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Kommentar: Design ist nicht nur reine Optik, die einen in den Bann zieht. Design ist vor allem die reine Wahrnehmung der Objektform, welche sich in einzelne Facetten aufgliedert. Gerade das Berühren eines Objekts ist das herausstechendste Wahrnehmungsmerkmal, denn Tasten ist eines der größten Empfindungen. Dadurch entsteht der Eindruck, dass ein Objekt handlich, klobig, schön, schwer oder auch sexy sein kann. Es gehört demnach mehr dazu, als ein Produkt nur auf seine reine Hauptfunktion zu reduzieren/konzipieren. Das Design, der Mantel des Gerätes, ist das Hauptmerkmal und lässt Geschmäcker am Ende zwischen schön, unschön, anziehend und abstoßend entscheiden. Diesen Designprozess hat bisher auch jedes Apple-Gerät durchlaufen, um sich am Ende als ein Kunstobjekt präsentieren zu können. So belebte die Wahrnehmung des iPad schon immer das Gefühl, das ganze Internet in der Hand halten zu können und somit eine unendliche Freiheit zu erleben. Die reine Formgebung eines Gerätes bewirkt somit einen unglaublichen, psychologischen Prozess beim Benutzer. Und jede kleinste Designänderung bewirkt einen großen Aufschrei der Nutzer.
Ich könnte 1984 als Startpunkt wählen – das Jahr in dem der erste Mac mit grafischer Benutzeroberfläche vorgestellt wurde und der Mac designtechnisch als freundlicher Arbeitsgehilfe erschien. Doch ich beginne die Reise in 2001 – da ich hier den großen Wendepunkt der Formgebung bei Apple sehe. So verkörperte der iPod einen handlichen und tragbaren Musikabspieler, welcher die Industrie durch seine Funktion, aber vor allem durch sein Design stark prägte. Gerade das Clickwheel war optisch betrachtet sehr ansprechend und in der Benutzung phänomenal – auch wenn das heute kaum noch jemand weiß oder direkt nachvollziehen kann. Das Gerät speicherte in seiner ersten Auflage ganze 1000 Lieder – doch diese in einer Geräteform, die von jedem direkt angenommen wurde und womit jeder Nutzer direkt intuitiv umging. Design ist demnach nicht nur eine reine Form, sondern auch Voraussetzung der Funktionsgebung und Funktionsumsetzung. So war es nicht nur ein Speichermedium für Musik, sondern ein einhändiges Bedienkonzept für das Musikerlebnis – jederzeit und an jedem Ort. Das rundliche und für damalige Verhältnisse flache Design wurde schnell als Sinnbild für mobile Musikabspielgeräte. So verkörpert das iPod-Design, auch nach seiner Ära, noch immer die optische Designvorgabe eines mobilen Musikabspielgerätes. Nicht umsonst konnte man in der Industrie bisher so viele iPod-Klone wahrnehmen.
2001 ist schon lange Geschichte und begeistert heute leider niemanden mehr. Vielleicht mag ich da einfach noch die Ausnahme sein, die sich gerne an die alte Zeit erinnert und ein Resume zieht. Doch 2007 sollte noch jedem im Kopf sein. Das Jahr portierte das Produktdesign bei Apple auf eine ganz neue Ebene. Die Zeit des iPhone war gekommen. Vom Grundprinzip ist dies ein Telefon mit eingebautem Musikabspieler. Und nebenbei kann das Gerät auch noch im Internet surfen. Die Bedienbarkeit wurde durch ein Multitouchdisplay ermöglicht, welches Knöpfe und Tasten weitgehend unnötig machte – bis heute noch. Doch das Hauptmerkmal war das Gerätedesign, welches klein, handlich, sexy und sehr ansprechend wirkte. Durch die wenigen Knöpfe war das Gerät und die Bedienung schnell begreifbar und durch das Betriebssystem intuitiv. Es ist somit bei jeder iPhone-Generation nicht der schnellere Prozessor oder das bessere Display, was die Bedienung ermöglicht, sondern vor allem das immer weiter verfeinerte Design, das die Voraussetzung für das Bedienkonzept ist. So empfand man jede Generation bisher als sehr handlich, dünn, leicht und natürlich, wenn man es zum ersten Mal in der Hand hielt. Das war 2007 so und ist auch heute noch so. Je leistungsfähiger und designverfeinerter die Generationen wurden, desto besser gliederten sie sich in den täglichen Umgang ein. Abgerundete Ecken, die das Erlebnis von Scharfkantigkeit vergessen lassen und eine dünne Bauweise die, unabhängig vom tatsächlichen Gerätegewicht, eine leichte Handlichkeit vermittelt.
