Apple und Google liefern sich bei der Einbindung in die Infotainment-Systeme unserer Autos ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen – sowohl, was die Verbreitung angeht, als auch mit Blick auf die Funktionalität und Qualität der Umsetzung. Wir fassen zusammen, wer in welchem Bereich die Nase vorn hat.
Infotainment-Entwicklung
Lange Zeit sind die Automobilhersteller mit ihren Infotainment-Systemen eigene individuelle Wege gegangen. Dabei setzten sie auf unterschiedliche Standards zur Verbindung mit dem Telefon oder zur Verwaltung der Telefonkontakte. Im Ergebnis waren viele Lösungen daher nicht immer zufriedenstellend. Und auch heute bieten sie noch unabhängige Systeme mit unterschiedlichen Bedienkonzepten und verschieden zuverlässigen Diensten wie Sprachsteuerungen.
Mit der Leistungsfähigkeit und dem Funktionsreichtum moderner Smartphones sind viele Nutzer dazu übergegangen, ihr Telefon direkt per USB mit dem Autoradio zu verbinden und das Handy an Stelle des teuren Infotainment-Systems zu nutzen. Doch die Bedienung des Handys ist auf den relativ kleinen Displays mit unzähligen Funktionen während der Fahrt nicht nur umständlich und folglich riskant, sondern zum Teil auch verboten. Daher haben die größten Plattformbetreiber Apple und Google spezielle Modi zur Verwendung im Fahrzeug entwickelt.
Apple mit CarPlay auf der Pole-Position
Als Apple CarPlay im Frühjahr 2014 vorstellte, hielt sich die Begeisterung der Automobilhersteller in Grenzen. Nur wenige waren von Anfang an dabei, denn die Hersteller wollten ihre eigenen Lösungen nicht aufgeben und sich von den Plattformbetreibern abhängig machen. Schließlich werden diese auch zur Konkurrenz für künftige Geschäftsmodelle, die auf Daten basieren, welche im Auto erhoben werden. Kurz darauf folgte auch Google mit einer eigenen Lösung für Android-Geräte: Android Auto.
Inzwischen ist die Liste der verfügbaren Modelle jedoch bei beiden Anbietern gewachsen. 40 Hersteller unterstützen CarPlay in über 100 verschiedenen Modellen. Bei Android Auto sind es sogar 44 Hersteller. Daneben gibt es auch Nachrüst-Lösungen für ältere Fahrzeuge, berichtet MacWelt. Die meisten Hersteller sind aber gleich mit beiden Systemen kompatibel, weil sie es sich nicht leisten können, nur auf eine Plattform zu setzen, analysierte das IT-Marktforschungsunternehmen IHS. Dieses schätzt, dass 2015 rund 1,41 Millionen Fahrzeuge mit CarPlay-Unterstützung und etwa 1,15 Millionen mit Android-Auto-Kompatibilität auf den Straßen unterwegs waren. Bis 2020 wird ein Anstieg auf 93 Millionen CarPlay-Fahrzeuge und 100 Millionen Fahrzeuge mit Android-Auto-Unterstützung prognostiziert. In China, so IHS, werden sich beide Konzerne hingegen dem chinesischen Google-Klon Baidu geschlagen geben müssen.
CarPlay, Android Auto, Mirrorlink
CarPlay wird ab dem iPhone 5 mit iOS 7 unterstützt. Das iPhone wird einfach per Kabel mit dem Fahrzeug verbunden und startet dann in der Regel startet direkt den CarPlay-Modus. Auf dem Head-Unit-Display des Fahrzeugs erscheint dann der vertraute Homescreen – jedoch nicht 1:1 gespiegelt, sondern nur mit den Apps, die von CarPlay unterstützt werden. Die Apps werden dementsprechend direktauf dem iPhone installiert. Die App-Icons sind auf den großen Displays außerdem größer als auf dem iPhone oder iPad. Das sorgt für Übersicht und eine einfache ablenkungsfreie Bedienung während der Fahrt. Das Dock befindet sich am linken Displayrand des stets horizontalen Bildschirms. Unten links sitzt ein virtueller Home-Button. Das iPhone-Display ist im CarPlay-Modus gesperrt.
Apple übernimmt damit die Software-Seite des Infotainments: Siri, Telefonie, Navigation, Webradio, und andere Apps kommen direkt vom iPhone. Inkompatibilitäten etwa mit der Kontaktverwaltung gehören damit der Vergangenheit an. Das Smartphone stellt außerdem die Rechenleistung des Systems, sodass diese zusammen mit neuen Generationen steigt. Außerdem nutzt das System die Internetverbindung des Smartphones, um beispielsweise Sprachbefehle oder Kartenmaterial zu übertragen. Seit Ende 2015 hat Apple mit wireless CarPlay auch eine kabellose Verbindung im Programm, die derzeit nur von BMW unterstützt wird. Im CarPlay-Modus lädt sich das iPhone aber ohnehin kaum auf, weil das Gerät ständig arbeitet. Wireless CarPlay dürfte den Akku entsprechend schnell in die Knie zwingen. Hier könnte ein kabelloses Ladegerät mit entsprechender Lade-Hülle hilfreich sein. Das Fahrzeug übernimmt die übrige Hardwareseite, wie das Display, die Bedienelemente, das Mikrofon und die Lautsprecher.
