22. Juni 2016

Philipp Tusch

Wie das Wort, so das Emoji

Die ? des Emojis ist genau so alt wie das ?-Zeitalter an sich. Als die ersten Menschen damals begannen, sich in Online-Foren miteinander auszutauschen, merkten sie schnell, dass es schwierig ist, die eigentliche Stimmung hinter dem Kommentar des Gegenübers zu erkennen. Während im face-to-face Gespräch die Emotion klar ablesbar ist, schien dies bei geschriebenen Sätzen unmöglich. Doch der Informatiker Scott Fahlmann fand eine Lösung: Die Zusammensetzung aus Doppelpunkt, Bindestrich und Klammer konnte als ein menschliches Gesicht gedeutet werden. Der ? war geboren.

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Bild: pikcha, Shutterstock

Für den Sprachwissenschaftler Michael Beißwenger, der seit Jahren an der internetbasierten Kommunikation forscht, ist der ? aus dieser kaum mehr wegzudenken:

Online-Unterhaltungen nähern sich immer mehr dem mündlichen Dialog an. Gleichzeitig gibt es natürlich einen gewaltigen Unterschied zwischen Schreiben und Sprechen. Beim Texten fehlen Mimik und Gestik. Mit den Bildzeichen versucht man, das zu kompensieren.

Die kleinen Bilder bereichern die Kommunikation im Netz ungemein. In sozialen Netzwerken, in Messengern und auch hier in eurer Lieblings-Times-New-Roman-News-App werden Emojis in den Kommentaren inflationär verwendet. Rund 40 Prozent aller Bildbeschreibungen und Kommentare auf der Plattform Instagram enthalten mindestens ein Emoji, wie das Unternehmen mitteilte. Studien zeigen, dass das Gehirn den Gegenüber bei der Verwendung von ?s positiver wahrnimmt. Einer anderen Studie zufolge erhöht die Verwendung auch die Begeisterungsfähigkeit und Interaktion im ? oder in den Kommentaren.

Früher Wörter, jetzt Emojis.

Dass ?s sehr sinnvoll im digitalen Gespräch sein können, scheint also klar. Doch was ist mit den Zeichen, die keine Gesichter darstellen? Wird aus „Ich bin müde, morgen früh geht das Flugzeug schon um 5 Uhr. Kannst du die Katze füttern und die Blumen gießen?“ – künftig nur noch „Ich bin ?, morgen früh geht das ✈️ schon um 5 ⌚️. Kannst du die ? füttern und die ? gießen?“?.

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Wenn es nach ? geht, ja ?. Mit iOS 10 schlägt die Quicktype-Tastatur bei jeder Eingabe – sofern verfügbar – auch ein passendes Emoji vor. Sollten Emojis künftig also ganze Worte ersetzen?

Zu viel Interpretationsspielraum.

Anatol Stefanowitsch von der Freien Universität Berlin stellte unlängst fest, dass Emojis in sozialen Netzwerken nur sehr selten das geschriebene Wort ersetzen. Er selbst kommunizierte eine Woche lang mit seiner Frau nur noch in Zeichensprache auf WhatsApp. „Eine Strafarbeit“, so sein Fazit.

Es steht überhaupt noch in den ✨, ob sich Emojis statt ausgeschriebener Begriffe durchsetzen werden. Immerhin sind viele Bildchen doppeldeutig oder lassen einen zu großen Interpretationsspielraum zu. Bestes Beispiel: Der „?“ ist für einige ein Lachsmiley, für andere Nutzer hat das Bildchen aber eine eher unzufriedene Bedeutung. Und ob die Piktogramme tatsächlich die Funktion der Zeitersparnis beim ? erfüllen, darf auch gerne hinterfragt werden. Oder seid ihr beim Durchlesen dieses Artikels nicht auch über das ein oder andere Wort gestolpert? Dabei haben wir ausschließlich ?s Quicktype-Vorschläge in iOS 10 befolgt.

