Kommentar: Es hatte einen speziellen Grund, wieso Steve Jobs persönlich die iCloud vorstellen wollte. Trotz schwerer Krankheit rappelte er sich auf, um zur WWDC 2011 das Ergebnis einer langen Vision zu präsentieren. Der Abend galt ihm und seiner Fähigkeit etwas großes anzukündigen. Und das war es. Die Veröffentlichung löste die Seile und ließ die iCloud abheben.
Steve Jobs war schon lange der Meinung, dass Computer in der Zukunft ihr jetziges Wesen verändern und in die Cloud wandern. Dabei symbolisiert die Cloud den direkten Speicherbaustein des Gerätes und lässt es überall fungieren. Seine Vision, seine Daten immer und überall dabei zu haben, wurde letzten Endes Realität. Wenn auch mit so manchem Wolkenbruch. Denn MobileMe machte bei Apple den stürmischen Anfang des Cloud-Computing. Der kostenpflichtige Service war dafür ausgelegt Daten über mehrere Geräte hinweg zu synchronisieren – sprich alle Geräte auf einem Datenstand zu halten. Das Hauptziel der Datensynchronisierung war das Abgleichen von Kontakten, E-Mails und dem Kalender. Auch Fotos konnte/sollte MobileMe zuverlässig mit der iPhoto-Bibliothek abgleichen. Die iDisk war eine Funktion von MobileMe, womit der Onlinespeicher als virtuelle Festplatte genutzt werden konnte. Das alles sollte das lästige Synchronisieren per Kabel zum Abdanken bringen. Doch MobileMe war eher ein kleines Regenwölkchen, denn der Service war für Nutzer eher unattraktiv und funktionierte zeitgleich auch sehr sporadisch. So klappte der Push-Service teilweise gar nicht, oder die Nutzerlast war in gewissen Momenten zu hoch, dass es Aussetzer bei Synchronisierungen gab. Doch trotzdem war MobileMe der Anfang eines Anfangs, denn wer aufpasst und weiter denkt, der erkennt hier eine systematische Vorgehensweise.
MobileMe wurde nur 4 Jahre alt und im Juli 2012 eingestellt. Pardon – MobileMe wurde abgelöst. Das neue Konzept nannte sich iCloud und sollte den Cloud-Computing-Service auf ein neues Level anheben. Diese neue Form der Zukunftsvision war das Endergebnis einer langen Überlegung. Zwar sollte diese schon MobileMe sein, doch Steve erkannte die Fehler an dem Service und überdachte ihn. Die iCloud bekam gleichrangige Funktionen zugesprochen und ermöglichte das automatische Abgleichen von Kontakten, E-Mails, Kalendern, Notizen, und Erinnerungen. iCloud wurde ein fester Bestandteil von iOS 5, womit auch iMessage Einzug hielt und ein fester Baustein der iOS-Plattform wurde. Nebenbei – auch Siri erlebte ihr Debüt mit iOS 5. Und auch die Konfigurationen eines iOS-Gerätes konnten ab sofort als Backup in die Cloud ausgelagert werden und als Systemwiederherstellungspunkt genutzt werden – das macht einen Gerätewechsel schnell und einfach. Safari-Lesezeichen werden ebenso geräteübergreifend auf einem Stand gehalten. Die iCloud sollte alles das besser machen, was MobileMe vergeigte. Die Apple-Wolke begann damit ihren Himmelsflug und war mit ihrem Abheben erst am Start ihrer langen Technologiereise.
