Apple gilt als hochpreisige Marke, die sich ihren Namen gut bezahlen lässt. Apple-Produkte sind im Allgemeinen entsprechend immer etwas teuerer als ihre Konkurrenten – dieser „künstliche“ Aufschlag wird häufig auch als „Apple Steuer“ bezeichnet. Doch in letzter Zeit bricht Apple mit dieser Regel. Dafür könnte es gute Gründe geben, meint Analyst Neil Cybart.
Mitte der 90er Jahre hat sich Apple mit dem Mac einen strategische Fehler erlaubt, kritisiert der Analyst Neil Cybart von Above Avalon: Statt den Marktanteil zu vergrößern, konzentrierte sich der Konzern noch stärker auf die besetzte Nische und veröffentlichte besonders teure Macs, mit denen das Management Profit aus den bestehenden Mac-Nutzern schlagen wollte. Damit geriet Apple angesichts des starken Windowsmarktes in Schwierigkeiten, neue Kunden zu finden. Ein Fehler, der sich nicht wiederholen sollte: Mit dem iPad fuhr das Unternehmen eine andere Strategie und versuchte, sich einen Großteil des Marktes zu sichern. Mit dem iPad Pro siedelt sich der Konzern nun auch in diesem Bereich verstärkt im Premiumsegment an, doch bei den Wearables geht man einen anderen Weg.
Leicht im Preis: AirPods
Einigen Kunden erscheint der Preis der kabellosen AirPods von 159 $ (179 €) relativ hoch – liegen die kabelgebundenen EarPods doch kostenlos jedem iPhone bei. Aber die AirPods sind keine normalen Ohrhörer: Die Kombination aus Accelerometern, optischen Sensoren, Apples neuem W1-Chip und dem gut durchdachten Ladecase machen sie zu kleinen Computern für die Ohren.
Entgegen der gängigen Praxis vieler Einkaufsführer sollten die AirPods nicht mit günstigeren kabelgebundenen Ohrhörern verglichen werden, mahnt Cybart. Neben unfairen Vergleichen mit kabelgebundenen Ohr- und Kopfhörern vernachlässigen die Einkaufsführer häufig den Hauptgrund für den Kauf kabelloser Kopfhörer, meint Cybart weiter: Ihr Wert läge in erster Linie nicht in einer besonders guten Klangqualität, sondern im zusätzlichen Komfort, den die Abstinenz der Kabel mit sich bringt. Apples extrem kleine und leichte Ohrhörer sind dabei besonders unauffällig und komfortabel.
Angesichts dessen ist der Preis der AirPods erstaunlich günstig ausgefallen – insbesondere, wenn man sich den Markt kabelloser Kopfhörer zum Marktstart von Apples AirPods im vergangenen September ansieht. Zu der Zeit gab es kaum günstigere Anbieter:
- Kanoa: $300
- Bragi Dash: $299
- Erato Apollo 7: $289
- Skybuds: $279
- Earin: $249
- Motorola VerveOnes+: $249
- Samsung Gear IconX: $199
- Bragi Headphone: $149
Mit Blick auf das Marktumfeld – und besonders auf Samsungs Gear Icon X – wäre ein Preis von 249 oder gar 299 $ für Apples AirPods wenig verwunderlich gewesen. Stattdessen setzte Apple einen Kampfpreis von 159 $ an und erschütterte damit den Markt. Noch vor 10 Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass Apple ein Produkt zu einem Preis auf den Markt bringt, der fast alle Konkurrenten unterbietet.
Um gegen die AirPods besser da zu stehen, senkten viele Konkurrenten in der Folge die Preise für ihre Produkte und sind dennoch deutlich teuerer geblieben. Während einige von Ihnen zusätzliche Funktionen bieten, mangelt es ihnen dennoch an dem erstklassigen Nutzererlebnis, welches der W1-Chip ermöglicht, urteilt Cybart.
Apple Watch: Mehr Leistung für weniger Geld
Ähnlich stehe es um die Apple Watch. Nachdem Apple den Einstiegspreis bereits im Frühjahr 2016 um 50 $ auf 299 $ reduziert hatte, ging mit der Einführung der Apple Watch Series 2 auch ein Upgrade der ersten Apple Watch einher. Sie trägt nun denselben leistungsstarken Dual-Core-Prozessor wie die Apple Watch Series 2 und den Namenszusatz „Series 1“. Trotz der Leistungsverbesserung reduzierte Apple den Einstiegspreis der Series 1 um weitere 30 $ auf nunmehr 269 $. Sie ist damit ebenfalls eine der günstigsten brauchbaren Smartwatches auf dem Markt, wie der Vergleich mit anderen Geräten dieser Klasse zeigt:
- Fossil Fenix 5: $599
- Garmin Forerunner 630: $399
- Michael Kors Access: $350
- Samsung Gear S3: $349
- Fossil Q Founder: $275
Selbst die Apple Watch Series 2 liegt mit Preisen ab 349 $ noch im unteren Segment. Damit ist die Preisdifferenz zu reinen Fitness-Trackern nur noch gering. Eine Apple Watch Series 1 kostet beispielsweise nur noch 70 $ mehr als ein Fitbit Blaze. Viele Kunden dürften angesichts des höheren Mehrwertes dann doch zur Uhr gegriffen haben, wie die guten Verkaufszahlen des Weihnachtsgeschäftes belegen.
Drei Theorien zu Apples Preispolitik
Neil Cybart hat gleich mehrere Strategien hinter dieser Preispolitik ausgemacht:
1.) Das iPhone in den Mittelpunkt stellen
Statt mit den AirPods oder der Apple Watch direkt Kasse zu machen, könnten diese als zusätzliche Kaufargumente für das iPhone dienen. So ist die Kopplung der AirPods mit dem iPhone und anderen Apple-Geräten beispielsweise besonders komfortabel gestaltet und die Apple Watch lässt sich erst gar nicht mit Smartphones anderer Hersteller verbinden. Die geringen Gewinne aus dem Verkauf der Wearables könne Apple mit den hohen Margen aufwiegen, die der Konzern an iPhones und in der Servicesparte verdient. Das iPhone ist jetzt schon Apples meistverkauftes Produkt und das ideale Gerät, um Kunden an Apple zu binden.
2.) Vorteil: Skalen-Effekte
Durch die gigantischen Stückzahlen, die Cupertino produzieren lässt, kann der Konzern die Fixkosten der Produktion auf Millionen Geräte verteilen, sodass diese sehr gering werden. Außerdem können Vorteile beim Einkauf einzelner Komponenten und eine hohe Auslastung der Produktionsstrecken erzielt werden, wodurch die Produktion insgesamt günstiger wird. Gibt Apple diese Preisvorteile an seine Kunden weiter, wird es für die Konkurrenz umso schwieriger, einen Fuß in die Tür zu bekommen.
3.) Mehr Kundensegmente
Mit den verschiedenen Preiskategorien spricht Apples Management noch mehr Zielgruppen an. Durch die geringen Einstiegspreise werden die Produkte für mehr Menschen verfügbar, während Premium-Modelle wie die Plus-Reihe des iPhones, das iPad Pro, die MacBook-Pro-Reihe oder die Apple Watch Hermés und Edition mit höheren Margen auf einkommensstärkere Schichten abzielt. Cybart erwartet, dass die AirPods für viele Menschen das erste Apple-Produkt sein werden. Nach dem Einstieg in die Apple-Welt folgen meist weitere Produkte, die dann Profit abwerfen. Eine clevere Strategie!
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