Kommentar: Es ist soweit – wir schreiben das Jahr 2015. Dieses Kolumnenthema habe ich 2014 vorenthalten und für dieses Jahr reserviert. Vieles wurde schon über die Apple Watch geschrieben. Vieles dabei in den Himmel gelobt und vieles zugleich verteufelt. Die Apple Watch ist keine Neuerfindung der Industrie und auch ist Apple selbst nicht der Erfinder der Smartwatch. Nein – diese gibt es schon seit vielen Jahren und in den kuriosesten Versionen. Die ersten Gehversuche der Smartwatch-Ära sind heute sehr amüsant zu betrachten und wirkten damals dennoch futuristisch. 2015 wird diese Kategorie allerdings auf eine neue Ebene angehoben und erhält eine neue Vorgabe. Eine neue Produktkategorie schlägt in diesem Jahr den Gong der Zeit und lässt damit eines verlauten – 2015 wird ein zweites 2007.
Wir erinnern uns (wenn auch vielleicht nicht jeder) noch sehr genau an 2007. Apple betritt die Bühne und zeigt sein erstes hauseigenes Smartphone – das iPhone classic. Wenn man heute sein iPhone oder sein iPad in die Hand nimmt, dann erinnert man sich vielleicht noch an diesen Sprössling aus 2007. Das Jahr in dem mobile Anwendungen das wirkliche Laufen lernten und eine ganze Handyindustrie umkrempelte oder auch in den Tod gestürzt wurde. Der Sprössling aus 2007 bildete in den folgenden Jahren einen dicken Stamm, der heute allgegenwärtig und selbstverständlich erscheint. Dicke Wurzeln, welche 2007 noch sehr zart wirkten, greifen heute tief in den Boden und halten diesen Stamm sicher und fest. Ein iPhone aus 2007 wirkt heute (selbstverständlich) technisch veraltet. Doch trotzdem sollte man nie vergessen, dass gerade dieses Jahr den Beginn einer langen Evolutionsgeschichte anstieß und so den Startschuss für eine individuelle und facettenreiche Plattform gab.
2007 wird sich dieses Jahr wiederholen. Die Apple Watch ist Apples neue Produktkategorie und soll 2015 in den Verkauf gehen. „2015“ klingt sehr schwammig. Es war auch von „Anfang 2015“ die Rede. So tendiere ich zu einem Release in März/April – zeitlich sollte dies gut in Apples Timeline passen. Die Apple Watch gehört in die Kategorie der Smartwatch und kann dennoch nicht einfach als solche abgestempelt werden. Die Uhr ist ein designtechnisches Glanzstück – das sollte jeder so sehen. Nie war eine Armbanduhr schöner – in Anbetracht dessen, dass hinter dem Design eine Hand voll Technik liegt.
Eins vorne weg – ohne iPhone ist die Apple Watch nichts. So gesehen ist die Apple-Uhr grob gesehen ein Zweitbildschirm für das iPhone. Das iPhone, welches tagtäglich sowieso dabei ist, verbleibt in gewissen Szenarien nun fortan in der Hosentasche, reicht die Information an das Zweitdisplay am Handgelenk weiter und fungiert so als Zentrale. Die Uhr selbst ist der Wahrnehmungsort der Informationen und ermöglicht das direkte Betrachten der Information und auch das Reagieren und Agieren. Dass die direkte Wahrnehmung für Apple ein sehr ernstes Thema ist, lässt sich anhand vieler Details erkennen. Denn nicht nur ein akustisches Signal macht den Nutzer auf etwas aufmerksam, sondern auch ein haptisches. Das Modul dafür nennt Apple „Taptic-Engine“. Eine Kombination aus „Tap“ (zu Deutsch „Tippen“) und „Haptics“ (zu Deutsch „Wahrnehmung“/„Fühlen“).
Nichts im menschlichen Körper ist ausgeprägter als die allgemeine Wahrnehmung – gerade die Haut ist eines der größten Wahrnehmungsorgane. Taptic-Engine greift genau darauf zurück. Die Apple Watch vibriert demnach nicht einfach – sie gibt ein detailliertes Vibrationenmuster ab, welches an ein Antippen erinnert. Es ist etwas wie das Tippen auf die Armbanduhr, was gerne als Geste „Es wird langsam Zeit!“ verstanden wird. Nur hier übernimmt dies die Uhr selbst und erinnert den Träger daran, dass es langsam Zeit wird. Schon jetzt übernimmt das Taptic-Modul auch Aufgaben der Navigation. Die Uhr tippt einen an, wenn sich auf einer Fußgängerroute die Richtung ändert und man abbiegen muss. Es ist der kleine, unsichtbare Helfer, der einem im Alltag stumm an die Hand nimmt und zur Seite steht. Gerade für blinde Menschen kann so eine barrierefreie Navigation im Alltag ermöglicht werden. Dies bisher nur Outdoor aber vielleicht, durch den Ausbau der Apple-Maps, auch in naher Zukunft Indoor. Taptic-Engine ist der kleine Anstoß, der etwas großes in Gang bringt.