Android Auto funktioniert prinzipiell ähnlich, obwohl es optisch wesentlich verspielter daherkommt. Statt großer, etwas in die Jahre gekommener App-Icons begrüßen den Nutzer animierte Widgets. Die Einrichtung ist jedoch etwas aufwändiger, da vor der ersten Nutzung erst die Android Auto App installiert werden muss. Die Verbindung soll jedoch nicht immer ganz reibungslos funktionieren, was wohl nicht zuletzt der Masse unterschiedlicher Android-Geräte verschiedener Hersteller geschuldet ist. Einige Geräte wurden zuverlässig erkannt, andere werden zwar erkannt, zeigen auf dem Bildschirm im Cockpit des Autos kein Bild und wieder andere werden gar nicht erkannt, obwohl sie kompatibel sein sollten, wie ihr bei Interesse in diesem Video sehen könnt. Die ebenfalls für Android-Geräte konzipierte MirrorLink-Technik soll die Verbindung zum Fahrzeug deutlich reibungsloser herstellen können. Allerdings nutzen weit weniger Hersteller dieses System. So erklärte Audi beispielsweise:
„Wegen der geringen Marktverbreitung und der fehlenden Integration bei Apple unterstützt Audi aktuell kein Mirrorlink, sondern nur Apple Carplay und Android Auto.“
Zwei weitere YouTuber stellen sich aktuell die Frage, was denn im Auto wirklich wichtig ist. Sie kommen zu dem Schluss, dass das Navigieren, das Telefonieren und das Schreiben von Nachrichten per Sprachbefehl beim Autofahren wohl die häufigsten Anwendungsfälle sind.
Im Video zeigt sich, dass der Vergleich dadurch letztlich auch zu einem Duell der Sprachassistenten wird. Google Now schlägt Siri hier um längen: Während das Diktieren von Nachrichten auf beiden Systemen gut funktioniert, hat Siri Probleme, den Namen eines Kontaktes richtig zu verstehen. Apple Maps finden den richtigen Ort auch erst beim fünften Anlauf, während Google Maps direkt das richtige Ziel findet.
Für die Sprachsteuerung ist eine gute Internetverbindung notwendig. In ländlichen Gebieten mit EDGE oder in Tunnels reagiert das System dann nicht oder nur extrem zögerlich auf Sprachbefehle. Siri soll im CarPlay-Modus außerdem generell träger laufen, als direkt auf dem iPhone.
Android Auto bietet außerm den Vorteil, dass es sich auch in Autos ohne entsprechende Unterstützung direkt auf dem Smartphone verwenden lässt und dem Nutzer so zumindest eine speziell auf den Einsatzzweck abgestimmte Oberfläche bietet.
Beide Systeme werden jedoch konsequent weiterentwickelt. So kennt Apple Maps inzwischen auch Sonderzielsuche auf der Route und unterstützt Zusatzdisplays wie den kleinen Bildschirm am Lenkrad oder Head-Up-Displays von BMW. Außerdem wurde CarPlay zuletzt für eine bessere Darstellung auf Widescreen-Monitoren wie im 7er BMW optimiert. Die Kartenapp speichert darüber hinaus automatisch den letzten Standort des Wagens, indem es sich merkt, wo das iPhone zuletzt mit der Freisprechanlage gekoppelt war.
App-Entwickler zögerlich
Für CarPlay sind neben den hauseigenen Apps – Stand: Mitte 2016 – nur 16 Apps von Fremdanbietern verfügbar. Für Android Auto fanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits 51 Apps externer Entwickler im Play Store. Allerdings klingen beide Zahlen nicht wirklich überzeugend.
Das so wenige Apps für die Systeme entwickelt werden hat gleich mehrere Gründe: Zum einen kommt neben dem Plattformbetreiber und dem Entwickler mit dem Automobilhersteller eine dritte Partei hinzu, die bei der Freigabe mitbestimmen will. Alle drei müssen sich einig sein – ein sehr aufwändiger, fast politischer Prozess beginnt. Zudem sind die Entwicklungszyklen bei Apps deutlich kürzer, als in der Automobilindustrie üblich.
Die verschiedenen Hersteller haben bisher unterschiedliche Schnittstellen freigegeben – einige davon nur sehr eingeschränkt. Damit wird die Zahl der Anwendungsfälle bisher auf wenige Medien-Apps und Messenger beschränkt.
Auch auf der Hardware-Seite machen die vielen unterschiedlichen Systeme Probleme. Neben einer Vielzahl an Android-Geräten gibt es auch eine Reihe unterschiedlicher Head-Unit-Displays in diversen Größen und Auflösungen – sowohl mit, als auch ohne Touch-Bedienung. Zudem gibt es Hardware-Tasten – zum Teil am Lenkrad – die in einigen Fahrzeugen für die Bedienung freigegeben wurden. Ein kurzer Druck auf die Spracheingabetaste aktiviert die Sprachsteuerung des Fahrzeugherstellers. Ein längeres Drücken kann je nach Modell auch Siri oder Google Now aktivieren – muss aber nicht. Das macht die Anpassung einer App für Autos schwierig. Sie kann bis zu einem Jahr dauern.
Beide Systeme seien für die Masse der App-Entwickler daher nicht wirklich attraktiv, sagt Thomas Schulte-Hillen, Chef des Bonner Autonavigationsspezialisten Infoware gegenüber welt.de. Sie dienen bisher hauptsächlich dazu, etablierte Apps besser zu verzahnen. Großes Interesse läge daher nur auf Seiten der Automobilhersteller, die ihre Fahrzeuge mit den Systemen attraktiver erscheinen lassen wollen.
18 Gedanken zu „Das Problem von CarPlay und Android Auto“
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