzlich neuen Produkt die Frage nach der Notwendigkeit. Ein Produkt, das es noch nicht gibt, kann vom Kunden auch nicht vermisst werden. Grundsätzlich hat ein Unternehmen also alle Zeit der Welt es erst in Ruhe zu entwickeln und dann vorzustellen. Bei eher kleineren Neuvorstellungen ist dabei auch die Geheimhaltung ein überschaubares Problem. Und wenn man schon meint, einen Termin nennen zu müssen, sollte man den nicht nach Maßgabe der mit der Entwicklung befassten Fachkräfte formulieren statt sich auf Zweckoptimismus aus der Marketingabteilung zu verlassen?
Beim HomePod war es wohl der Druck, einen Smart Speaker bringen zu müssen, nachdem der Echo so erfolgreich wurde und dann auch noch Google Home erschien, wenn ich auch hier dafür plädiert hätte, sich nicht von der Branche vor sich her treiben zu lassen. Ein Launch auf einem Spring-Event oder auch auf der WWDC 2018 mit einem voll ausentwickelten HomePod, den man sofort kaufen kann, ohne faule Kompromisse und ewiges Rumgeeier mit dem Termin, ja überhaupt mal die Angewohnheit, restlos fertige Produkte zu launchen, wie wäre das? Wäre toll, oder?
9 Gedanken zu „Verspätet und nicht mit allen Funktionen: Ein Redaktionsgespräch zum HomePod“
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