Empfindungen nahm Apple gerade bei der direkten Bedienung der Uhr sehr ernst. Das verbaute Retinadisplay löst Inhalte scharf und klar auf. Solch ein kleines Display mit allerhand Wischgesten zu bestücken wäre allerdings mehr als unpassend gewesen, denn Finger verdecken dabei den Inhalt des Bildschirms. Eine digitale Krone, welche man in klassischen Uhren zum Einstellen der Zeit nutzte, dient nun zur Bedienung der Uhr-Oberfläche. Etwas Bekanntes wird somit neu definiert und erhält eine neue Funktion. Durch das seitliche Drehrad kann durch Anzeigen gescrollt und gezoomt werden. Zeitgleich dient das Drehrad auch als Homebutton, wodurch man zum Startpunkt der Oberfläche gelangt. Das feine Drehrad macht die Bedienung der Uhr fühlbar. Das Andrehen des Rades bewirkt das direkte Verändern der Uhroberfläche und macht diese somit leicht bedienbar, verständlich und nachvollziehbar. Absolut vergleichbar ist hier das Multitouchdisplay und das Trackpad – welche ebenso auf physikalische Vorgaben setzen und eine intuitive Bedienung demonstrieren.
Interessant ist aber auch das Display der Apple Watch. Dieses dient nicht nur als Anzeige des Inhalts, sondern ist zugleich auch ein Bedienelement. Simple und dennoch bekannte Wisch- und Streichgesten versteht es und doch ist es anders als man es von iOS bisher kennt. Das Display realisiert, ob man es antippt oder drückt. Dies ermöglicht die unterschiedlichsten Anwendungen. Das Antippen kann als Befehl der Auswahl genutzt werden – das Drücken hingegen als Befehl der optionalen Veränderung. So ist ein Tipp ein Tipp und ein Druck ein Druck. Das Fingerspitzengefühl macht am Ende aus wie man in gewissen Situationen agiert. Dadurch können Bedienelemente durch einen Tipp gesteuert werden und ein Druck auf diese zeigt weitere Kontextbereiche an. So kann iOS (Watch OS) auf der Apple Watch aber auch einen „Tipp“ und einen „Druck“ als unterschiedliches Einverständnis annehmen – ähnlich wie ein „Ja“ und ein „Nein“.
Hauptmerkmal ist aber das durchdachte Design der Apple Watch. Wie Tim Cook es schon vor der Veröffentlichung der Apple Watch verlauten ließ:
I think the wrist is interesting. I’m wearing this (Nike Fuelband) on my wrist, it’s somewhat natural. But as I said before, I think for something to work here, you first have to convince people it’s so incredible that they want to wear it.
Das hat man mit der Apple Watch geschafft. Eine Uhr die wie eine Uhr wirkt aber dennoch auch die heutige und digitale Zeit widerspiegelt – die digitale Krone ist ein Garant dafür. Magnete sind in vielen Punkten immer sehr clever und alltagstauglich. Das zeigt schon das SmartCover und die damit verbundene Funktion anhand von Magnetpunkten, die das Aufwachen oder auch Einschlafen des iPad bewirken/ermöglichen. Ebenso ist durch Magnete auch die Befestigung des SmartCovers geregelt. Auch die Apple Watch hat Magnete, welche zur Justierung und Befestigung des Armbandes und des Ladekabels genutzt werden. Durch die magnetische Justierung und Befestigung des Armbandes im Uhrengehäuse, kann jeder das Armband zu einem bestimmten Anlass austauschen – schnell und einfach. Leder und Metall machen diesen Wandel sehr schnell möglich und gliedern die Armbanduhr in jedes Bild ein. Ein Uhrengehäuse und verschiedene Armbänder für verschiedene Anlässe. Ein Accessoire was somit zu jedem Outfit passt. Egal ob Aluminium, Edelstahl, Gold oder Roségold – jeder kann das Uhrengehäuse wählen, welches zu ihm passt und seinem Stil entspricht – es gibt für jeden eine Apple Watch, denn die Kombinationsmöglichkeiten sind schier unbegrenzt. Magnete halten und justieren auch den Ladeadapter – bekannt vom magnetischen MagSafe-Anschluss des MacBook. Die Apple Watch kann so blind im Dunkeln an ihre Stromquelle angeschlossen werden – ohne wissen zu müssen, wie man ein Kabel richtig herum in eine Ladebuchse steckt.
