Apples Erfolg wird vor allem an den Verkaufszahlen des iPhones gemessen. Die Kolleginnen aus Wirtschaft und Technik missachten dabei, dass es dem Konzern um viel mehr geht – meint Yannik.
Die Kommentare der meisten Medien zu Apples Quartalsergebnissen sind, ungeachtet der tatsächlichen Zahlen und möglicher Rekorde, meist ähnlich: Der Höhepunkt des Konzerns ist überschritten. Mit Steve war alles besser. Es gibt keine Innovationen mehr. Das verfehlt, so denke ich, allerdings den eigentlichen Punkt: Apple ist viel mehr als die Zahl der verkauften iPhones. Der Konzern befindet sich aktuell in einer langfristigen Umstrukturierung, in der ganz andere Produkte wichtig sind.
Ich komme gerade aus einem Wochenendtrip, den ich in einer Stadt im europäischen Ausland verbracht – und nebenbei sehr genossen – habe. Während ich im Urlaubs-Modus durch die Straßen und Parks geschlendert bin und das ein oder andere Café besucht habe, sind mir jedoch zwei Sachen aufgefallen, die eher mit meiner Arbeit hier zu tun haben: Unfassbar viele Menschen tragen AirPods. Quasi immer. Und ähnlich viele Menschen tragen eine Apple Watch. Immer.
Schauen wir uns die beiden Produkte aber in der Reihenfolge ihrer Vorstellung an und beginnen daher mit der Apple Watch. Die erste Generation wurde belächelt und vor allem als „zu teuer“ beschrieben – das Beispiel war damals meistens die goldene Edition und nicht die Sport-Version, deren Preis deutlich moderater angesetzt war. Inzwischen befinden wir uns bei der dritten Generation der Uhr, es gibt eine LTE-Version. Die günstigste Version kostet 369€, die ältere Uhr der Series 1 (ohne GPS) ist inzwischen bei Apple direkt für 269€ verfügbar. Im Rahmen verschiedener Rabattaktionen gab es einige Modelle der Uhr auch schon deutlich reduziert.
Was für viele Kommentatorinnen mit der ersten Generation überteuert und sinnlos wirkte, ist inzwischen zu einer soliden Aufstellung gewachsen, mit der Apple in jedem Quartal Millionen von Menschen erreicht. Durch die gesunkenen Preise bleibt das Upgrade auf eine neue Generation verhältnismäßig erschwinglich, neue Features wie LTE (Series 3) oder GPS (Series 2) stellen für die Kundinnen attraktive Upgrade-Gründe dar. Nach zwei Jahren der Desorientierung stellt sich der Markt der Watch-Apps aktuell neu auf, was vor allem für bestehende Kundinnen ein Bonus sein wird. Die wenigstens Menschen kaufen eine Uhr aufgrund einer konkreten App, vielmehr geht es um das generelle Produkt – und das ist nach drei Versionen für die normale Kundin sehr attraktiv.
Etwas anders und im Prinzip doch sehr ähnlich verhält sich die Situation bei Apples AirPods. In meinem Freundeskreis aber auch in den Weiten des Internets machten direkt nach der Präsentation einige Witze die Runde, Vergleiche mit Aufsätzen für elektrische Zahnbürsten schafften es bis zu Spiegel Online. Keine der Kommentatorinnen rechnete damals mit dem grandiosen Erfolg, den die AirPods feiern sollten. Über Monate waren die Kopfhörer nur über eine lange digitale Warteschlange zu bekommen, bei eBay gingen sie für die gewohnten Apotheken-Preise über die digitale Ladentheke. Heute, knapp zwei Jahre nach der Vorstellung, sind die Kopfhörer in jedem Stadtbild extrem präsent. Steige ich in Berlin in eine U-Bahn, befindet sich in jedem Waggon mindestens ein Mensch mit AirPods in den Ohren. Sitzt man in anderen europäischen Städten in einem Café, laufen zahlreiche Menschen mit AirPods in den Ohren über die Dauer eines Kakaos vor dem Fenster vorbei.
Unterschätzt werden die beiden Geräte, so denke ich, vor allem aus einem Grund: Apple führt beides in den offiziellen Quartalsergebnissen unter „Other“, konkrete Verkaufszahlen werden nicht genannt. Man kann natürlich dennoch über solche Zahlen spekulieren, der Anstieg der entsprechenden Kategorie seit Start der Watch oder der AirPods kann dafür als Anhaltspunkt dienen. So konkret wie Apples eigene Zahlen für iPhones und iPads wird man dabei aber nicht werden können.
Für Apple ist das Schweigen über exakte Verkaufszahlen erstmal egal, dem Konzern geht es vielmehr um einen langfristigen Ansatz. Man will sich von dem iPhone-Konzern zu einem größeren Ökosystem entwickeln. Die AirPods und die Watch spielen dabei eine wichtige, wenn nicht die entscheidende, Rolle. Ohne Frage lässt diese Rolle sich aktuell nicht konkret quantifizieren, „3 Millionen iPhones weniger“ ist eine bessere Überschrift – verkennt aber eben einen wesentlichen Bestandteil von Apples Neustrukturierung, die mit dem Ausscheiden von Steve Jobs aus dem Konzern begonnen hat. Außerdem geben auch die letzten iPhone-Verkaufszahlen dem Konzern aus Cupertino Recht, aber das nur am Rande.
Toll ist natürlich in Cupertino längst nicht alles, ein Blick auf die zahlreichen Berichte über Softwarefehler in iOS 11 sind nur ein Indiz dafür. Dieses Thema müsste allerdings an anderer Stelle ausgiebiger bedacht und behandelt werden. Dennoch läuft es nicht schlecht, die Neustrukturierung ist in vollem Gange – die AirPods und die Watch leisten dazu einen wichtigen Beitrag.
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