2010 wuchs das iPhone auf 9,7-Zoll heran und präsentierte sich in einem neuen Gewand. Das iPad eroberte die Welt im Handumdrehen. Ein Tablet, das alles richtig machte und an dem, in Bezug auf technische Aspekte, doch vieles falsch gemacht wurde. Der verbaute RAM von mageren 256MB ließ die erste iPad-Generation schon nach 2 Jahren sterben. Doch das Design war durchdacht, handlich und überraschend mobil. Natürlich lacht man über das iPad aus 2010, wenn man das iPad Air 2 in die Hand nimmt – doch Eindrücke ändern sich und so waren die 2010-Eindrücke intensiv, frisch und überwältigend. Ein Tablet aus Aluminum, das sich glatt, intuitiv und doch leicht und frei anfühlte. Auch wenn das Lesen damit schnell zum Muskelaufbautraining der Armmuskeln wurde. Auch das iPad, welches derzeit immer noch das jüngste Produkt bei Apple ist, erlebte seinen Verfeinerungsprozess, um das Design und die dahinter steckenden Funktionen zu perfektionieren. Ganz am Anfang steht das Design, welches meist dann weichen muss, wenn die technischen Komponenten nicht mit ihm kompatibel sind. Die Designvorgabe wird somit teils stark einschränkt, abgeändert oder auch komplett verworfen.
Gerade der Akku ist bis heute der Knackpunkt, wenn es um ein Gerätedesign geht – benötigt dieses Bauteil einfach einen vordefinierten Platz, um das Gerät am Ende auch sinnvoll einsetzen zu können. Doch neue Batteriedesigns ermöglichten somit auch die heutigen Geräteformen. Bei Apple kann man oft die Veerbungsregeln beobachten, wo Produktgenerationen bzw. andere Produktkategorien ihr Design an andere Kategorien weitergeben. So erbete das iPad Air sein Geräte- und Komponentendesign vom kleinen Bruder, dem iPad mini. Ein Gerät, was es scheinbar nie geben sollte. Doch heute wissen wir, auch ein kleines und damit sehr ansprechendes iPad-Modell, kann mit seinen 7,9-Zoll das komplette iPad-Feeling ermöglichen. Und trotzdem weiß man, das iPad Air 2 fühlt sich dünner noch besser an. Eine Designänderung, die man spürt, wahrnimmt und schätzt – durch und durch.
Bemerkenswert ist, dass das iPad Air 2 nur ca. 30 Gramm leichter als sein Vorgänger ist. Durch die dünnere Bauweise fühlt es sich aber viel leichter an. Das ist auch beim iPhone 6 und iPhone 6 Plus zu beobachten. Obwohl beide iPhone-Modell größer, dünner und auch etwas schwerer wurden, fühlen sich beide leichter an, als das iPhone 5 und iPhone 5s. Der Weiterentwicklung des iPod touch ist es demnach zu verdanken, dass die iPhone-Modelle 2014 so sind, wie sie sind – und das mit einem enormen Leistungszuwachs als Sahnehäubchen. Das spezifische Design ist dafür verantwortlich, dass technische Daten durch die Psychologie verworfen werden und eine ganze andere Wahrnehmung stattfindet – ganz egal was Zahlen sagen. Wer einen iPod touch der neusten Generation sein Eigen nennt, der weiß, dass das iPad Air 2 gleich dick ist und sich diese Gefühlssache extrem gut und richtig anfühlt.
Auch die Mac-Kategorie erlebte ihre Designvererbung. So kann man es dem MacBook Air verdanken, dass künftige MacBook-Modelle eine dünnere Bauart erhielten und die Mobilität vielseitig perfektioniert wurde – mit dem „nebensächlichen“ Punkt zugleich auf Desktopniveau agieren zu können. Somit ist das Design das Kernstück eines jeden Produkts und lässt den Benutzer bei Gefallen gerne damit agieren.
