Apple überrascht uns immer mal wieder mit, nennen wir es, interessanten Produktentscheidungen. Jüngst gab es eine winzige Umbenennung, kaum der Rede wert, nicht mehr als die Streichung eines einzigen mathematischen Symbols, dem Operator für die Addition, das gleichzeitig das in der Finanzwelt nicht ganz unwichtige Vorzeichen für positive Zahlen ist. Die Rede ist von +.
Konkret: Streaming bei Apple heißt nun Apple TV. Und muss ohne das besagte „+“ (=“Plus“) auskommen. So minimal diese Änderung ist, so verwirrend ist sie. Stellen wir vorab eines klar: Es gibt absolut keinen einzigen logischen, nachvollziehbaren, triftigen, intelligenten, berechtigten, vernünftigen, sinnvollen Grund für eine Umbenennung des Streamingdienstes Apple TV+ (also mit „Plus“) in Apple TV (ohne Plus). Im Gegenteil: Die Verwirrung über die Box Apple TV, die App Apple TV und den Dienst Apple TV – sie könnte nicht größer sein, außer man nennt sie Tick, Trick und Track, was wahrscheinlich aus Urheberrechtsgründen schwierig geworden wäre.
Und trotzdem ist es passiert! Apple benennt seinen Dienst um und streicht das „Plus“. Wie konnte das passieren? Wie immer bei Apple hat es etwas mit Profilierungssucht, Langeweile und dem plötzlichen Auftauchen des Chefs zu tun. Wir waren in der entscheidenden Szene dabei! (Achtung, Satire!)
In der Kreativ-Abteilung mitten im Apple-Park. Es geht auf den Feierabend zu. Seit dem Ausscheiden von Jony Ive hat sich eine gewisse Lässigkeit in der Abteilung breit gemacht und das Gefühl, weder gebraucht noch gehört zu werden. Dementsprechend sind die Sitten: In der Ecke sitzen drei Männer (Kreative 1 bis 3) in Unterhemden, Zigaretten im Mundwinkel und spielen Poker auf einer Magnettafel, quer auf vier Mac Pros liegend, eine Kreative (4) steht und telefoniert lautstark gestikulierend mit ihrem Freund, der seit kurzem bei Meta arbeitet. Das Großraumbüro ist übersät mit Pizzakartons, leeren Bierdosen und Uber-Eats-Verpackungen. Die Chefin liegt auf einer Ikea-Couch und döst vor sich hin, unterbrochen von Wutausbrüchen, bei denen sie gelegentlich das Wort „Plateau“ wie eine Furie ausspuckt. Zwei junge, engagierte, motivierte Kreative (5 und 6) spielen Air-Hockey auf einem flach liegenden Pro Display XDR mit den Glasmodellen, die das Marketing für das Liquid-Glass-Video bei Fielmann gekauft hatte. Der Chef Tim und Emily, wichtigste Praktikantin mit Protokollpflichten, kommen herein.
Chefin (steht schnell auf, zupft an ihrer Kleidung, versucht die Berge an Unrat zu verbergen): „Oh! Chef! Dich sieht man hier in letzter Zeit nicht mehr oft!“ (gestikuliert wild in Richtung Kreative 1 bis 6, alles wird hektisch, sortiert sich, versucht den Eindruck professioneller Geschäftigkeit zu vermitteln).
Tim: „Ja, das dachte ich auch letztens, als ich um vier Uhr morgens einen wilden Reddit-Feed mit meiner Vision Pro las. Er klang etwas verstörend, da dachte ich, ich sage hier mal Hallo!“
Chefin: „Das ist (zögert kurz) schön! Wir sind mitten in der kreativen Arbeit, wie du siehst!“ (lächelt verlegen).
Tim: (schaut sich kurz um, ist irritiert, denkt kurz nach): „Ihr wart gar nicht einfach zu finden! Aber dank Emily…“
Emily: (verdreht nur leicht die Augen, hält das iPad bereit für Tims Notizen, nickt kurz)
Chefin: „Ja, mit Jony waren wir in der 4. Etage, jetzt in minus 3, direkt neben der Tiefgarage!“
Tim (lächelt väterlich): „Ich weiß, der gute Jony – war etwas zu kreativ in seinen letzten Tagen. Hat ja neue Freunde gefunden.“
Kreativer 2: „Naja, er war …“ (Chefin bedeutet ihm sofort still zu sein).
Chefin: „Was kann ich für dich tun, Tim?“
Tim: „Emily, lies bitte vor!“
Emily (liest vom iPad ab): „Reddit sagt, wir wären nicht mehr kreativ bei Apple, das würde keine Rolle mehr spielen, nur noch (Tim nickt zustimmend) Gewinnmaximierung! Soll ich das Original vorlesen, Tim?“
Tim: „Das mit den Schimpfworten, unter Steve Jobs war alles besser und mich als geldgierig? Nein, Emily. Danke dir!“
Chefin: (schaut sich kurz um, blickt in nickende Gesichter ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen): „Ääähhm… lächerlich, Tim! Wir haben Tonnen von guten Ideen, richtig?“ (blickt mit einem Anflug von Panik in die Runde).
