Die US-Warentester ConsumerReports haben dem Apple-Support weltweit die Bestnote bescheinigt. Sowohl im Online-Bereich als auch beim Telefonsupport sei der Technikkonzern marktführend. Die Zufriedenheit der Kunden ist mit 80% relativ hoch. Jetzt spricht die andere Seite.
Wir haben mit einer Apple Care-Mitarbeiterin im Ausland gesprochen. Um herauszufinden, was unter dem Radarschirm der Öffentlichkeit wirklich am anderen Ende des Hörers los ist, musste wir aber Anonymität zusichern – wie das häufig so ist. Die Schilderungen waren dennoch eloquent:
Du willst nicht wissen, was bei uns los ist. […] Letztes Jahr war es besonders schlimm, weil iOS 8 einfach den schlechtesten Start hingelegt hat. Wir haben 7 Tage die Woche 12 Stunden gearbeitet. Einen Monat lang. […] Jetzt gibt es die Apple Watch.
Im September herrscht für die Support-Mitarbeiter in der Regel Urlaubsverbot. So ist das auch in diesem Jahr. Und die Hinweise stehen so, als wird der Monat ebenso stressig, wie im vergangenen Jahr. iOS 9, neue iPhones, neue Software für die Apple Watch und den Mac lassen die Probleme und Fragen bei den Kunden wachsen. Die Folge: Überfüllte Hotlines. Das jedoch resultiert wiederum in unzufriedene Kunden und hat auch für die Mitarbeiter schwerwiegende Folgen:
Wir haben kaum Bonusgelder bekommen, weil die Bewertungen der Kunden grundsätzlich negativ ausfielen, da sie aufgrund der Wartezeiten und dem iOS an sich genervt waren.
Die Masse an Anrufen legt sich nach dem Start einer neuen Software auch nur sehr langsam, heißt es weiter.
Zwischen den Anrufen bei einem Mitarbeiter vergehen nur wenige Sekunden. Zeit zum Durchatmen bleibt da wenig. Die Anfragen sind verschiedener Art – es gibt schwierigere und leichtere Kunden, erzählt uns die Mitarbeiterin. Manchmal ist man auf einer Wellenlänge, oft aber müsse man sich zusammenreißen. Es gilt, immer freundlich zu bleiben. Jeden Morgen checkt sie nach Arbeitsbeginn die Feedbacks vom vergangenen Tag. An einen Tag kann sie sich noch genau erinnern:
7:30 Uhr. Stunde der Wahrheit: Feedbacks checken. Man merkt quasi die Spannung in der Luft. Drei negative Bewertungen! „Die Wartezeit war zu lang, unakzeptabel“ , „Die Wartemusik macht mich agressiv“ , „Die Mitarbeiterin war nett, aber dass ich nun 5 Tage ohne iPhone leben soll, das kann es doch nun auch nicht sein.“ – […] Danke für 200 Euro weniger diesen Monat.
Wir wissen nicht, wie die Arbeitsbedingungen in den Call Centers von Apple Care im Allgemeinen sind. Dieser Fall zeigt jedoch, dass insbesondere nach Produktveröffentlichungen die Arbeit und der Stress der Mitarbeiter rapide zunimmt, während der Lohn dank negativer Bewertungen weiter sinkt. Ein Teufelskreis, gegen den der Support-Angestellte kaum etwas tun kann.
UPDATE 11:01 Uhr, 23. Juli: Eine weitere, ehemalige Mitarbeiterin meldet sich uns gegenüber zu Wort. Sie nennt sich Gabi und schreibt:
Apple hat die meisten Callcenter outgesourct. Und die Anforderungen an diese Supporter sind absolut unterirdisch. Ja, es gibt ein Bonussystem. Beispiel gefällig? Hilfst du dem Kunden und überschreitest dabei permanent deine dir zugewiesene “Helferzeit” -> Bonus am A****… Hältst du die Zeit im Level, kannst aber dem Kunden vielleicht nicht wirklich zu VOLLSTER Zufriedenheit helfen… schlechte Bewertung -> Bonus am A****. Die Bewertungen sind so aufgelistet, dass der erste Punkt nach der Gesamtzufriedenheit mit Apple fragt, erst danach kommen die Punkte mit der Mitarbeiterzufriedenheit. Wenn nun der Kunde mit dem Mitarbeiter völlig zufrieden war, sich aber über z.B. die Wartezeit an der Hotline gestört hat oder ein Staubkorn auf dem Iphone war (Ironie), dann bewertet er es niedriger am ersten Punkt (Apple). Den Mitarbeiter lobt er natürlich oder will sogar eine Lohnerhöhung für ihn (alles schon da gewesen). Das fatale aber ist, in den Bonus fließt AUSSCHLIESSLICH.. der 1. Punkt -> Bonus am A***, obwohl du als Mitarbeiter 100% super Arbeit geleistet hast. […]
Ihr wundert Euch, dass die Mitarbeiter meist so gut ausgebildet sind? Dort sitzen mitunter studierte Leute, Fachinformatiker usw., die sonst in ihrer Gegend (Rumänien, Griechenland…) keinen Job mehr bekommen (mögliche Überqualifikation). Und die MÜSSEN sich von irgendwelchen frustrierten Kunden (nicht alle) bepöbeln, beleidigen und zeitweise sogar bedrohen lassen. Und dabei freundlich bleiben, sonst ist ja der Bonus weg, wenn gerade wieder mitgehört wird. […] Aber es gibt auch die guten Kunden […].
Ich persönlich möchte nur an die Kunden appellieren – am anderen Ende der Leitung sitzt ein MENSCH. Ein Mensch, der auch Sorgen und Probleme hat, der vielleicht zu Hause jemanden pflegt oder 3 Kinder hat.
Er hat es verdient, genauso mit Respekt behandelt zu werden, wie IHR es wollt. Er ist bestrebt, euch (im Rahmen seiner Möglichkeiten) zu helfen. Er will ja schließlich auch was verdienen. Und man kann (selbst wenn man völlig frustriert ist).. auch mal ein nettes Wort einwerfen. Der Mitarbeiter hat eventuell 20 Anrufe pro Stunde… das wären 20 Worte, die wahnsinnig gut tun. Den Kunden UND den Mitarbeitern.Und nein, ich arbeite nicht mehr dort. ich habe es einfach nicht mehr ausgehalten.
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