Und doch gibt es gerne einen Aufschrei in der Masse, wenn Designmerkmale verschwinden bzw. anderen Designaspekten weichen müssen. Jüngstes Beispiel – der verschwundene Stummschalter am iPad Air 2. Ich habe ihn in der Vergangenheit immer zum Stummschalten des iPad genutzt und nicht für die Rotationssperre. Und trotzdem empfand ich ihn immer als störend und fremd. Andere freuen sich weniger über den jetzigen Wegfall desselbigen und segnen das Ganze als groben Fehler ab. Eine Meinung, die ich nicht wirklich teilen kann. Die softwareseitige Lösung finde ich durchdacht, gelungen und zeitgemäß. Die Funktionen sind im Control Center schnell und einfach erreichbar. Und als nächstes wird das alteingesessene SIM-Karten-Tray dran glauben müssen. Denn auch hier ist schon längst eine softwareseitige Lösung fällig – auch wenn ich Mobilfunkanbieter jetzt schon empört aufschreien höre. Es wird auch hier Zeit für einen Umschwung und wer mitschwingen will, der muss Prinzipien ändern und Denkweisen überdenken – doch zu diesem Thema ein anderes Mal mehr. Man sieht an der herausstehenden Kamera des iPhone 6 und iPhone 6 Plus ganz genau, wie wenig Platz am Ende übrig ist, um Komponenten in einer gewünschten Produktform unterzubringen. So wurde das Kameramodul teilweise nach außen gesetzt und ragt aus dem Gerät heraus. Manch einem mag das gefallen, manch einen mag das stören.
Und auch die Apple Watch lässt erkennen, wo die Reise begann. Denn der iPod nano in seinen unterschiedlichsten Designfacetten zeigt ganz klar, wie man das Gerät nach und nach verkleinerte und dennoch seinen Funktionsumfang verbesserte und erweiterte. Die Apple Watch hat demnach ihre Wurzeln in der Kategorie des iPod nano verankert und schöpft daraus. Die iPod-Kategorie stirbt somit nicht aus – sie verwurzelt sich nur in neuen Kategorien und lebt so als neuer Grundansatz weiter. Die Vererbunsglehre des iPhone, des iPad und der Apple Watch. Alles hat einen gewissen Grund, jede Designentscheidung. Und wer sich nicht von alten Ansätzen trennen kann, wird niemals frei für neue Ansätze sein. Änderungen bewirken Änderungen.
Wo wir wieder bei der Konstellation der Formgebung von Geräten sind. Denn um hier ein Ziel zu erreichen, müssen Entscheidungen getroffen werden und Ballast über Board geworfen werden. Altes muss Platz machen, damit neue Ansätze umgesetzt werden können. Tausend „Nein“ für ein „Ja“. Dies bestimmte die Verschiebung des Kopfhöreranschlusses beim iPhone, das Aus für den Dockconnectoranschluss und die zeitgleiche Einführung des Lightninganschlusses, Verlegung von Mikrofonen, das Verschwinden von Ethernet- und FireWire-Anschlüssen an MacBook-Modellen und auch die Entfernung des iPad-Stummschalters. Natürlich lässt es sich streiten wie dünn manche Geräte noch werden müssen. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass hier der Endnutzen immer überwiegt und ein dünnes Gerät wesentlich intensiver genutzt/gekauft wird, als ein klobiges Vorgänger- oder Konkurrenzprodukt. Das Design entscheidet am Ende über Funktionalität, Alltagstauglichkeit, Benutzungsvielfalt, Benutzungsintervalle, Anwendungsgebiete auch die die Lebensdauer eine Gerätes. Künftig auch in einer tragbaren Gerätekategorie, denn wie Tim Cook schon vor der Veröffentlichung der Apple-Watch verlauten ließ:
I think the wrist is interesting. I’m wearing this (Nike Fuelband) on my wrist, it’s somewhat natural. But as I said before, I think for something to work here, you first have to convince people it’s so incredible that they want to wear it.
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36 Gedanken zu „Das Produktdesign – Neuerschaffung, Vererbung und Wandel zugleich“
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