Tim: „Ich wusste es, auf euch ist Verlass! Dann lasst mal hören! Emily, rechne mit, wie immer!“
Kreativer 1: „Ein Macbook mit Touch-Display!“
Tim: „Emily?“
Emily (nickt, kritzelt mit dem Apple Pencil Pro auf dem iPad herum, tippt, denkt kurz nach, murmelt Zahlen): „Plus 385 Dollar!“
Chefin (schaut verwirrt, fragend zu Emily): „Hääähh?“
Emily: „Es würde in der Herstellung 385 Dollar teurer, das sind (überschlägt es kurz im Kopf) bei 40 Prozent Marge plus 539 Dollar im Preis. Bei den Verrückten in der EU wären das (murmelt wieder kurz) plus 650 Euro.“
Tim: „Das Macbook würde 539 Dollar teurer – indiskutabel! Was habt ihr noch?“
Kreativer 2: „Ein Macbook mit Mobilfunk-Chip!“ (erhält zustimmendes Staunen und Nicken der anderen)
Emily (wie oben): „Plus 12 Dollar“
Tim (schaut skeptisch, zunehmend ungeduldig): „Was habt ihr noch?“
Kreativer 3: „Austauschbarer Akku am iPhone!“ (die anderen blicken, als hätte man sie in den Schlund der Hölle schauen lassen, drehen sich verstört weg)
Emily: „Soll ich das wirklich berechnen, Tim?“
Tim (genervt): „Nur der Vollständigkeit halber, Emily!“
Emily (wie oben): „Plus 599 Dollar (macht eine kurze dramatische Pause). Netto!“
Kreative 4: „Eine Vision Air! 300 Gramm schwer, integrierter Akku mit 12 Stunden Videowiedergabe (etwas leiser) … diese Rechengröße (etwas stolz in die Runde blickend) war übrigens meine Idee.“
Tim (schaut bewundernd, nickt in Richtung Emily)
Emily (wie oben): „Plus 1479 Dollar – bei geschätzten (murmelt) sieben Jahren Entwicklungszeit“
Tim (wird ungeduldig): “Kommt, Leute. Ihr seid hochbezahlte Spezialisten!“
Kreative 4 (zuckt beim Wort „hochbezahlt“ – schaut auf ihr iPhone, mit dem sie vor wenigen Minuten mit ihrem Freund bei Meta telefoniert hat).
Kreative 5: „Mehr iCloud-Speicher für lau!“ (die anderen blicken, als hätte man sie in den Schlund der Hölle schauen lassen, drehen sich verstört weg)
Emily (wartet nicht auf das OK ihres Chefs) (wie oben): Plus 4,086 Milliarden Dollar für das erste Jahr.“
Tim (blickt entsetzt, ist sprachlos)
Emily (traut sich kaum es auszusprechen, zögert)
Tim: „Sage es, Emily!“
Emily: „Ein Prozent des Umsatzes!“
Tim (wirkt zunehmend ungehalten)
Kreative 6: „Das Doppel-Falt-iPhone! Gefalten ein Mini, aufgefaltet beim ersten Mal ein Max, aufgefaltet beim zweiten Mal ein iPad 13 Zoll (schaut in glückliche Gesichter angesichts einer genialen Idee, die all ihnen den Job retten könnte).
Tim (wippt mit den Füßen, knetet die Hände)
Emily (wie oben): „Plus 1273 Dollar“
Tim (ringt um Fassung): „…“
Chefin (merkt das, will die Situation retten): „Aber die beste Idee von allen, die haben wir noch gar nicht genannt!“
Tim (schaut sie skeptisch an, denkt im Kopf an die Einsparpotenziale dieser Abteilung)
Chefin: „Das Kupfer-iPhone! Aluminium war gestern und vorgestern und heute, Titan war gestern und Edelstahl ist so etwas von antik. Kupfer ist edel, antibakteriell und sieht soooo geil aus!“
Emily (hat schon beim ersten „Kupfer“ angefangen zu rechnen): „Plus 536 Dollar. Netto“
Tim (kann seine Wut nur schwer verbergen, wendet sich zum Gehen, brüllt auf dem Flur): „Plus! Plus! Plus! Plus! Plus! Plus! Plus! Ich kann es nicht mehr hören!“
Emily: „Ihr habt den Chef gehört!“



3 Gedanken zu „Wie das Plus verschwand (Die Kolumne)“