Kommentar: Navigation betrifft uns heute alle und ist uns fast tagtäglich gegenwärtig. Egal ob es das Navigationssystem im Auto, der Einheimische den wir in einer fremden Stadt nach dem Weg fragen oder das iPhone ist. Ohne den genauen Weg zu kennen, kommen wir heute nirgends mehr an. Früher waren Straßenkarten das A und O, wenn es um das Erreichen eines Ziels ging. Heute ist es die Elektronik, die uns die Zielsuche erleichtert und uns so das Denken abnimmt. Die Elektronik ist teilweise Fluch und Segen zugleich. Habe ich früher in einer fremden Stadt einen Bewohner nach dem Weg gefragt, so ist es heute mein iPhone das ich befrage. Zwar geht die digitale Wegsuche teils schneller und genauer, doch der persönliche Kontakt im Umfeld ist damit wieder einmal geschrumpft. Wie auch immer – so verflucht manches sein mag, soviel Segen bringt die Technik auch mit sich.
Mit iOS 6 ging Apple einen mutigen Schritt, denn statt den bekannten Google-Maps integrierte der Konzern eine hauseigene Karten-App. Die Apple-Maps. Zu Beginn war das Geschrei um den Kartenwechsel enorm, denn die Apple-Karten waren sehr fehlerhaft und ungenau. Teilweise fehlten Kartendaten komplett, oder waren schon stark in die Jahre gekommen und damit veraltet. Das hatte zur Folge, dass Leute sich verliefen, verfuhren oder schon längst geschlossene Geschäfte vorgeschlagen bekamen. So wurde auch gerne mal ein Feldweg schnell zur Autobahn – auf den ersten Blick nicht sichtbar, in der Praxis aber auffallend. Der Umstieg war ein großes Debakel, welches man teilweise aber auch objektiv betrachten musste/muss, um die genauen Fehler und die Fehlerthematik dahinter zu verstehen. Grund des Kartenwechsels war die Sturheit Googles, die für iOS die Google-Maps nicht überarbeiten wollten – denn Apple forderte von Google eine Turn-by-Turn-Navigation. Google stellte sich stur, verneinte die Forderung mehrmals und wurde kurzerhand als Standardkartenanwendung aus iOS verbannt. Und wenn man schon dabei war, wurde auch die YouTube-App gleich mit rausgeworfen. Ein mutiger Schritt von Apple, denn nun musste ein eigener Kartendienst her.
Scott Forstall, damaliger Chef der iOS-Entwicklungsabteilung, bekam diese Aufgabe zugesprochen. Das Endergebnis waren die auch heute noch genutzte Apple-Maps, die mit iOS 6 Einzug in das mobile Betriebssystem erhielt. Das Kartenkonzept war gut durchdacht und die Anwendung leicht und verständlich – doch, wie schon geschildert, leider extrem fehlerhaft. So fehlerhaft, dass Apple sogar andere Karten-Apps empfahl. Durch den riesigen Flop und auch die Kollisionen zwischen Tim Cook und Scott Forstall, musste Forstall am Ende die Sachen packen und Apple verlassen. Seine Apple-Ära ging somit nach 20 Jahren zu Ende. Um genau zu sein war er seit 1992 bei Steve Jobs Firma NeXT, die 1996 von Apple gekauft wurde und er von da an in der Entwicklungsabteilung von OS X und später von iOS arbeitete.
Die Apple-Karten und das zugehörige Desaster wurden Jonathan Ive übergeben, der fortan schauen konnte wie er den Karren aus dem Dreck zieht. Mit etwas Geschick glückte ihm das auch, wenn auch in kleinen Schritten. Wichtig war einen Faden durch die Anwendung zu ziehen und den Überblick zu behalten. So wurden klare Strukturen geschaffen, damit der Benutzer sich direkt in der App orientieren kann. Der Apple-Maps wurde eine detailliertere Turn-by-Turn-Navigation verpasst. Yelp liefert den Karten die nötige Datenbank an Geschäften. Auch die Kartendaten wurden aktualisiert und liefern ein realeres Bild. 3D-Ansichten von Städten lassen die Karten digital zum Leben erwecken und dank dem Flyover-Feature können sogar virtuelle Stadtführungen durchgeführt werden. Wenn man sich die Karre, die einst im Dreck steckte, einmal genauer betrachtet, so ist sie nun ein rollender Wagen, der auf dem richtigen Weg unterwegs ist. Jeder Weg ist am Anfang steinig und so war er es auch für die hauseigenen Maps von Apple. Die Kartenanwendung fährt mittlerweile ein ruhiges und sicheres Tempo. Und das nicht nur auf dem iPhone und dem iPad, sondern seit OS X Mavericks auch auf dem Mac. Und seit CarPlay rollen die Apple-Maps auch im Auto mit. Dadurch ist ein Navigationssystem seitens des Autobauers überflüssig. Ein dummes Display, welches den iOS-Bildschirminhalt empfängt, reicht aus. Den Rest erledigt das mobile Apple-Betriebssystem und seine Kartenanwendung. Somit fungiert das iPhone als Navigatonssystem, kann per Siri bedient werden und bietet dem Fahrer ein Multimediazentrum, das nicht nach 2 Jahren schon wieder veraltet ist. Auch sind keine teuren Kartenupdates notwendig, denn die Kartendaten werden von Apple serverseitig aufgefrischt. Doch das war erst der Anfang einer langen Fahrt, welche den Weg in Richtung Zukunft eingeschlagen hat.
