Verbraucherschützer fordern ein „Recht auf Reparatur“, mit dem Hersteller gezwungen werden, Ersatzteile auch an Verbraucher und unabhängige Dienstleister zu verkaufen. Gestern vertrat Apple vor dem Parlament in Nebraska seine Auffassung darüber, warum das Reparatur-Monopol weiter bestehen sollte.
Apples Reparatur-Monopol
Bislang besitzt Apple ein Reparaturmonopol: Nur die eigenen Stores und autorisierte Dienstleister erhalten Originalteile, die qualitativ genau dem defekten Bauteil entsprechen. Unabhängige Reparaturdienstleister müssen entsprechend auf Nachbauten zurückgreifen, die oft einen deutlichen Qualitätsunterschied aufweisen. Vor allem bei Displays erkenne man diesen deutlich, so Hans Peter Kroll, der mit seinem Sohn das Maclabor in München betreibt.
Kunden, die auf Originalteile Wert legen sind daher an Apple und die autorisierten Partner gebunden. Bei teilweise über 300 Euro pro Reparatur ist das ein lohnendes Geschäft für Apple. Bekämen auch unabhängige Werkstätten Originalteile geliefert, könnte das den Konkurrenz- und Preisdruck auf dem Reparaturmarkt verstärken. Die Verbraucher könnten dann von günstigeren Reparaturen profitieren.
Zertifizierte Partner werden häufig mit speziellen Werkzeugen und Apparaten ausgestattet, die eine Prüfung der Teile und die fachmännische Reparatur ermöglichen. Freie Dienstleister müssen hingegen oft improvisieren. Apple tauscht bei Hardware-Problemen meist gleich das ganze Gerät aus, sodass der Kunde schneller wieder ein funktionierendes Gerät in den Händen hält. Kunden mögen diesen Service: Bei der Kundenzufriedenheit führt Apple sowohl in der Umfrage der Fachzeitschrift c’t als auch in einer davon unabhängig erhobenen Umfrage von Verivox. In 69 Prozent der Fälle tausche Apple das Gerät aus. Bei Sony sind es nur 29 Prozent und bei Samsung sogar nur 9 Prozent. Google geht einen Sonderweg: Der Konzern schickt dem Kunden schon vorab ein Ersatzgerät – erst im Anschluss muss dieser das defekte Gerät einschicken.
Right to Repair
Bild: John Deere
Verbraucherschützer und zahlreiche unabhängige Dienstleister fordern weltweit ein „Recht auf Reparatur“. Dies würde Hersteller verpflichten, neben Ersatzteilen auch Reparaturanleitungen und Diagnosewerkzeuge an unabhängige Reparaturwerkstätten zu verkaufen. Neben Elektronik, wie in Apples Fall, beträfe dieses Gesetz zum Beispiel auch große landwirtschaftliche Maschinen, wie Traktoren von John Deere.
Aber auch Umweltschutzorganisationen wie Germanwatch machen sich dafür stark. War es früher noch üblich, einen Akku auszutauschen, werden Bauteile moderner Geräte mit immer mehr Funktionen auf immer kleinerem Raum heute oft fest verlötet oder bis zur Unreparierbarkeit verklebt. Der Reparaturspezialist IFIXIT, welcher auf seiner Website auch selbsterstellte Reparaturanleitungen veröffentlicht, hat für die meisten Smartphones auf dem Markt eine 10-stufige Bewertung der Reparierbarkeit vorgenommen und in einer Übersicht veröffentlicht. Zumindest bei der iPhone-Reihe zeigt die Übersicht jedoch grundsätzlich ein Trend zur Verbesserung der Reparaturfähigkeit.
Garantieverlust
In Deutschland gibt es einen wichtigen rechtlichen Unterschied zwischen Gewährleistung und Garantie, der noch nicht bei allen Verbrauchern angekommen ist.
Die Gewährleistung ist gesetzlich vorgegeben. Der Händler eines Produktes leistet Gewähr, dass das Produkt beim Gefahrenübergang mängelfrei war. Der Verkäufer versichert also, dass das Produkt zum Zeitpunkt des Kaufes im vereinbarten Zustand, bei Neuware also mängelfrei, war. Bei Neuware beträgt der Gewährleistungszeitraum 24 Monate. Wenn ein Kunde in dieser Zeit einen Mangel feststellt, der bereits beim Kauf bestehen musste, kann er diesen Mangel beim Verkäufer reklamieren. Wichtig hierbei ist, dass sich nach 6 Monaten die Beweislast umkehrt: In den ersten 6 Monaten ab Kauf müsste also der Verkäufer beweisen, dass ein Mangel nicht schon zum Kaufzeitpunkt bestand; nach den 6 Monaten muss der Kunde beweisen, dass das Produkt den Mangel bereits zum Kaufzeitpunkt aufwies. Dieser Beweis ist für beide Seiten im normalen Handelsverkehr sehr schwierig zu leisten.
