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Die Beamten in Cupertino – Die Kolumne

Beamte sind besser als ihr Ruf. Das weiß ich aus Erfahrung. Deshalb vorneweg die Entschuldigung für das Klischee, das ich jetzt ausrollen werde.

Keine disruptive Innovation

Nach jeder Keynote und jedem OS-Update unseres sympathischen Konzerns werden die Rufe laut, dass zu wenig Neues war, nichts Überraschendes kam, das One more thing ausblieb, die nächste disruptive Innovation fehlte, die unser Leben und die Märkte für immer verändert. Das mag man bedauern, aber man kann es erklären. Ich möchte beweisen, dass Apple mehr eine Verwaltungsstelle für Technikfragen ist denn ein Innovativ-Labor freier Denker. Kurz: Apples Mitarbeiter sind die Beamten aus Cupertino.

Apple ist kein Start-up (mehr)

Apple hatte Ende 2021 rund 154.000 Mitarbeitende (gerechnet in Vollzeitäquivalenten; so nennen Statistiker es, wenn aus zwei halben Stellen eine ganze summiert wird). Das ist eine Galaxie entfernt von einem Start-up-Unternehmen, das hochdynamisch, experimentierfreudig und vor allem schnell sein kann. Apple ist riesig. Und in riesigen Unternehmen folgt zwangsläufig die Bürokratie mit Formularen, festgelegten Abläufen, Zeitplänen, Meetings, Hierarchien und viel Verwaltung. Das erkannte schon ein witziger Engländer namens C. Northcote Parkinson in den 1950er Jahren, als er formulierte (heute bekannt als Parkinsonsche Gesetze zum Bürokratiewachstum): „Angestellte schaffen sich gegenseitig Arbeit“. Und das multipliziert mit 154.000.

Apple liebt Evolution

Ein riesiger Apparat ist an sich nichts Schlechtes, er ist aber meistens langsam. Ein Öltanker braucht fünf Kilometer zum Bremsen. Apple braucht Monate für eine Veränderung eines Produkts und Jahre für ein neues. Deshalb ist es falsch, Apple fehlende Revolution vorzuwerfen, freuen wir uns lieber über die ständige Evolution der Hard- und Software. Apple verbessert kontinuierlich und arbeitet (hart!) daran, ihre Produkte besser zu machen. Und sie scheuen sich nicht davor, halbfertige Technik wie AirPower nicht auf den Markt zu bringen. Und sie scheuen sich nicht davor, Fehler wiedergutzumachen und nach Jahren wieder zahlreiche Anschlussbuchsen in ein MacBook einzubauen. Davon gibt es viele Beispiele. Und ja, manchmal dauert dieser Prozess, wie bei einem Tanker eben.

Apple Watch als Paradebeispiel

Nehmen wir die Apple Watch als ein übersichtliches Beispiel. Die erste Uhr war im April 2015 eine vollständig neue Produktkategorie. Für Apple. Ich behaupte, Apple hatte keine Ahnung, was sie damit tun sollte. Im Marketingsprech: Sie wussten nicht, wie sie die Uhr im Markt positionieren sollten. So kostete sie zwischen 550 und 1.100 Dollar (ja, mehr als heute die Ultra!), 350 bis 400 Dollar in der Sportversion und zwischen 10.000 und 17.000 Dollar als „Edition“ in Gold. Also Gold. Echtes Gold. Unsere Beamten lernten schnell und erkannten den Unsinn. Die „Series 1“ in 2016 war ein Billig-Ding bis 300 Dollar. Von der „Series 2“ in 2016 bis „Series 6“ in 2020 blieben – man glaubt es kaum – die Preise um die 400 Dollar für das Einstiegsmodell gleich. Die Uhren wurden größer, erhielten neue Sensoren, mehr Speicher und vor allem neue Chips, S2 bis S8 (ja, Apple benennt auch kleine Verbesserungen mit neuer Nummer). Ganz zu schweigen von der Software mit zahllosen neuen Funktionen wie integrierter Mobilfunk, EKG-Messung, Always-on-Display, um nur ganz wenige zu nennen. Alles Evolution. Und das ist gut so.

Evolution ist prima

Ich möchte, dass Apple seine Produkte ständig verbessert, Umwege nimmt, ausprobiert und sich korrigiert. Dann verzeihe ich die fehlenden Revolutionen. Evolution ist prima. Das weiß jeder Homo sapiens.

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Marco Fileccia
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1 Kommentar zu dem Artikel "Die Beamten in Cupertino – Die Kolumne"

  1. Fabio B. 3. November 2022 um 19:46 Uhr ·
    Eine sehr gute Einschätzung des ganzen 👍🏼
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