Mit der iWatch Apple Watch zeigt Apple die Fahrtrichtung ganz genau an, denn die Maps wandern auf das Handgelenk. Mit der Apple-Armbanduhr kann somit eine Fußgängerroute direkt auf dem Handgelenk berechnet werden. Durch Siri sind damit Lokalitäten direkt in den Maps auffindbar – schnell erreichbar und greifbar nah. Das iPhone verbleibt in der Hosentasche und dient nur als mobiler Hotspot zur Datenverarbeitung. Mit den Maps kann somit direkt vom Handgelenk navigiert werden. Dies dank Vibrationsmustern auch ganz blind, denn die Uhr gibt je nach Richtungswechsel einen bestimmten Impuls von sich. Der unsichtbare Helfer, der einen immer begleitet, führt nun sicher ans Ziel. Auch ist dies eine weitere Glanzleistung für die Navigation von sehbehinderten Menschen, die nun noch einfacher an ihren Bestimmungsort gelangen und somit barrierefreier unterwegs sind. Man sieht – die Karten sind wortwörtlich in Bewegung. Anhand der ausgebreiteten Nutzung können somit auch Kartendaten wesentlich verbessert werden. So wie es auch die Analyse von Echtzeit-Verkehrsaufkommen schon zeigt. Hier arbeitet Apple mit TomTom zusammen und analysiert das Verkehrsaufkommen von Straßen. Dadurch können Staus in der Navigation umfahren werden und so den Fahrer wesentlich schneller, auf teils kürzerer Strecke und stressfreier an sein Ziel lotsen. Dies ist eine weitaus effektivere Weise als das bekannte TMC Pro, was erst viele Minuten nach einem Stauaufkommen informiert – meist dann, wenn man schon im selbigen Stau steht.
Doch trotzdem sind die Apple Maps noch lange nicht perfekt und an manchen Ecken knarzt es noch ganz schön. So fehlen den Apple-Karten definitiv Einträge von bestimmten Orten. Dieses Aufgabengebiet wird bisher zum größten Teil von der Yelp-Datenbank erledigt. Diese wirkt aber fast schon beschämend, wenn man sich Datenbanken von Foursquare im Vergleich betrachtet. So habe ich in Foursquare schon Geschäfte, Lokalitäten und Sehenswürdigkeiten gefunden, die mir keine andere Anwendung liefern konnte. Sowas wünsche ich mir auch für die Apple-Maps – welche ja sowieso nur einen Handschlag entfernt sind und somit auch das passende Ergebnis liefern sollten. Es gilt noch mehr Ehrgeiz in die Maps zu stecken und das Potential weiterhin auszubauen. Auch Indoor gibt es mehr zu verbessern. So könnten die Maps eine Indoornavigation in Kaufhäuser ermöglichen. Dank iBeacons in Geschäften kann so der genaue Standort innerhalb eines Kaufhauskomplexes ermittelt werden. Dafür sind die Maps seit iOS 7 schon gerüstet – es gilt nur noch das Hauptfeature einzubauen. Verfahren habe ich mich mit den Apple-Maps übrigens noch nie und ich bin schon viele hunderte Kilometer damit gereist. An unbekannte Orte, an denen ich zuvor niemals war. Im Vorfeld suche ich mir mein Ziel meist am Mac in den Maps heraus, berechne mir die Route und sende mir diese an mein iPhone. Mit einem Wisch über die Benachrichtigung auf dem Sperrbildschirm geht die Navigation dann auch schon los. Mit Yosemite und HandOff passiert selbst das vollkommen automatisch. Alles sehr einfach durchdacht und funktionell – wenn man mich fragt. Ein klobiges Navigationsgerät, wie es viele noch nutzen, habe ich ich seit iOS 6 nicht mehr. Das iPhone klemmt vor mir am Armaturenbrett. Per Bluetooth mit dem Auto gekoppelt, höre ich während der Fahrt viel Musik. Sobald die Maps etwas mitteilen wollen, wird die Musik leicht gedimmt, Siri gibt mir die Fahranweisung an und danach wird die Musik wieder hochgedreht. Sollte es noch besser gehen? Auch das Feature, dass eine Autofahrt nach dem Aussteigen aus dem Auto automatisch in eine Fußgängerroute umgerechnet wurde, funktionierte bisher immer zuverlässig. So erreichte ich das letzte Stück zu einem Ziel auch schon in einer Großstadt sicher und pünktlich im Zeitplan. Bald dann auch nur einen Handschlag entfernt – am Handgelenk.
Ich kann das Gejammere um die Maps nicht verstehen – nicht mehr. Denn man kann den Apple Maps viel vorwerfen – doch sie absolut nicht mehr als schlecht gelten lassen. Diesen Kampf hat Apple in meinen Augen mit der Umstellung auf iOS 7 erledigt. Auch das Kartenmaterial verbessert sich serverseitig tagtäglich und Probleme werden mittlerweile systematisch abgearbeitet und zum größten Teil gelöst. So werden nun Anschriften von Firmen, welche als Problem gemeldet wurden, von Apple teils telefonisch bei dem Geschäft selbst verifiziert, um detailliert in die Kartenanwendung implementiert zu werden. Man sieht: Die Richtung die Apple mit den Maps eingeschlagen hat stimmt – denn es geht Meter für Meter in Richtung Zukunft.
Euch gefällt meine redaktionelle Arbeit und ihr möchtet sie unterstützen? Dann könnt ihr dies gerne über diesen Link tun. Vielen Dank.
38 Gedanken zu „Apple Maps – in 200 Metern in Richtung Zukunft“
Die Kommentare sind geschlossen.