Einmal kurz die Hand heben: Wer war bei der gestrigen Vorstellung von Apple Music sofort rundum überzeugt und würde Spotify und Co. auf der Stelle verlassen? Wahrscheinlich kaum jemand.
Apples Produktpräsentation am gestrigen Abend war schwächer, als man es sich erhofft hatte. Aus dem "One more thing" wurde ein Abklatsch der bisher bestehenden Streaming-Angebote in Verbindung mit Funktionen, die nicht neu sind. Apple Music sticht kaum heraus.
Persönlichkeit im Vordergrund
Scrollt man durch die Website des Konzerns, so entsteht sehr schnell das Gefühl, dass Apple vor allem eines in den Vordergrund stellt: Ein Streaming-Dienst, der sich anpasst auf den persönlichen Musik-Geschmack – und das nicht mit Algorithmen, sondern mit Experten, die Ahnung haben und die Musik lieben. Doch wer will das schon bewerten bei etwas so individuellem wie Musikgeschmack?
Die Persönlichkeit, die Anpassung der Playlisten und vorgeschlagenen Alben und Titel stehen ja bei jedem Streaming-Dienst irgendwie im Vordergrund. Bei Apple ist das nicht anders. Neben einer 30 Millionen Songs schweren Musik-Datenbank, aus der der Nutzer nach Belieben fischen kann, stehen bei Apple Music kuratierte Playlisten zur Verfügung. Entweder im "For You"-Bereich, wo die Listen und Alben eben auf den persönlichen Geschmack ausgerichtet sein sollen, oder im "Neu"-Bereich, wo Listen von Experten zusammengestellt werden, die jeden noch so kleinen Winkel des Musik-Universums erkunden.
Playlisten zum Entdecken von Musik
Das ist auch so ein Punkt, den Apple nicht oft genug betonen kann: Apple Music hilft, neue Musik zu entdecken. Mitarbeiter des Konzerns gehen zu Festivals und kleinen Auftritten von Sängern, die Potenzial haben, aber vielleicht noch auf keiner Weltbühne standen. Diese Sänger werden von Apple gefördert, erscheinen öfter in Playlisten und erlangen so Aufmerksamkeit. Für den Nutzer hat es den Vorteil, dass er Musik hören kann, die er nicht kennt. Musik von morgen, wie Apple es bezeichnet. Aus allen Ecken der Welt – an einem Ort mit wenigen Klicks erreichbar.
Das ist es, was Apple vermitteln will: Das redaktionell verlesene Angebot ist einerseits so persönlich wie nie und andererseits so vielseitig wie nie. Welcher Streaming-Dienst behauptet das von sich nicht, abgedroschene PR-Aussagen, die selbst bei Apple nicht mehr wirken.
Beats 1: Apples Internetradio
Und dann kommt noch das Radio dazu, als Erweiterung zu Apple Music. Neben den bereits aus iTunes Radio bekannten Sendern bietet Apple nun auch ein eigenes Radio an: Beats 1. Vierundzwanzig Stunden am Tag von drei Musikliebhabern am Laufen gehalten, soll das Internetradio nicht nur exklusive neue Mixes von Star-DJs und Lieder präsentieren, sondern auch mit Interviews und Talks aufwarten. Ein Internetradio als neuster Hit? Irgendwie erscheint mir die Idee nicht so recht in die Zeit zu passen.
Die soziale Komponente: Connect
Ähnliches lässt sich über "Connect" sagen, Apples neuste Plattform, sich mit Künstlern in Verbindung zu setzen. Dabei hat jeder Songwriter eine eigene Homepage, die er betreuen kann und mit Videos, Texten, Musik oder Bildern füttert. Jeder Post, den er in Connect absetzt, kann nicht nur von den Apple Music-Mitgliedern geliked, geteilt oder kommentiert werden, sondern wird bei Bedarf gleichzeitig auch an Twitter und Facebook gesendet. Apple Music dient hier also als der zentrale Ort für Künstler und ihre Fans. Apple erhofft sich dabei allerlei exklusiven Content. Wir sind skeptisch. Kennt ihr noch PING? Eben.
Was bekommt man für sein Geld?
Am Ende des Tages weiß man nicht so recht, wo man Apple Music einordnen kann. Mit 9,99 Dollar (Euro Preise sind nicht bekannt) und 30 Millionen Songs im Gepäck gibt es objektiv gesehen nichts, was gegen oder für das Angebot spricht. Spotify hat ähnlich viele Songs und kostet das gleiche. Apple kann schlussendlich nicht überzeugen – zumindest noch nicht. Das was gestern gezeigt wurde, ist nicht revolutionär. Bei weitem nicht. Das einzige, was dem Dienst noch abgewonnen werden kann, ist die tiefe Integration in Siri. Selbst auf Fragen wie "Welcher Sing war im Februar 2011 Platz eins der Charts" findet die Sprachsteuerung eine Antwort. Das ist löblich.
Wer den Dienst ab 30. Juni drei Monate lang kostenlos probieren will, sollte dies tun. Danach verlangt Apple 9,99 Dollar im Monat. Bei Familien mit bis zu sechs Kindern 14,99 Dollar. Auf allen Plattformen kann das Programm genutzt werden, wobei die Apple TV- und die Android-App erst im Herbst folgen.
Auch ohne Abo stehen drei Basisfunktionen von Apple Music zur Verfügung: Wer mit der Apple ID eingeloggt ist, kann sich die Homepages auf Connect ansehen, Künstlern folgen sowie das Beats 1-Radio hören. Die weiteren Sender gehen wie bei iTunes Radio ohne Abo nur mit Werbung. Mit Abo lassen sich alle Radio-Sender werbefrei genießen, ein unbegrenzter Zugang zu Musikbibliothek steht offen, eine Offline-Wiedergabe ist inbegriffen, Connect-Inhalte lassen sich abspielen oder laden und die eigene Musik Sammlung kann in Apple Music eingepflanzt werden.
Apple Music, die neuste Errungenschaft aus Cupertino, wird sich beweisen müssen.
Apple Music im Video
https://www.youtube.com/watch?v=Y1zs0uHHoSw
Werbespot für Apple Music
https://www.youtube.com/watch?v=BNUC6UQ_Qvg
75 Gedanken zu „Apple Music: Ein ganz normaler Streaming-Dienst“
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