Amazon und Apple haben gestern angekündigt, Apple Music ab Mitte Dezember auch für Echo-Geräte anzubieten. Ich habe einige Gedanken dazu gesammelt und für euch aufgeschrieben.
Apple Music ist seit dem Start im Sommer 2015 nicht nur in mittlerweile über 100 Länder ausgerollt, sondern erfreut sich nicht nur unter iOS-Nutzerinnen großer Beliebtheit. Im Mai 2018 hatten rund 50 Millionen Menschen ein bezahltes Musik-Abo bei Apple abgeschlossen, inzwischen dürfte die Zahl weiter gestiegen sein. In den USA soll Apple inzwischen sogar etwas mehr zahlende Kundinnen verzeichnen als Spotify, vermutete Digital Music News im Juli. Neben der nahtlosen Integration in das Apple-Ökosystem spielt vermutlich aber auch die Android-App von Apple Music bei der Akquise von Kundinnen eine nicht ganz unwichtige Rolle – immerhin kommt diese laut Googles Play Store auf über 10 Millionen Installationen.
Mehr Services für alle!
Mit der Bereitstellung des Dienstes für alle Echo-Geräte erweitert Apple erneut seine Zielgruppe und erschließt eine neue Plattform, Amazon spricht intern von rund 50 Millionen verkauften Alexa-Geräten. Natürlich werden diese Geräte in Zukunft nicht alle ihre Musik über Apples Dienst beziehen, das Angebot wird durch die breitere Verfügbarkeit aber doch attraktiver. Für Apple zählen die Music-Einnahmen in die Services-Sparte, die in den letzten Jahren regelrecht explodiert ist – vermutlich nicht nur aufgrund von 99 Cent-iCloud-Abos. Durch dieses Wachstum der letzten Jahre sind die Services für Apple langfristig immer wichtiger geworden, im Gegensatz zum einmaligen iPhone-Kauf werfen sie monatlich einen gewissen (wenn auch geringeren) Betrag ab. Ein Streaming-Dienst für Filme und Serien aus Cupertino, wann und in welcher Form auch immer dieser tatsächlich kommen mag, ist Teil dieser langfristigen Investition in Einnahmequellen abseits von Geräteverkäufen. Nötig ist diese Strategie vor allem, weil die verkauften Geräte irgendwann ein Plateau erreichen und nicht mehr in einem umwerfenden Maß wachsen können. Irgendwann besitzen die meisten Menschen dieser Welt, die sich danach sehnen, ein Smartphone, später dann auch ein Tablet oder einen Computer. Im Gegensatz zu uns in der Redaktion und euch vor der Apfelpage-App oder -Webseite ist für eine Mehrheit der Menschen mit ihrem iPhone 7 oder sogar, kaum vorstellbar!, iPhone 4s ganz zufrieden. Der Grund: Es telefoniert, zeigt WhatsApp und Facebook an und spielt ab und zu noch Quizduell und Candy Crush.
Apple Music als Pull-Faktor
Die Ausbreitung von Apple Music auf neue Plattformen bietet dabei nicht nur eine Möglichkeit, eine wiederkehrende Einnahmequelle zu schaffen, sondern sie kann auch als Einstiegsdroge in das Apple-Ökosystem dienen. Offizielle Zahlen dazu, wie viele Menschen Apple Music zuerst ausschließlich unter Android genutzt haben und später dann auf iOS und/oder macOS umgestiegen sind, werden wir wohl nie bekommen, ich tippe aber zumindest auf eine nicht ganz zu vernachlässigende Menge. Ich kann mir vorstellen, dass einige Leute Apple Music – aus welchem Grund auch immer – zuerst unter Android nutzen und dann merken, dass die Integration in das System (inklusive Siri, aber dazu unten mehr) unter iOS noch besser ist und damit das Erlebnis verbessert. Einen ähnlichen Effekt kann ich mir mit Apple Music auf den Echo-Geräten auch vorstellen. Spannend wäre hier vor allem, ob diese Nutzerinnen dann eher den HomePod als ihr erstes Apple-Gerät kaufen.