Apples Armbanduhr ist in erster Linie ein Zeitmessgerät – wie man es von einer Armbanduhr erwartet. Sie ist außerdem ein Timer, eine Stoppuhr und ein Wecker – der sogar lautlos wecken kann, sofern man die Uhr nicht in der Nacht am Ladekabel hängen hat. Doch über den Tag ist sie ein Trainingspartner und Motivator. So zeichnet sie Bewegungen auf und übergibt die Daten an die Health-App auf dem iPhone. Durch die Bewegungsüberwachung steigt aber zeitgleich auch die eigene Motivation zur Bewegung, um ein definiertes Ziel zu erreichen und so vielleicht das ein oder andere Abzeichen zu ergattern, welches die Uhr als Anerkennung an den fleißigen Träger vergibt. Das kann der Ansporn zum Verbrennen einer gewissen Kalorienanzahl oder Zurücklegen einer gewissen Distanz sein. Und auch hat man an die Träger gedacht, welche an den Bürostuhl gefesselt sind. So erinnert die Uhr daran die Magic-Mouse mal zur Seite zu legen und ein paar Minuten im Stehen zu verbringen – das kann Rückenleiden und eingeschlafene Füße verhindern. Durch die Anbindung an das iPhone wird der Träger jederzeit über eine neue iMessage, einen Termin oder eine E-Mail benachrichtigt. Nachrichten und Mails können mit Schnellantworten gecheckt werden oder vom iPhone entgegengenommen und in ausgelassener Version beantwortet werden – Continuity lässt grüßen. Vor allem das neue Gebiet von HomeKit lässt erahnen wozu die Uhr genutzt werden kann. So kann man mit ihr in absehbarer Zeit schon Türen öffnen, Lichter einschalten und Waren bezahlen. Stimmt bezahlen! Denn die Apple Watch ist der schnellste Weg, um per ApplePay zu zahlen. Durch die Apple-Watch wird auch ein iPhone 5, iPhone 5c und iPhone 5s applepayfähig. Ein einfaches Halten der Uhr an ein Bezahlterminal ermöglicht somit das schnelle und bargeldlose Zahlen – sofern dies auch in Europa noch in 2015 ankommen sollte.
Das Problem, sofern man es überhaupt so nennen sollte, ist, dass die Uhr nicht ohne ein iPhone agieren kann. Sprich GPS und eine mobile Internetanbindung fehlen der Apple Watch. Somit kann die Uhr nicht alleine agieren und benötigt das iPhone als Zentrale. Trotz, dass die Apple Watch sehr durchdacht und innovativ scheint – es ist eine 1.0. Demnach gibt die erste Generation der Apple Watch den Startschuss für die kommenden Gerätegenerationen. 2015 wird ein neues 2007 – das sollte man immer bedenken und seine Ansicht dementsprechend anpassen. So eingeschränkt die Apple Watch vielleicht in gewissen Teilen wirken mag, so klar ist es wo die Reise mit ihr hingeht. Das iPhone erfuhr auch erst in seiner zweiten Generation etwas von UMTS (HSDPA) und GPS und machte das Gerät ab diesem Zeitpunkt mobiler und vernetzbarer denn je zuvor. Den Startschuss der Apple Watch sollte man miterleben und genau hinhören, damit man weiß ich welche Richtung er abgefeuert wurde. Ich persönlich möchte unbedingt diese Schallwelle wahrnehmen – in den Genuss der neuen Funktionen kommen, beim Laufen der tragbaren Kategorie zuschauen und so den Start einer neunen Ära miterleben. Ich finde es mehr als treffend und so soll ein Zitat von Leonardo da Vinci diese Kolumne abschließen.
„Die Zeit verweilt lange genug für denjenigen, der sie nutzen will.“
Euch gefällt meine redaktionelle Arbeit und ihr möchtet sie unterstützen? Dann könnt ihr dies gerne über diesen Link tun. Vielen Dank.
102 Gedanken zu „Apple Watch – ein zweites 2007“
Die Kommentare sind geschlossen.