Seit dem Inkrafttreten des Digital Markets Act (DMA) steht Apple in der Europäischen Union unter beispiellosem Regulierungsdruck. Die ambitionierte Gesetzgebung der EU, die sogenannte Gatekeeper-Plattformen zu mehr Offenheit und Fairness im digitalen Markt verpflichten soll, trifft Apple an einem besonders sensiblen Punkt: seinem geschlossenen Ökosystem. Im Frühjahr und Sommer 2025 haben sich die Fronten zwischen der EU-Kommission und dem iPhone-Konzern weiter verhärtet – mit spürbaren Folgen für Entwickler, Nutzer und den Wettbewerb.
Der Auslöser: Apples App Store-Politik im Visier der EU
Schon seit Jahren kritisieren Wettbewerbsbehörden, dass Apple seine Marktmacht etwa über den App Store ausnutze. Entwicklern wurde bislang untersagt, Nutzern in ihren Apps auf günstigere Angebote außerhalb des Stores hinzuweisen – etwa durch Verlinkung zu Webshops.
Darüber hinaus war Apple dafür bekannt, bestimmte App-Kategorien systematisch auszuschließen oder in ihrer Funktionalität massiv einzuschränken. Dazu zählten insbesondere Streaming- und Gaming-Anwendungen, Zahlungsdienste sowie Casino-Angebote. Erst unter dem Druck des DMA gestattete Apple deren Integration – einschließlich eigener DRM-Systeme. Auch Apple Pay verlor sein technisches Monopol: Dritt-Wallets wie N26, Curve oder Revolut erhalten seit 2025 Zugang zur NFC-Schnittstelle, was Apple vom exklusiven Anbieter zum Infrastrukturbetreiber zwingt.
Bemerkenswert ist auch die Öffnung gegenüber bislang blockierten iGaming-Angeboten. Ein Casino mit MGA-Lizenz beispielsweise könnte 2025 in der EU eine Web-App oder notarisiert signierte .ipa-Datei bereitstellen. Unter den top neuen Online Casinos ist die Lizenz des EU Landes Malta stark verbreitet. Apple verlangt von Anbietern von Glücksspiel-Apps allerdings strenge Sicherheitsmaßnahmen. Dazu gehören Altersverifikationen, Geofencing zur Standortbestimmung und die Einhaltung lokaler Gesetze. Zudem dürfen In-App-Käufe für Glücksspieltransaktionen nicht über das Apple-eigene Zahlungssystem abgewickelt werden.
Auch andere bisher stark eingeschränkte App-Kategorien profitieren von der Öffnung: Cloud-Gaming-Apps wie Xbox Cloud Gaming oder GeForce NOW sind seit 2024 in Europa offiziell auf iPhones erlaubt. Streaming-Plattformen dürfen eigene DRM-Systeme integrieren – vorausgesetzt, sie erfüllen Apples Sicherheitsstandards. Die Folge: eine spürbare Dynamisierung des Markts, insbesondere im Gaming- und Video-Segment.
Die bisherigen Einschränkungen solcher Angebote, so die Auffassung der EU-Kommission, verletzen grundlegende Prinzipien des freien Marktzugangs und diskriminieren alternative Anbieter. Am 23. April 2025 verhängte die Kommission daher erstmals ein Bußgeld in Höhe von 500 Millionen Euro gegen Apple wegen „unfairer Einschränkungen von App-Entwicklern“.
Apple reagierte umgehend und reichte am 30. Mai 2025 offiziell Berufung beim EU-Gericht in Luxemburg ein. In der Begründung kritisierte das Unternehmen die Auflagen als „technisch und sicherheitspolitisch unangemessen“. Man sehe die Gefahr, dass durch eine erzwungene Interoperabilität sensibler iPhone-Funktionen wie Wi-Fi-Daten, Benachrichtigungen oder NFC-Zugänge die Sicherheit und Privatsphäre der Nutzer gefährdet würden. Zudem seien einige der verlangten Schnittstellen wie gespeicherte Netzwerke nicht einmal für Apple selbst einsehbar, so der Konzern.
Zwei Lizenzsysteme: Apple Store vs. freie Märkte
Seit iOS 17.4 im März 2024 (bzw. umfassender mit iOS 18) erlaubt Apple also in der EU alternative App-Marktplätze. Nutzer können Apps über Drittanbieter-Stores installieren – allerdings nur in Ländern der EU und unter Auflagen. Für Entwickler bedeutet das mehr Flexibilität, aber auch neue bürokratische Hürden: Selbst außerhalb des App Stores müssen Apps weiterhin notarisiert und durch Apple signiert werden. Zudem bleibt Apple berechtigt, eine Jahresgebühr von 0,50 Euro pro installierter App zu verlangen.
Damit entsteht ein duales Lizenzsystem:
- App Store-Lizenzierung mit standardisierten Richtlinien und Apple-Provisionen.
- Regulierte Sideloading-Optionen mit eigenständiger Preisgestaltung und technischer Notarisierung.
Frist läuft ab: Apple unter Zugzwang
Die Europäische Kommission hat Apple eine Frist von 60 Tagen eingeräumt, um alle bemängelten Verstöße gegen den DMA zu beseitigen. Diese läuft am 22. Juni 2025 ab. Sollte Apple bis dahin keine vollständige Compliance nachweisen, drohen tägliche Strafzahlungen von bis zu 5 % des weltweiten Tagesumsatzes.
Die Maßnahmen der EU stoßen in den USA auf Kritik. Vertreter der US-Regierung bezeichneten die Strafen gegen Apple und Meta (das ebenfalls mit 200 Mio. Euro belegt wurde) als „diskriminierend gegenüber amerikanischen Unternehmen“. Dies könnte den transatlantischen digitalen Handel belasten, insbesondere wenn Gegenmaßnahmen diskutiert werden.
Der Sommer 2025 markiert einen Wendepunkt für Apples Geschäftsmodell in Europa. Der Digital Markets Act zwingt den Tech-Riesen zur Öffnung, Transparenz und Interoperabilität. Während Apple um seine Systemintegrität kämpft, entstehen neue Spielräume für Entwickler und Diensteanbieter. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen – denn die juristischen Auseinandersetzungen werden sich wohl noch über Jahre hinziehen.
Für Verbraucher heißt das: mehr Auswahl, potenziell günstigere Preise und erstmals ein echter Wettbewerb innerhalb des iOS-Kosmos – zumindest in Europa.