Was ich sagen will: Apple Music kann sowohl unter Android als auch auf Amazons smarten Lautsprechern als Pull-Faktor dienen, der beim anstehenden Smartphonekauf vielleicht zur Anschaffung eines iPhone und eben nicht dem aktuellen Konkurrenzprodukt mit Android führt. Die Zahl der Plattformen, auf denen dieser Pull-Faktor seinen Wirkung entfalten kann, zu erweitern, ist daher vollkommen konsequent und für Apple ein richtiger Schritt.
Nur Siri mag Grenzen
Widmen wir uns zum Abschluss noch kurz Siri. Auf den Echo-Geräten kann der Standarddienst für Musikkommandos ausgewählt werden – ab Mitte Dezember wird auch diese Liste vermutlich um Apple Music ergänzt. Ruft man seinem Echo also „Spiele Lieder von Farin Urlaub“, leitet dieser das entsprechende Kommando an den ausgewählten Dienst weiter. Selbst wenn der Dienst nicht als Standard eingestellt ist, spielt das Kommando „Spiele Farin Urlaub bei Spotify“ über den genannten Dienst die gewünschte Musik ab. Spotify-Nutzerinnen unter iOS dürften wissen, dass Apple selbst an dieser Stelle deutlich restriktiver ist. Egal ob ich Spotify, Deezer oder Amazon für meinen Musikkonsum nutze, wenn ich Siri um die Lieder von Farin Urlaub bitte öffnet sich Apples Musik-App, die mich um ein Abo bittet. Selbst wenn ich den Dienst explizit nenne – mal von Siris Verständnisproblemen bei nicht-deutschen Worten abgesehen – kann Apples Assistent mir nicht helfen: „Das tut mir leid, ich kann keine Wiedergabe bei Spotify starten“. Als ich gestern die Nachricht zu Apple Music und Amazon gelesen habe, hat vor allem dieser Aspekt mich geärgert: Apple profitiert von der Offenheit Amazons – die selbst auch im Musikstreaming-Geschäft mitmischen wollen! – und baut selbst aber eine unüberwindbare Mauer um Siri.
Natürlich ist Apple nur bedingt dazu verpflichtet – Leserinnen mit Ahnung von Wettbewerbsrecht mögen mich hier gerne in den Kommentaren korrigieren! – Dienste von konkurrierenden Unternehmen genau die gleichen Privilegien wie dem eigenen Dienst auf der eigenen Plattform einzuräumen, allerdings bringt Abschottung (nebenbei bemerkt: nicht nur bei Musikstreaming) nichts. Mit Shortcuts, die Spotify bisher leider noch überhaupt nicht implementiert, hat Apple sich ein bisschen geöffnet – prinzipiell wäre ein Shortcut, der eine bestimmte Playlist oder ein ausgewähltes Album abspielt denkbar – die Auswahl eines Standard-Dienstes für Musik fehlt weiterhin und sorgt vor allem dafür, dass Menschen ohne Apple-Music-Abo sich genau darüber ärgern. Zeitgleich profitiert Apple aber, wie gesagt, von anderen Plattformen, die sich zumindest in diesem Aspekt offener geben.
Insgesamt ist Apples Ausweitung auf Amazons Echo-Plattform also, denke ich, begrüßenswert. Mittelfristig dürfte sie zu mehr Apple Music-Nutzerinnen führen und langfristig vielleicht sogar mehr Apple-Geräte jeglicher Ausgestaltung verkaufen. Der Sportler in mir findet es allerdings unsportlich, von der Fairness anderer zur profitieren und sich selbst durch Abschottung genau dieser Fairness zu verwehren.
Wie steht ihr zu dem Thema? Denkt ihr, dass Apple mit der Ausweitung einen richtigen Schritt macht? Bricht der Konzern durch eigene Abschottung die ungeschriebenen Fairness-Regeln? Und ganz allgemein: Welchen Streaming-Dienst nutzt ihr? Lasst uns in den Kommentaren wissen!
8 Gedanken zu „Über Services, Pull-Faktoren und Fairness: Gedanken zu Apple Music auf den Echo-Geräten“
Die Kommentare sind geschlossen.