Sagen wir es mal so: Apple hat mit Sicherheit schon deutlich bessere Zeiten erlebt, als diese Tage. Viel schlechte Presse trübt das Stimmungsbild rund um den Mega-Konzern und wiegen schwer auf dem angestrebten Image als technischer Innovator auf dem Markt. Der Dauer-Vorwurf: Nach dem iPhone gelang dem Unternehmen keine Innovation mehr, die Apple Watch genüge nicht den Ansprüchen und zu viele Fehler kratzen am so schwer aufgebauten Bild der Marke. Neben nicht erfüllten Erwartungen in der Produktpalette, muss sich Apple auch noch mit stagnierenden Verkaufszahlen beschäftigen. So kam es erstmals vor, dass die iPhone-Absätze das Vorjahr nicht übersteigen konnten. Auch die Aktie ist längst nicht mehr die stabilste Komponente. Seit Mitte des vergangenen Jahres sind die Anleger deutlich zögerlicher geworden.
So kann es schon einmal vorkommen, dass sich in diesen vermeintlich stürmischen Zeiten die sonst so seltenen Interviews mit Tim Cook häufen. Innerhalb einer Woche durfte der 55-Jährige gleich zwei Mal ran – denn wenn ein Apple-Chef spricht, dann findet er stets Gehör.
Tim Cook um Beruhigung bemüht.
In den beiden perfekt inszenierten Interviews mit Fast Company (wir berichteten) und nun auch mit der Washington Post kann man selbstredend keinerlei Ankündigungen für neue Produkte erwarten. Jedes Wort ist von der Marketing-Maschinerie bei Apple geprüft und wohl bedacht.
Das Ziel: Beruhigung. Insbesondere der Presse und den Anlegern sollte klar gemacht werden, dass Apple für die Zukunft große Vorhaben plant. Um dieses Bild zu unterstreichen, reißt Cook verschiedene Themen an: Künstliche Intelligenz, VR, Fitness- und Gesundheit, Wachstumspotenziale im Businessbereich, der Automarkt, das heimische Wohnzimmer, Entertainment immer und überall – und, und, und. Tim Cook wird nicht müde, zu betonen, was Apple will und vor allem wohin man will.
Das ist Chefsache.
Am 24. August wird Cook genau 5 Jahre lang im Amt sein. Damals übernahm er den Posten des kurze Zeit später verstorbenen Gründers Steve Jobs. Er betonte vehement, dass sich unter seiner Führung die Unternehmensziele nicht verändern werden, er aber keineswegs ein Ersatz für Jobs sein kann und will.
Für Außenstehende ist es aber dennoch leicht, den Chef höchstpersönlich für die Fehler und Mini-Krise in den letzten Jahren verantwortlich zu machen. Die Folge: Tim Cook muss sich auch immer wieder selbst den kritischen Fragen der Zeitungen stellen. In der Washington Post hatte er nun die Möglichkeit in einem „Uns geht es doch gut“-Interview die Zahlen nochmal auf den Tisch zu legen: Der Gewinn hat sich in seiner Amtszeit vervierfacht, das iPhone-Geschäft ist enorm gewachsen. Und natürlich: Für die Zukunft hat Apple noch so einiges in petto.
Great people surface great ideas. We’re a believer in small teams versus monolithic huge teams. The product teams are horizontal, where people from hardware and software services can all work together. […] Because the wonderful thing about Apple is there are many ideas about doing things. We have resources to do a few, but you can only do a few things deep and well, and so you have to say no and have debates about what things are in versus out.
Unter Cooks Führung hat die Kommunikationspolitik grundlegend geändert, was auch direkte Auswirkungen auf das Image des Unternehmens hat. Es wirkt offener, vermehrte Interviews geben kleine Einblicke in die Gedanken und Visionen der Führungskräfte – Und: Apple gesteht sich Fehler ein, wie beispielsweise das Maps-Debakel oder falsche Personalentscheidungen.
Doch „offener“ heißt auch immer „angreifbarer“. Genau das muss das Unternehmen und auch Tim Cook in der aktuellen Zeit aushalten.
9 Gedanken zu „Wenn Krisenmanagement zur Chefsache wird“
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