Die ? des Emojis ist genau so alt wie das ?-Zeitalter an sich. Als die ersten Menschen damals begannen, sich in Online-Foren miteinander auszutauschen, merkten sie schnell, dass es schwierig ist, die eigentliche Stimmung hinter dem Kommentar des Gegenübers zu erkennen. Während im face-to-face Gespräch die Emotion klar ablesbar ist, schien dies bei geschriebenen Sätzen unmöglich. Doch der Informatiker Scott Fahlmann fand eine Lösung: Die Zusammensetzung aus Doppelpunkt, Bindestrich und Klammer konnte als ein menschliches Gesicht gedeutet werden. Der ? war geboren.
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Für den Sprachwissenschaftler Michael Beißwenger, der seit Jahren an der internetbasierten Kommunikation forscht, ist der ? aus dieser kaum mehr wegzudenken:
Online-Unterhaltungen nähern sich immer mehr dem mündlichen Dialog an. Gleichzeitig gibt es natürlich einen gewaltigen Unterschied zwischen Schreiben und Sprechen. Beim Texten fehlen Mimik und Gestik. Mit den Bildzeichen versucht man, das zu kompensieren.
Die kleinen Bilder bereichern die Kommunikation im Netz ungemein. In sozialen Netzwerken, in Messengern und auch hier in eurer Lieblings-Times-New-Roman-News-App werden Emojis in den Kommentaren inflationär verwendet. Rund 40 Prozent aller Bildbeschreibungen und Kommentare auf der Plattform Instagram enthalten mindestens ein Emoji, wie das Unternehmen mitteilte. Studien zeigen, dass das Gehirn den Gegenüber bei der Verwendung von ?s positiver wahrnimmt. Einer anderen Studie zufolge erhöht die Verwendung auch die Begeisterungsfähigkeit und Interaktion im ? oder in den Kommentaren.
Früher Wörter, jetzt Emojis.
Dass ?s sehr sinnvoll im digitalen Gespräch sein können, scheint also klar. Doch was ist mit den Zeichen, die keine Gesichter darstellen? Wird aus „Ich bin müde, morgen früh geht das Flugzeug schon um 5 Uhr. Kannst du die Katze füttern und die Blumen gießen?“ – künftig nur noch „Ich bin ?, morgen früh geht das ✈️ schon um 5 ⌚️. Kannst du die ? füttern und die ? gießen?“?.
Wenn es nach ? geht, ja ?. Mit iOS 10 schlägt die Quicktype-Tastatur bei jeder Eingabe – sofern verfügbar – auch ein passendes Emoji vor. Sollten Emojis künftig also ganze Worte ersetzen?
Zu viel Interpretationsspielraum.
Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin stellte unlängst fest, dass Emojis in sozialen Netzwerken nur sehr selten das geschriebene Wort ersetzen. Er selbst kommunizierte eine Woche lang mit seiner Frau nur noch in Zeichensprache auf WhatsApp. „Eine Strafarbeit“, so sein Fazit.
Es steht überhaupt noch in den ✨, ob sich Emojis statt ausgeschriebener Begriffe durchsetzen werden. Immerhin sind viele Bildchen doppeldeutig oder lassen einen zu großen Interpretationsspielraum zu. Bestes Beispiel: Der „?“ ist für einige ein Lachsmiley, für andere Nutzer hat das Bildchen aber eine eher unzufriedene Bedeutung. Und ob die Piktogramme tatsächlich die Funktion der Zeitersparnis beim ? erfüllen, darf auch gerne hinterfragt werden. Oder seid ihr beim Durchlesen dieses Artikels nicht auch über das ein oder andere Wort gestolpert? Dabei haben wir ausschließlich ?s Quicktype-Vorschläge in iOS 10 befolgt.
26 Gedanken zu „Wie das Wort, so das Emoji“
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