Kommentar: Plastik, alte Technik, hoher Preis – das ist das iPhone 5c. Denkt zumindest die breite Masse. Dass Apple seit letzten Herbst die Produktreihe beim iPhone umkrempelt, hatte ich schon hier in einer These genauer beschrieben. Die These bewahrheitete sich, wenn auch nicht eins zu eins. Denn das 5c wurde kein „Billig-iPhone“. Billig klingt immer sehr nach „minderwertig“. „Günstig“ würde es besser beschreiben, aber auch das wäre gelogen. Das 5c bietet, technisch gesehen, der Konkurrenz immer noch die Stirn, doch preislich hängt es an einem toten Ast. Wie geht es mit ihm weiter?
Vorneweg – ich mag das iPhone 5c. Auch wenn ich ein 5s-User bin. Wieso ich kein 5c-User bin? Ich setze auf die neuste Technik – in dem Fall Touch ID, 64bit-Chip-Architektur, M7-Coprozessor und die verbesserte Kamera. Touch ID war allerdings der Hauptgrund für meine Kaufentscheidung – es macht das Nutzverhalten einen großen Sprung leichter und innovativer.
„C stands for Color“ – denn Menschen definieren sich gerne mit Farben. Farben drücken Gefühle, Emotionen und Vorlieben aus, dass kann ein Kaufgrund sein – muss es aber nicht zwingend. Wer es farbenfroh mag, der kann das bunte 5c noch bunter gestalten, in dem er eine farbige Hülle drüber stülpt. Wem’s gefällt… – bitte! Wie schon erwähnt – „C stands for Color“- doch die Farben sind nicht meine Welt. Das waren sie schon beim iPod nie. Schon immer waren meine iPods weiß, silber oder schwarz – vielleicht auch mal graphitfarben. Die bunte iPhone-Klasse trifft nicht auf mich zu und daher bin ich für diese Produktklasse auch kein potenzieller Interessent. Sorry Apple – ich lebe leider nicht bunt. Und viele andere auch nicht…
Zwischendurch – Kunststoff ist kein billiger Rohstoff. Plastik ist nicht gleich Plastik – sowie eine Aluminiumlegierung nicht gleich eine Aluminiumlegierung ist. Jedes Material, und heißt es auch gleich, unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung, seinen Anforderungen und seiner Komplexität. Das Kunststoffgehäuse des iPhone 3G/3Gs gefiel uns allen, auch wenn hier manch einer Probleme mit Rissbildungen hatte. Die Entwicklung von Leichtbauten, egal ob Kunststoff oder Leichtmetall, laufen fast parallel. Und auch dem 5c merkt man diese Kunststoffentwicklung an. Das 5c hat einen schönen Formfaktor. Es liegt unglaublich gut in der Hand und das Plastikgehäuse macht einen hochwertigen Eindruck. Es wirkt robust und zuverlässig. Das iPhone daher als „Billig-iPhone“ zu betitelt kann man nicht an der Kunststoffverwendung fest machen. Auch der Begriff ,,Plastik-iPhone“ klingt abwertender als das Gerät wirklich ist. Oder wurde das 3G/3Gs damals als minderwertig betitelt?
Hinterher – die Technik im 5c ist ebenfalls nicht schlecht! Sie entspricht, wie jedes Jahr, der vorherigen iPhone-Generation. Das war viele Jahre so. Das 5c baut auf der Technikebene des iPhone 5 auf – welche teils immer noch aktueller ist, als die mancher Konkurrenzprodukte. Einzige Verbesserungen beim iPhone 5c gegenüber des iPhone 5 ist der LTE-Chip, der auch beim 5s Verwendung findet, sowie der stärkere Akku. Hier greift gleich ein großes Hauptmerkmal des 5c – denn das 5c ist LTE-fähiger als das 5er-Modell des Vorjahres. Weltweit betrachtet ist das 5c somit besser für LTE-Netze gerüstet, als man es auf dem ersten Blick sieht. Eine große und wichtige Vorraussetzung für den mobilen Nutzen.
Das iPhone 5c macht eigentlich alles richtig, was ein iPhone richtig machen kann. Es sieht gut aus, setzt auf eine ganz bestimmte Kundschaft, hat funktionelle Hardware und bietet das volle iPhone-Erlebnis. Es ist derzeit einfach das zweitbeste iPhone. Anders kann man es nicht ausdrücken. Knackpunkt ist und bleibt der Gerätepreis. Apple setzte anfangs den Preis des 16GB-Modells auf 599€. Zwar hat der Konzern bisher jedes Jahr das Vorjahresmodell für 100€ weniger vertickt, doch das 5c ist gefühlstechnisch auf einer anderen Preiswelle. Das 5c erscheint zu teuer. Plastik, alte Technik, hoher Preis – sagt die breite Masse. Ein falsches und verzerrtes Bild. Das iPhone 5c ein Plastikklon des iPhone 5? Mit Nichten. Trotzdem wirkt es preislich absolut uninteressant. Auch für mich. Bei dem neu eingeführten 8GB-Modell setzt Apple den Preis auf 549€. Eine seltsame Preiswahl, bemerkt man doch, dass sich der Preis bei einer Speicherverdoppelung immer um 100€ erhöht. So hätte das 8GB-iPhone 5c mit 499€ ausgeschildert werden müssen.
