Das Bundeskriminalamt hat sich eine Lösung einfallen lassen, wie man die Verschlüsselung von Messenger-Diensten auf Smartphones umgehen und Zugriff auf versendete Nachrichten bekommen kann: Man greift die Nachrichten direkt auf dem Gerät ab – über eine mobile Version des Staatstrojaners.
Wie Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung belegen, setzt das Bundeskriminalamt eine mobile Version des sogenannten Staatstrojaners ein, um auf verschlüsselte Kommunikation zuzugreifen, deren Verschlüsselung zwischen den Geräten nicht geknackt werden kann. Offiziell läuft der Einsatz unter der Bezeichnung Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), man greift die Daten unverschlüsselt auf dem Telefon ab, bevor sie verschlüsselt an den Empfänger übertragen werden. Bereits seit einigen Jahren beschweren sich Behörden regelmäßig darüber, aufgrund der verschlüsselten Kommunikation keine effektiven Ermittlungen im Internet mehr führen zu können.
Spionagesoftware bereits im Einsatz
Laut den Recherchen ist die Software bereits heute mehrfach im Einsatz, genaue Informationen zu den ausgenutzten Lücken und der Zahl der Einsätze gibt es aktuell jedoch nicht. Unklar ist daher aktuell auch noch, welche Betriebssysteme von der Überwachung betroffen sind. Möglich sein soll mit der Software neben dem Anfertigen von Screenshots auch die Live-Überwachung eines Nutzers, das Bundeskriminalamt kann dem Anwender damit direkt beim Verfassen einer Nachricht über die virtuelle Schulter blicken.
Rechtliche Grundlage aus dem Sommer 2017
Möglich ist eine unbemerkte Überwachung mit dieser Gründlichkeit erst seit dem vergangenen Sommer, die große Koalition hatte dort in aller Eile noch die gesetzlich gestatteten Einsatzmöglichkeiten der verschiedenen Staatstrojaner erweitert. Während Trojaner zur Überwachung von Verdächtigen vorher nur bei Terrorverdacht eingesetzt werden durften, haben CDU, CSU und SPD die Einsatzmöglichkeiten damit auf Alltagskriminalität ausgeweitet.
Heribert Prantl, Jurist und Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, spricht von einem Staatstrojaner, der die Grundrechte der Bürger regelrecht „auffrisst“:
Noch nie gab es in der Geschichte der Bundesrepublik einen größeren, umfassenderen, weitreichenderen, heimlicheren und gefährlicheren Grundrechtseingriff: Das Bundeskriminalamt hat damit begonnen, sogenannte Staatstrojaner auf privaten Computern, Laptops und Handys zu installieren. Damit können sämtliche Daten ausgeleitet, damit kann das gesamte Computer-Nutzungsverhalten eines Menschen in Gegenwart und Vergangenheit überwacht werden.
Interessant wird, wie die Telefon-Hersteller und App-Entwickler in Zukunft auf diese neue Art der Überwachung reagieren. Da die Nachrichten dem Nutzer natürlich angezeigt werden müssen, ist diese Art der Überwachung schwer zu verhindern. Auch die Reaktion von Bürgerrechtlern und Bürgern dürfte interessant werden, handelt es sich hierbei doch um einen massiven Eingriff in die Grundrechte. Spannend wären zudem weitere Informationen dazu, wie die entsprechenden Smartphones mit dem Trojaner infiziert wurden, bei der ersten Version des Staatstrojaners war das unter anderem bei einer „Gepäckkontrolle“ am Münchener Flughafen geschehen.
18 Gedanken zu „Messenger-Verschlüsselung ausgehebelt: Der Staatstrojaner schleicht sich auf Smartphones in Deutschland“
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