„Dokumente in der iCloud“ ist sicher das interessanteste Funktionsgebiet. Denn es zeigte das, was wir ab iOS 8 und OS X Yosemite nutzen – iCloud-Drive. Dabei werden die Dokumente auf einem Onlinespeicher abgelegt und sind plattformübergreifend abrufbar – auch unter Windows und auch in jedem Browser per icloud.com. Der Anfang eines Anfangs. Somit wurde aus der altbekannten iDisk das iCloud-Drive. Darüber freuen sich vor allem die iWork-Anwendungen, die ihre Daten nun in keinen blinden Speicher mehr schreiben müssen, sondern den genauen Speicherpfad zeigen – der vom Nutzer einsehbar und änderbar ist. Auch die Anwendungen selbst wurden als mobile Webanwendungen ausgelagert und fungieren in jedem Browser. Eine Suite, die immer cloudbasiert auf dem neusten Stand gehalten wird – der Nutzer muss sich nur auf das reine Arbeiten konzentrieren. Es zeigt auch, dass die Gerätebindung verschwindet und man frei wählen kann, wo man an seinen Dokumenten arbeiten möchte. Und doch könnte iCloud-Drive den Dateistamm auch auf iOS ermöglichen – denn der Dateizugriff ist hier bisher nur per direkter Anwendung möglich. Eine Standalone-App fehlt – wäre aber sehr wünschenswert, um den Dateisystemwandel überall zu erblicken.
Doch womit Apple schon immer seine Schwierigkeiten hatte ist das Thema „Fotos“. Wieso auch immer, aber diese Thematik wurde von Apple schon gefühlte 1000mal behandelt, angegangen und wieder abgebrochen. iCloud sollte das besser machen und mit einem Fotostream ganze 1000 Fotos für 30 Tage abrufbar machen und das in voller Bildauflösung. Einen Endnutzen und wirklichen Speicherersatz für Bilder war dies aber bisher trotzdem nicht. Auch die Anbindung an iPhoto war eher unschön gelöst. Zwar kann man mit iPhoto schon lange Zeit die Bilder seines iOS-Gerätes auf den Mac übertragen und sortieren, doch das Synchronisieren vom Mac zum iOS-Gerät zurück funktionierte nur über iTunes und die direkte Ordner- bzw. Pfadwahl in den Synchronisierungseinstellungen. Wie erklärt man das jemandem, der völlig neu im Apple-Gewässer schwimmt, auf einfache und plausible Weise? Fotos waren immer ein Hauptargument für ein iPhone mit seinen stetig wachsenden Kameraeigenschaften und zugleich war es immer das schwierige Thema, wie man die Weiterverwertung der Bilder optimieren kann. Dieses Problem löste die iCloud bisher nicht – könnte sie aber ab 2015. Denn dann kann auch der Mac via iCloud auf eine Onlinemediathek an Fotos zugreifen. Zudem auch jedes iOS-Gerät, jeder Windows-Computer und auch per Weboberfläche kann der Zugriff darauf durchgeführt werden. Vielleicht ist dieses Gebiet vom Grundsatz endlich erobert und braucht am Ende nur noch jährliche, serverseitige Updates, um die feinen Knitterfalten herauszubügeln und das Fotoerlebnis endlich auf einen einheitlichen Nenner zu bringen. Synchron, plattformunabhängig und somit cloudbasiert.
Und trotzdem bin ich noch kein Freund von Fotos in Cloudspeichern. Zwar bin ich ein großer Fan und täglicher Anwender von iCloud, meide aber gewisse Funktionen absichtlich. So sind jegliche Fotodienste darunter deaktiviert und auch den iCloud-Schlüsselbund nutze ich ungern. Für mich gehören Bilder, welche mir sehr persönlich erscheinen (unabhängig vom Bildinhalt), an einen Speicherort von dem ich weiß, wo er ist – und das Gefühl bietet mir keine Cloudlösung – außer mein eigener Homeserver zu Hause. Das gleiche Spiel mit Passwörtern und Kreditkarteninformationen. Zwar nutze ich 1Password zur Organisation meiner Passwortsammlung und synchronisiere diesen Datenstand per iCloud zwischen iOS und OS X – doch hier ist der Gedanke etwas anders. Denn dies hat für mich den Hintergrund zu wissen, dass das Backup verschlüsselt übertragen und gesichert ist. So halte ich den Passwortbestand per iCloud synchron – sichere allerdings keine der Daten in den iCloud-Schlüsselbund. Sicherlich sind Passwörter genauso bzw. noch persönlicher als es Fotodateien sind und ich widerspreche mich somit in meiner Ansicht – doch ich habe diesen Schritt so gewählt. Zumal mir die iCloud nicht den kostengünstigen Massenspeicher für meine Fotosammlung bieten kann – mein Heimserver mit seinen 8TB hingegen schon. Auch ein Grund, wieso ich kein Dropbox-User bin und mit meiner eigenen Wolke agiere.