Die Garantie ist hingegen eine rein freiwillige Leistung des Herstellers. Der Hersteller garantiert für einen frei festgelegten Zeitraum bestimmte Eigenschaften, wie zum Beispiel die allgemeine Funktionsfähigkeit des Gerätes. Der Hersteller bestimmt aber auch die Garantiebedingungen – also unter welchen Voraussetzungen die Eigenschaften garantiert werden. Werden die Bedingungen verletzt, entfällt der Garantieanspruch.
Eine solche Bedingung kann z.B. das Öffnen des Gerätes sein. In Apples Fall entfällt die Garantie zum Beispiel, wenn ihr euer Gerät selbst repariert oder von unautorisierten Werkstätten reparieren lasst. Nachvollziehbar – schließlich kann Apple keine Verantwortung für die Qualität der Arbeit von externen Dienstleistern übernehmen, mit denen der Konzern in keinerlei Verbindung steht.
In den USA gibt es diese Unterscheidung nicht – dort spricht man allgemein von „Warranty“. Je nach Bundesstaat können Herstellerfehler oder falsche Werbeversprechen bis zu vier Jahre lang reklamiert werden.
Darüber hinaus bietet Apple eine erweiterte Garantie an: Applecare+. Für einmalig 130 US-Dollar beziehungsweise 150 Euro können die Käufer dann zum Beispiel eine vergünstigte Display-Reparatur für 29 statt der üblichen 150 Euro in Anspruch nehmen.
Gefährliche Reparaturen?
Die Lobbyarbeit von Apple und IBM konnte letztes Jahr einen entsprechenden Gesetzesentwurf aus New York aufhalten. Doch neben Nebraska haben im Januar dieses Jahres auch Minnesota, New York, Massachusetts, Kansas und Wyoming entsprechende Gesetzesentwürfe vorgelegt. Anfang Februar folgten Illinois und Tennessee mit ähnlichen Entwürfen. Der Druck auf die Konzerne steigt.
Lobbyisten geben sich derweil größte Mühe, zu betonen, wie gefährlich eine Reparatur sein kann. Mitarbeiter der CTIA, einer Interessenorganisation für Funkanbieter wie AT&T, warnten beispielsweise in Minnesota davor, dass sich Verbraucher schneiden könnten, wenn sie versuchen würden, ein kaputtes Displayglas auszutauschen.
Apple erklärte gegenüber den Parlamentariern, Nebraska könne „ein Mekka für Hacker“ werden, wenn das Gesetz allein dort zum tragen käme. Tatsächlich ist dies eher unwahrscheinlich – auch deshalb, weil sich entsprechende Gesetze oft wie ein Lauffeuer über die USA verbreiten, sobald sie erst einmal in einem Bundesstaat beschlossen wurden. Apple mahnte, bei unsachgemäßer Handhabung, wie durch Verbraucher, die versuchen, ihr Gerät selbst zu reparieren, könnten die Lithium-Akkus beispielsweise in Flammen aufgehen. Damit schürt der Konzern nach Samsungs Note-7-Debakel die Angst vor explodierenden Akkus. In der Tat lag die Ursache der Selbstentzündung der Geräte in Akkus, die beim Einbau in die zu klein gestalteten Gehäuse minimal beschädigt wurden. Apple verwies darauf, dass es mit 270 Apple Stores und 1370 autorisierten Händlern in den USA ausreichende fachmännische Reparaturwerkstätten gäbe. Reparaturanleitungen könnten außerdem Industriegeheimnisse verraten und Sicherheitsrisiken bergen.
Nach der Anhörung kamen die Abgeordneten zu dem Schluss, dass die Einführung des Right to Repair zumindest in Nebraska in diesem Jahr nicht in Betracht gezogen wird. Es bleibt abzuwarten, welche Entscheidungen in den anderen Bundesstaaten gefällt werden.
[via Süddeutsche Zeitung]
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