Über Viv, den „virtuellen Ansprechpartner für alles“, haben wir schon einmal berichtet. Womöglich wird uns das Startup aus den Händen der Siri-Gründer mithilfe einer Vielzahl weiterer Ex-Apple-Mitarbeiter auch in Zukunft noch beschäftigen. Denn die Vision ist weit mehr als ambitioniert.
Schaut man sich die Webseite von Viv an, so wird man nicht wirklich schlauer. Keine konkreten Infos, nichts wirklich greifbares. Auch die Selbstbeschreibung klingt eher nach dem üblichen, visionären Phrasen-Bingo:
Viv is an artificial intelligence platform that enables developers to distribute their products through an intelligent, conversational interface. It’s the simplest way for the world to interact with devices, services and things everywhere. Viv is taught by the world, knows more than it is taught, and learns every day.
Und trotzdem wird das Startup aus Kalifornien in den Medien gehypt, wie sonst kein weiteres. Das könnte daran liegen, dass hinter dem Unternehmen schlaue Köpfe stecken: Dag Kittlaus, Adam Cheyer und Chris Brigham sind Namen, die man sich merken sollte. Sie haben bereits Siri gegründet, bevor es von Apple aufgekauft wurde. Dann sind sie vom Unternehmen abgesprungen, um mit Viv ihre Visionen umzusetzen. Die drei Vordenker stehen also zu 100 Prozent hinter ihrer Idee.
Einen ersten Vorgeschmack, was Viv so leisten könnte, hat Dag Kittlaus bereits auf der Techcrunch-Konferenz gezeigt:
Viv darf man nicht mit Siri vergleichen. Es soll nicht einfach nur ein Sprachassistent sein, der die Bedienung von etwas vereinfacht, was bereits an sich schon möglich ist. Viv soll eine Plattform sein, die ihre eigene Dynamik, ihr eigenes Ökosystem entwickelt. Das klingt immer noch etwas vage, sehr schwammig, nicht unbedingt fassbar. Dennoch sollte man der Vision eine Chance geben.
Das Besondere an Viv soll die tiefe Integration der Drittanbieter sein. Das System fragt bei den Anbietern nicht nur einfach Daten ab und stellt sie anders dar, sondern kombiniert die Informationen. „Sende meinem Freund 20 Euro für die Getränke gestern Abend“ – aus dem Kalender lernt Viv, welcher Freund gemeint ist, verknüpft dies mit den Kontaktinformationen und veranlasst so die Überweisung über einen Drittanbieter. „Schicke meiner Mutter einen Strauß Blumen zum Geburtstag“ – Viv weiß, wer die Mutter ist, holt sich die Adresse, das Geburtsdatum gibt nach der Auswahl des Produktes die Bestellung in Auftrag.
Wir können davon ausgehen, dass dies nur ein kleiner Teil der Ideen dieser drei Gründer ist.
Viv kämpft gegen die „Big Five“ des Internets.
John Battle, der sich schon länger mit verschiedenen Startups und Ideen auseinander setzt, fühlt sich in Anbetracht der Fortschrittlichkeit von Viv in alte Zeiten versetzt:
About halfway through a 90-minute exploration of Viv, the […] next-generation smart assistant platform, I started to experience a bit of deja vu. Here were highly intelligent founders, animated by a sense of purpose and a shared conviction that there Had To Be A Better Way, extolling the virtues of a new platform that, if only it were to be adopted at critical mass, would Change The World For the Better. It reminded me of my early days covering Apple in the 1980s, or Google in the early aughts. And I found myself believing that, in fact, the world would be a better place if Viv’s vision prevailed.
Ist Viv also der Anfang eines neuen Systems im Internet, das unser aller Nutzerverhalten ändern wird?
In der Vergangenheit gab es schon öfter Unternehmen, die das Internet für die eigenen Zwecke genutzt und sich so positioniert haben, dass es sich um die eigenen Plattformen dreht. Am Anfang gab es Yahoo, Lycos, AOL und Excite, die den Aufstieg von Google verpasst haben. Gleichzeitig haben Microsoft, IBM und Intel das aufstrebende Garagen-Unternehmen Apple nicht auf dem Schirm gehabt und mussten so deutlich einbüßen. Apple hat nicht nur einmal mit der grafischen Nutzeroberfläche (die später Microsoft adaptiert), sondern auch noch ein zweites Mal mit dem Ökosystem der Apps (das später Google adaptierte) das Internet verändert.
Aktuell wird das Netz von den großen fünf Feldern dominiert: Search (Google), E-Commerce (Amazon), Social (Facebook), Enterprise (Microsoft) und Mobile (Apple/Google). Viv versucht nun, diese fünf Bereiche auf einmal anzugreifen. Wobei insbesondere die Suche, das Einkaufen und das mobile Erlebnis auf den Kopf gestellt werden könnten.
Das große ABER bei Viv.
Dass Viv den aktuellen Platzhirschen so leicht Konkurrenz machen wird, ist noch schwer vorstellbar. Immerhin ist die Dominanz von insbesondere Apple und Google derart groß, dass es nicht einfach sein wird für ein kleines Startup. Viv müsste zunächst einmal zahlreiche Entwickler für die Zusammenarbeit begeistern. Dann braucht das Startup weiteres Geld von Investoren und muss auf eine schnelle Umsetzung setzen. Denn Apple, Facebook, Microsoft, Amazon und Google schlafen eben nicht.
Problematisch wird außerdem, wie sich Viv im Alltag der Nutzer integrieren wird. Während die größten Konkurrenten eigene Hardware und Software herstellen, ist Viv auf genau diese angewiesen. Und nur eine App von vielen? Das kann nicht der Anspruch der drei Gründer sein.
18 Gedanken zu „Die Vision von Viv: Das Internet der „Big Five“ zerstören“
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