26 Gedanken zu „Wie das Wort, so das Emoji“

    • Da hast Du recht. Ich fühle much zeitweise um 2000 Jahre zurückgesetzt. In die Zeit der ägyptischen Hyroglyphen – bedonders wenn meine Tochter mir schreibt ?
    • Hab es mir vorlesen lassen und da wird jeder smily beschrieben… Deshalb wurde aus ✨ „drei Sterne“ Und zB aus ? „Kirschblüte“ Aus dem Kontext verständlich aber nur wenn man es auditiv wahrnimmt ;-D
  1. Ich glaube am meisten Probleme wird das machen, wenn die Smileys auf Android anders aussehen, wie ihr mal einen Artikel darüber gemacht habt.
      • Also ich als Samsung Handy Besitzer finde es schwer manche smiles zu entziffern. Sie sollten alle Apples design Benutzen… (lasst das haten sein Apple-Fans) :)
      • @Lutz, gibt auch Apple Nutzer, denen Apples Lösung einfach gefällt und die, die anderen in Ruhe lassen nur weil die etwas anderes benutzen. Das bemerkt man hier zwar selten, aber hier treiben sich schließlich eh eine Menge Kleingeister rum, die sonst eher nichts zu sagen haben. :)
    • Musst du ja nicht, ist kein neues Gesetz. Also schön weiter locker durch die Hose atmen. Ist nichts, was einen Aufreger oder einen Herzinfarkt wert ist. Wenn ich mich hier so umsehe, laufen da eh einige Gefahr des sozialverträglichen Frühablebens durch eike Überdosis iOS10.
  2. „Die Glühbirne der Emojis ist genauso alt wie das HP-Notebook-Zeitalter“. Außerdem: „morgen fahre ich in die Sonnenbrille.“ Großartig dieses QuickType.
  3. Für mich sind emojis immer am Ende eines Gedankens und spiegeln mein Befinden wieder. Z.b. schreibe ich „Heute war die Vorlesung kacke ?“ und nicht sowas wie „Heute war die Vorlesung ?“ Ich fand es anstrengend den Artikel zu lesen und würde es nicht gerne als Zukunft sehen wollen.?
      • Apple stellt die Option zur Verfügung, ob ihr Plan ist das man alle Zeichen ersetzt wurde ja auch mehr reininterpretiert. Etwa genauso stumpf wie der Professor mit seiner genialen Forschungsarbeit in der er NUR emojis benutzt. Es ist eine Option in der man leichter auf die Begriffe zu greifen kann, und stellenweise „kurze Nachrichten“ visuell schneller wahrnehmbar sind. Es ergänzt die „einfache“ Sprache mit Symbol Sprache. Das das manchen Geist überfordert und er glaubt man solle nur das verwenden oder ähnlich ist ehrlich gesagt für mich nicht nachvollziehbar, da es dazu weder einen Anlass noch sonst was gibt. Aber klein Fritz muss sich eben über irgendwas muckieren, was eigtl nur zeigt, das er es wie meist nur nicht kapiert.
  4. Ich verwende ein iPad Pro mit einem SmartKeyboard, auf welchem ich wenigstens 315 Anschläge/Minute tippfehlerfrei schaffe. Quicktype & Co. scheiden daher, da unproduktiv, für mich aus. Irgendein (gesteigerter) Nutzen von Emojis, sofern nicht einfachst mit Doppelpunkt, Minus und (ggfs. spitzen) Klammern erzeugbar, ergibt sich damit für mich nicht. Macht aber nichts, da sich der Sinn meiner Texte sowieso jeweils aus dem Zusammenhang ergibt. Dieser dürfte mehr und detailliertere Aussagen liefern, als jedes Emoji.
  5. Hallo, wenn wir hier schon beim Thema Emoji sind: Kann mir jemand sagen, wo ich am Mac die Tastenkombinationen für die Emojis finde? Ich möchte die Emojis gerne über die Tastatur eintippen (bspw. in der Messages – App) Die üblichen verdächtigen „: D“ und „: )“ bekomme ich noch selber hin, aber bspw. den nachdenklichen Smiley o.Ä. wüsste ich jetzt nicht. Die Emoji „Tastatur“ habe ich natürlich aktiviert, aber ich finde das umständlich da jedes mal via Trackpad Emojis zu suchen, anstatt häufig genutzte einfach via Tastenkombi zu erstellen
  6. Mich erinnert das alles an die 1. Klasse. Lesen lernen mit Sätzen die aus einfachen Worten und Bilder bestehen ? Wer’s mag, soll es so wieder verwenden ? Ich nutze es als Stimmungssymol am Ende des Satzes oder … aber das passiert ganz selten … doch mal als Symbolbildchen für ein Wort, wenn auf Twitter die 140 Zeichen voll ausgereizt werden ?

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