Von Musik-Streaming kann man ja vieles behaupten. Es revolutioniert die Musikwelt, sagen einige. Es verändert, wie wir Musik erleben und konsumieren. Und es erleichtert den Zugang zu neuen Liedern. Was man aber nicht behaupten kann ist, dass Streaming-Dienste fair sind. Vor allem die Labels spielen noch nach alten Regeln. Das muss sich ändern.
Wer Geoff Barrow, Teil der englischen Band Portishead, noch nicht kannte, sollte ihn spätestens für seinen Tweet vom 19. April 2015 im Gedächtnis behalten:
34,000,000 streams
Income After tax = £1700
Thank U @apple@YouTube@Spotify
especially @UMG_News for selling our music so cheaply.
— Geoff Barrow (@jetfury) 13. April 2015
Ein sarkastischer Dank an Apple, Spotify, YouTube und besonders an seine Plattenfirma Universal dafür, dass sie Barrows Musik verramschten. Bei 34 Millionen Streams hatte der Musiker letztlich nur 1700 Pfund in der Tasche. Ein Sinnbild dafür, wie schlecht es in der Welt der Streaming-Dienste für die Künstler tatsächlich steht. Gestreamt zu werden – das bedeutet seine Musik mies zu verkaufen, sagen die Gegner. Aber warum ist das so? Und vor allem: Wer ist daran Schuld?
Fakt ist: Pro Stream eines Liedes kommt bei den Künstler nur ein Bruchteil eines Cents tatsächlich an. Wie viel genau, ist von Musiker zu Musiker unterschiedlich. James Blunt etwa soll für einen Stream 0,00065 Dollar erhalten. Geoff Barrow dürfte nach seinen Aussagen sogar nur 0,000065 Dollar pro Stream bekommen. Im Durchschnitt liegt der Erlös für den Künstler laut Spotify zwischen 0.006 Dollar und 0.0084 Dollar.
Wer nun die Streaming-Dienste dafür verurteilen will, dass sie zu wenig zahlen, sollte nochmal genau hinschauen. Denn selbst für sie ist Streaming noch ein Verlustgeschäft, wie man am Beispiel Spotify sehen kann. Nur über Investoren kann sich der schwedische Musikdienst noch über Wasser halten. Der Grund dafür sind die hohen Lizenzen, die die Musik-Dienste an die Labels zahlen müssen. Und das ist eine ganze Menge.
Im vergangenen Jahr tauchte – zufällig oder nicht – ein bis dato geheimer Vertrag zwischen Spotify und dem Labelgiganten Sony auf. Der Inhalt: Für drei Jahre Zugriff auf den Sony-Bestand hat Spotify der Plattenfirma 42,5 Millionen Dollar allein an Vorschüssen gezahlt. Eine enorme Summe. Insgesamt habe das Unternehmen laut eigenen Angaben bereits drei Milliarden Dollar an die Labels überwiesen, allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2015 wären es 300 Millionen gewesen.
Wie sich die Ausgaben verteilen, hängt von den Streamzahlen der einzelnen Songs ab. Generell behält der Streaming-Dienst, wie auch Apple im Übrigen, 30 Prozent der Einnahmen über die User (bzw. auch über Werbung) ein. Der Rest wird nach dem Schlüssel an die Rechteinhaber, also zum Beispiel die großen Labels Warner, Universal oder Sony, verteilt. 2013 hat Spotify einmal aufgelistet, wie die Verteilung ungefähr aussah. Demnach hat Spotify in einem Monat 425 000 Dollar für die Streams von globalen Top-Hits gezahlt. Für ein Top-Ten-Album erhielten die Labels 145 000 Dollar, ein gutes Indie-Album immerhin noch 76 000 Dollar. Das klingt tatsächlich stattlich. Wie aber kommen nun die geringen Erlöse für die Künstler zustande?
Die Frage lässt den Ball direkt zu den Plattenfirmen springen. Immerhin sind sie es, die das Geld von Spotify, Apple Music und Co in Empfang nehmen. Das liegt daran, dass die Labels die Rechte für die Musik halten. Die Künstler werden dann von ihnen nach festen Quoten bezahlt – und die sind je nach Vertrag sehr unterschiedlich. Mal sind es 5, mal 15 und mal 20 Prozent. Dass diese Quote oft so niedrig ist, liegt an den veralteten Maßstäben der Firmen. Früher, als noch CDs produziert und der Vertrieb im Handel organisiert werden musste, waren Alben häufig teurer in der Herstellung. Beim Streaming entfallen diese Kosten aber. Den dadurch entstandenen Gewinn leiten aber nur wenige große Labels an die Künstler weiter. Viele kleinere Labels beteiligen ihre Künstler stattdessen bereits mit 50 Prozent, schreibt der DOMUS-Verband. Er setzt sich für eine faire Vergütung der Künstler ein.
(Bild: RAW-Pixel / Shutterstock)
Was hinzukommt: Spotify zum Beispiel bezahlt die Lizenzen nicht allein mit Geld. Zum Teil erhalten die Firmen auch Werbeplätze oder Aktienanteile. Von denen sehen die Künstler allerdings nichts. Warner und Sony jedenfalls haben im Frühjahr bereits angekündigt, wenigstens dies ändern zu wollen.
Damit wird klar: Vor allem die Labels sind in der Bringschuld. Sie müssen transparenter im Umgang mit den von ihnen erwirtschafteten Geld sein. Vor allem aber müssen die Künstler fairer am Umsatz beteiligt werden. Dass Geoff Barrow bei 34 Millionen Streams nicht mehr als 1700 Pfund bekommt, liegt also weniger an Spotify oder Apple. Es bedeutet vor allem, dass er schlechte Verträge mit seiner Plattenfirma hat. Es ist an der Zeit, das zu ändern.
19 Gedanken zu „Musik-Streaming: Fair sieht anders aus“
Die Kommentare sind geschlossen.