„Postfaktisch“ ist das Wort des vergangenen Jahres. Denn mit der Verbreitung der sozialen Medien sei das „postfaktische Zeitalter“ angebrochen, in welchem die Wahrheit von Aussagen in der politischen Diskussion nicht mehr die Hauptrolle spielt, kritisieren viele Medien. Beweise, Widerspruchsfreiheit und Wissenschaft würden eine zunehmende Anzahl von Menschen im öffentlichen Diskurs nicht mehr interessieren. Stattdessen würden gefühlte Fakten übertrumpfen.
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Richtiger ist wohl eher, dass Wissen in den sozialen Netzwerken nicht länger primär durch etablierte Medien vermittelt wird, die sich durch gute Recherche einen Namen gemacht haben. Die Wahrheit erreicht einen Großteil der Menschen nicht mehr. Stattdessen kann jeder Nutzer frei alles behaupten. Dabei wird auch vor offensichtlichen Lügen nicht zurückgeschrecht.
Unser Autor Matthias hat es in seiner Kolumne „Die Facebook Generation“ gestern auf den Punkt gebracht:
Großes Thema sind sogenannte Fake-News. Dies sind Inhalte die an den Haaren herbeigezogen sind, Leser und Zuschauer beirren sollen und schon Beirrte weiter in ihren Bann ziehen.
Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht. Doch in Fake News wird bewusst gelogen, abgelenkt oder Fakten verwässert. In den politischen Diskursen des vergangenen Jahres – wie der Brexit oder der US-Wahlkampf – ließ sich anschaulich beobachten, wie die Wahrheit hinter dem Effekt auf die Leser und Wähler zurücktritt.
Spiegel-Kolumnist Sasha Lobo hat 2012 bereits gewarnt: „Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung, aber niemand hat das Recht auf eigene Fakten.“ Der Wahrheitsgehalt einer Aussage ist für die Verbreitung einer Nachricht in sozialen Netzwerken aber nicht relevant. Wichtiger ist, ob die Nachricht der gefühlten Wirklichkeit der Leser entspricht. Diese kann jedoch stark von der Realität abweichen, da wir uns in sozialen Netzwerken nur mit Gleichgesinnten umgeben und unsere eigene Wahrnehmung von der Welt damit bestärken. Was uns nicht interessiert oder unseren Ansichten widerspricht, wird herausgefiltert. Dieser Effekt wird als Filter Bubble bezeichnet und mit jedem Like, jedem Kommentar, jeder Nachricht und selbst beim Ausblenden von Inhalten verstärkt.
Mit der Einführung einer Schnittstelle zur Zensur hat Facebook in China eigentlich bereits bewiesen, dass Meinungsfreiheit und Wahrheit auf der Plattform nur eine untergeordnete Rolle spielen. In der westlichen Hemisphäre lastet jedoch ein zunehmender Druck auf dem Netzwerk. So schrieb Matthias gestern auch:
Facebook interessiert es aber nicht, dass News ohne inhaltliche Wahrheit auf der Plattform publiziert und verbreitet werden. Zwar kann man solche Inhalte als Nutzer melden, doch gelöscht werden sie in Regel nicht – das gilt auch für menschenfeindliche Kommentare.
Dem will Facebook im Jahr der Bundestagswahl nun mit einer neuen Kooperation begegnen: Das gemeinnützige Recherche-Zentrum CORRECTIV soll von Nutzern als Falschmeldung markierte Inhalte überprüfen. Fake News sollen dann jedoch nicht gelöscht, sondern mit einem Warnhinweis versehen und gegebenenfalls um einem Link zu einem Artikel mit den tatsächlichen Fakten ergänzt werden, erklärte Facebook Manager Gudio Bülow. „Das Posting an sich verschwindet nicht auf der Plattform, wir verstecken es nicht, Leute können es weiterhin teilen“, so Bülow. Der Warnhinweis bleibe aber bei der weiteren Verbreitung angeheftet. „Es kann auch sein, dass wir bei unglaubwürdigen Artikeln die Sichtbarkeit reduzieren“.
Partner im Kampf gegen Fake News
CORRECTIV wurde 2014 als gemeinnützige GmbH gegründet seine Arbeit bereits mehrfach ausgezeichnet. Die Non-Profit-Organisation finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge, private Spenden und Zuwendungen von Stiftungen wie der Bundeszentrale für politische Bildung aber auch Goolge. Von der Essener Brost-Stiftung erhielt CORRECTIV beispielsweise eine Anschubfinanzierung in Höhe von drei Millionen Euro für einen Zeitraum von drei Jahren. Von Facebook erhalte das Recherche-Zentrum zwar keine finanzielle Zuwendung, dürfte sich dafür jedoch sehr über die hinzugewonnene Aufmerksamkeit freuen.
„Wir sind überzeugt, dass alles getan werden muss, um der Verbreitung von gefälschten Nachrichten in sozialen Netzwerken entgegenzutreten“, erklärte der Leiter des Recherche-Zentrums, David Schraven.
Daneben will Facebook weitere Partner im Kampf gegen Fake News gewinnen. Außerdem wolle man die Möglichkeiten eindämmen, mit Falschmeldungen Geld zu verdienen. Mit aufsehen-erregenden Nachrichten war es einigen Seitenbetreibern im US-Wahlkampf gelungen, von den Nutzern millionenfach geteilt zu werden und folglich besonders viele Nutzer zu erreichen. Ihr Ziel war es, durch Werbeeinblendungen auf der Zielseite enorme Gewinne einzufahren.
„Wenn es sich um Klickschleudern handelt, die in der Vergangenheit schon häufiger mit Fälschungen aufgefallen sind, könnte es für das System ein Signal sein, sie eher herauszufiltern“, erklärte Bülow.
Interessierten sei in diesem Zusammenhang dieser zeitlose Longread zur politischen Beeinflussung auf Facebook empfohlen: Das Magazin: Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt.
18 Gedanken zu „Correctiv hilft Facebook bei Fake News“
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