iCloud-Drive ist bei mir aktiviert, wird aber nur für Dokumente genutzt. So landet jede handgeschriebene Kolumne per Pages im iCloud-Drive und kann überall weiterbearbeitet oder korrekturgelesen werden. Ein Feature der iCloud, welches mir meinen Workflow sehr erleichtert hat. Jeder sieht diese Thematik über Clouddienste und speziell die iCloud etwas anders und manch einer leider viel zu locker – es sind Cloud-Prinzipien, die sich jeder selbst wählen muss, um am Ende mit ruhigem Gewissen und gelassener Nutzung auszukommen.
Mit iOS 7 und iOS 8 wurde der Funktionsumfang der iCloud nochmals stark erweitert und ausgebaut. iOS 8 und OS X Yosemite arbeiten dadurch enger zusammen, als es jemals zwei Betriebssystem getan haben. Natürlich gibt es auch hier immer noch Ecken und Kanten, die darauf warten abgerundet zu werden. Dies betrifft immer noch iMessage – auch wenn mittlerweile so mancher Bug verschwunden ist – hier gilt es am Ball zu bleiben und Funktionen cloudbasiert zu perfektionieren. Gerade das Thema Sicherheit hat Apple mit der iCloud auf ein ganz neues Level angehoben, denn „Mein iPhone suchen“ bindet jedes Gerät an eine feste Apple-ID in der Wolke. Ein gestohlenes iOS-Gerät nach einem Wiederherstellungsprozess einfach zu entlocken ist schier unmöglich – ist die Bindung immer noch an die Apple-ID und das zugehörige Passwort gesetzt und in der iCloud abgelegt. Auch das Fernlöschen, das Orten und das setzen eines neuen Gerätecodes ist dadurch durchführbar. Und selbst die Podcast-Abonnements werden per iCloud über alle Geräte synchron gehalten – heimlich, still und leise im Hintergrund. Und trotzdem gibt es noch gewisse Dinge der iCloud stetig zu verbessern – die Zwei-Phasen-Authentifizierung sollte so nur ein Anfang der Sicherheitsperspektive sein.
Steve Jobs hatte demnach Recht als er meinte, dass die Geräte ihr Wesen ändern und mit ihren Daten nur noch in der Cloud fungieren. Seine Vision wurde wahr und wird sich in den nächsten Jahren stetig weiterentwickeln und verändern. Ein Kind, das krabbelt und langsam das Laufen lernt. Dabei wird es Stolpersteine geben, wie es sie in jeder Entwicklungshistorie gibt. Die Funktionen, welche die iCloud künftig übernehmen wird, übersteigen derzeit noch die Vorstellungskraft der Endkunden – um an dieser Stelle nur „HomeKit“ als kurzes Argument zu nennen. Cloud-Computing wird demnach der zentrale Punkt sein, über den der Nutzer und das Gerät ihre Aufgabengebiete abwickeln – aber vielleicht trotzdem immer mit dem bitteren Beigeschmack, die Herrschaft über seine Daten aus den eigenen Händen zu geben und so alt eingesessene Cloud-Prinzipien selbst zu überdenken. Auch ich…
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45 Gedanken zu „Wolkige Cloud-Prinzipien“
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