Absurder ist aber die Verwendung eines 8GB-Modells, denn mit so wenig Speicher kommt kein User weit – es sei denn er nutzt es als reines Mobiltelefon. Spiele, Fotosammlungen oder ein Videodreh sind mit 8GB nicht zu realisieren. Denn zu erwähnen ist: Es sind nur 4,9 GB an nutzbarem Speicher verfügbar. Der Rest ist für das System reserviert und belegt. Speichertechnisch sind 549€ somit absolut nicht gerechtfertigt – das entschuldigt auch nicht das 4 Zoll-Display, der Lightninganschluss, die gute Kamera und die knalligen Farben. Das iPhone 4S mit 8GB ist im Gegensatz schon für 399€ erhältlich. Trennt Apple Technik und Verarbeitungsmaterialien, oder was ist die Denkweise hinter der Preisfestsetzung? Wohlgemerkt, niemand will ein „Billig-iPhone“. Doch jeder, der kein Highendgerät wie das iPhone 5s benötigt, wäre mit einer günstigen und für 2 bis 3 Jahre sicheren Highend-Alternative einverstanden. Was das 5c hat – in dem Fall ja absolut ist. Wo bleibt dann der Sinn?
Ich persönlich sehe das 5c als einen großen Feldversuch. Wie kommen Farben an? Wie nehmen Leute, nach 4 Jahren Aluminium, wieder ein Plastikgehäuse an? Und reicht manchem Kunde ein 8GB-Modell? Mit dem Feldversuch will man sich das Image aber nicht verderben – und bleibt beim gewöhnlich hohen Preis. Anhand von Verkaufszahlen kann Apple nun genau abwägen, was und wie oft genutzt wird. Man kann Kundenanalysen und Kaufmuster anfertigen und auf kommende Geräte anwenden. Den Feldversuch im Jahr 2013 stattfinden zu lassen, war geplant. Denn in diesem Jahr darf das 5c wieder sterben – die Karten werden neu gemischt.
Im Herbst 2014: Das 5s wird ein Jahr alt und das 5c feiert den Geburtstag gleich mit. Interessant ist auch der Softwaresupport für das 5c. Setzt Apple hier den Support auf die gleiche Laufzeit wie das des iPhone 5? Technisch gesehen würde es nämlich keinen Unterschied machen. Oder rechnet Apple einfach nur in Jahren für den zukünftigen Softwaresupport. In dem Fall wäre für das iPhone 5 früher Schluss, als für seinen aus Kunststoff gefertigten Nachfolger.
Mehr als interessant ist die Konstellation des iPhone-LineUps, denn bisher sind es drei iPhone Modelle, die im Verkauf sind. iPhone 5s, 5c und 4s. Das 4s stirbt dieses Jahr, damit auch endgültig der Dockconnectoranschluss. Vieles spricht für zwei neue iPhone-Modelle. Neben einem 4,7 Zoll-iPhone könnte ein 5,5 Zoll-iPhone vertreten sein. Der Kunde kann, wie beim iPad Air und iPad mini Retina, wählen was er möchte. Der Unterschied liegt am Ende rein an der Displaygröße und somit auch an der Gerätegröße. Technisch gesehen sind beide Geräte identisch. Doch wohin mit dem iPhone 5s und 5c? Sterben beide Geräte?
Alle Retina-iPads haben die identische Auflösung. Nicht-Retina-iPads hingegen ebenso – wenn diese auch mittlerweile dem Tod geweiht sind und somit nur noch eine einzige iPad-Auflösung wirklich wichtig ist. Doch beim iPhone wären es im Herbst drei unterschiedliche Auflösungen. Stimmt, es sind sogar vier – denn da wären noch die alten 3,5 Zoll-Geräte. Somit hätte man im Herbst Auflösungen für ein 3,5-, 4-, 4,7- und 5,5-Zoll-Gerät. Eine pure Fragmentierung. Entwickler müssten für wenige Jahre alle ihre Apps an gleich vier Auflösungen anpassen – waren/sind es beim iPad nur zwei. Sinn? Unsinn? Fragmentierung und unlogische Konstellationen sind immer unsinnig – verwirren sie Entwickler und Kunde zugleich. Ein harter Auflösungskampf im Wandel einer Displaydimensionierung erwartet uns – das 5c ist da nicht ganz unbeteiligt und streckt die Umstellung nochmals.
Im Grunde müsste man in Cupertino umdenken. Herbst 2014 müsste ein neuer Start sein. Zwei Modelle, zwei Displaygrößen und beide mit der selbigen Auflösung. Der Kunde soll sich entscheiden, welches der beiden er mehr benötigt. Der Verkauf aller Vorjahresmodelle sollte gleichzeitig seitens Apple gestoppt werden, um die Fragmentierung nicht künstlich auszuweiten. Demnach würden im Herbst dieses Jahres das 5s und das 5c an dem gleichen Tod sterben. Der Nebeneffekt: Auch der Feldversuch des 5c wäre beendet. Ich würde es wirklich begrüßen, damit alles wieder auf einen Nenner kommt. Wenn dies wirklich so kommt, wie ich es denke (und mir wünsche), dann war das 5c immer mehr ein Experiment – das nur für Apple ernst zu nehmen ist.
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