Erinnert ihr euch noch an Flappy Birds? Dieses eine Suchtspiel, das einst im App Store direkt an die oberste Stelle schoss und später vom überforderten Entwickler selbst vom Markt genommen wurde. Damals war jede dritte Neuerscheinung ein Klon des Highscore-Games, sodass sogar Apple genervt war. Schon zu dieser Zeit haben sich die Medien und soziale Netze auf das Phänomen gestürzt, als gebe es nichts Wichtigeres. Auch das Interesse in der Google-Suche war riesig, wie der von Google bereitgestellte Einblick in die Trends zeigt:
„Flappy Birds“ bei Google Trends
Doch das war gar nichts im Vergleich zum aktuellen Hype um Pokémon GO. Das Interesse an dem neuen Nintendo-Hit ist um Einiges höher, als bei Flappy Bird vor gut zwei Jahren.
„Pokémon GO“ (rot) und „Flappy Birds“ (blau) bei Google Trends
Am Wochenende hat Pokémon GO schätzungsweise die 100 Millionen Downloads geknackt. Es scheint, als würde der Hype also weiter anhalten. Das kommt einigen Medien gerade recht, denn mit nichts kann man besser und schneller Aufmerksamkeit und somit Geld verdienen, als mit einem haltlosen Hype.
Einfach den Rauschfilter entschärfen.
Normalerweise haben Journalisten und Redaktionen von Berufswegen einen gewissen Rauschfilter an sich, um wichtige News von sinnlosem Geschwätz zu unterscheiden. In Zeiten eines solchen Hypes aber wird dieser gerne mal ausgeschaltet – denn es ergibt sich für die Redaktionen ein Problem, das denen bei einer Krisenberichterstattung nach schwerwiegenden Ereignissen gleicht: Eine hohe Nachfrage trifft auf ein relativ maues Angebot an Nachrichten. Daher wird auf einigen Portalen gerne über jede noch so kleine Schlagzeile berichtet.
Alleine auf dem Portal CHIP haben wir über die Google-Suche 250 Ergebnisse gefunden, bei denen „Pokémon GO“ im Titel vorkommt. Das reicht von „Pokemon Go im Querformat spielen: So verrückt ist der Landschaftsmodus“ über einen etwas übertriebenen Beitrag über Klone („Pokemon Go Betrüger: Fallen Sie nicht auf diese App herein“) bis hin zu aufgehübschten Statistiken: „Pokemon Go Nutzer leben länger! Statistik verrät Unglaubliches“.
Eine andere Herangehensweise haben da die Content-Schleudern Focus vom Burda-Verlag und N24 vom Axel-Springer-Verlag. Die beiden Portale haben inzwischen Live-Ticker zu dem Handyspiel veröffentlicht. Damit ihr Bescheid wisst, dass in dem 6.000-Einwohner Kaff Polch ein 18-Jähriger Pokémons in einem fremden Wohnwagen suchen wollte und daher vehement Einlass forderte, bis die Besitzern die Polizei rief. Damit ihr mitreden könnt, wenn sich eure Kollegen über den Mann in der Oberpfalz unterhalten, der genervt mit einem Holzstock auf das Auto eines Pokémon-Jägers schlug, der vor seinem Haus parkte. Und damit ihr euch auch darüber empören könnt, dass in den USA Eltern ihr zwei Jahre altes Kind im Haus alleine gelassen haben, weil sie die Monster fangen wollten. News-Auftrag erfüllt, oder? Doch woher kommen all diese Neuigkeiten?
Ihr solltet wissen: Ein Großteil dieser Meldungen werden ungeprüft aus sozialen Netzwerken übernommen. Quellen geben die Kollegen dabei in der Regel nicht an. Viele Nachrichten stellen sich später als Falschmeldung heraus oder haben eigentlich gar nichts mit Pokémon GO zu tun. Aber das ist ja egal, denn spätestens dann ist schon wieder ein neuer Aufreger im Umlauf, der ältere News im Nu vergessen macht.
Auf Twitter laufen immer noch im Sekundentakt entsprechende Nachrichten ein – immer auf der Jagd nach der nächsten Sensation rund um ein kleines Handyspiel, das so gesehen nur von dem Hype drumherum und nicht vom eigentlich ziemlich substanzlosen Spielprinzip lebt.
12 Gedanken zu „Kein Entkommen: Pokémon GO-News im Sekundentakt“
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